Die trojanische Energiewende

Seit Jahren bekämpfte Vorhaben wie Pumpspeicherwerke werden in der Energiestrategie 2050 des Bundes plötzlich zu nachhaltigen Massnahmen. Mit einem ähnlichen Trick eroberten die Griechen Troja.
Energie- und Stromverbrauch senken und AKWs durch Effizienz und Erneuerbare ersetzen: So lautet der erste Teil der Energiestrategie 2050, die Ende September durch Bundesrätin Doris Leuthard präsentiert wurde. So abgefasst könnte der Vorschlag von der Bewegung für Erneuerbare stammen.
Aber der erläuternde Bericht zur Energiestrategie 2050 ist schwere Kost. Irgendwie werde ich die Vermutung nicht los, dass da im Hintergrund einige starke Lobbys massiv mitgewirkt haben, insbesondere der Wasserkraft, des Tiefbaus und der Hochspannungsnetzbetreiber. Alte Projekte wie Pumpspeicher und ein massiver Netzausbau, die lange vor Fukushima geplant wurden, und die Nutzung der meisten noch freifliessenden Bäche für Kleinstwasserkraftwerke sollen durch raschere und einfachere Verfahren beschleunigt, Widerstand dagegen soll erschwert werden.
Die vier grossen neuen Pumpspeicher (Linthal 2015, Nant de Drance, Grimsel und Lago Bianco), die vor Jahren zum Hochpumpen von Atom- und Importstrom geplant wurden, werden nun als wichtige Elemente der Energiewende verkauft. Dass sie dereinst per Saldo bis 2500 GWh Strom zum Hinaufpumpen vernichten, wird nirgends erwähnt. Weitere grosse Verluste dürften durch die grossen Stromtransite via neue Höchstspannungsleitungen entstehen.


Solarstrom wird weiter behindert
Die AKWs sollen durch die Erneuerbaren ersetzt werden. Damit dies aber nicht zu schnell passiert, wird der Photovoltaik weiterhin ein Deckel aufgesetzt: «...für die Photovoltaik sollen weiterhin Zubaukontingente festgelegt werden, um eine nachhaltige Entwicklung (sic!) der Branche und der Förderkosten sicher zu stellen. ...Richtwert von 600 GWh für das Jahr 2020...». An anderer Stelle wird für 2030 mit 1900 GWh gerechnet. Umgerechnet auf kWh pro Person bedeutet dies 75 kWh/Person Solarstrom im 2020 und 239 kWh/Person im 2030. Dabei lag die Solarproduktion in Deutschland Ende 2011 schon bei 232 kWh/Person! Wollen wir technologisch 19 Jahre hinter Deutschland herhinken, obwohl die Kosten pro kWh aus neuen Solaranlagen heute meistens tiefer liegen als die Bezugskosten beim lokalen EW (das heisst unter 20 Rp./kWh)?


WKK-Anlagen fallen unter den Tisch
Kleinwasserkraftwerke in bisher unverbauten Bergbächen sollen dagegen Entschädigungen von bis zu 38 Rp./kWh erhalten, und die Investitionskosten von Geothermieprojekten sollen bis zu 60 Prozent subventioniert werden können, obwohl diese Quellen gemäss den Szenarien 2050 weit weniger Strom als die Sonne beitragen werden.
Ein anderes grosses Stromproduktionspotential, das die Photovoltaik ideal ergänzen könnte, die dezentrale Wärmekraftkopplung (WKK), wird fast zur Bedeutungslosigkeit beschränkt. Nur Anlagen ab ca. 200 kW Wärmeleistung und 120 kW elektrischer Leistung sollen gefördert werden, auch mit klarem Begrenzungs-Deckel. Damit fällt das enorme Potential von Klein-WKK-Anlagen für alle Gebäudegrössen unter den Tisch, obwohl über 90 Prozent aller Gebäude Heizleistungen unter 200 kW brauchen. Heizen müssen wir (fast) alle – warum nicht mit kleinen Kraftwerken, die so endlich grosse Stückzahlen und tiefe Preise erreichen könnten! Je näher die WKK beim Verbraucher steht, desto besser kann die Abwärme genutzt werden. Eine noch so günstige zentrale Produktion wird teuer, wenn Transport und Verteilung riesige Summen verschlingen. Gemäss einer Studie der ehemaligen deutschen Bundesanstalt für Landeskunde und Raumordnung kosten Transport und Verteilung von Fernwärme rund viermal mehr als Strom, sogar 70 mal mehr als der Transport und die Verteilung von Erdgas. Folglich ist es am effizientesten, Strom und Wärme dezentral mit Erdgas WKK zu erzeugen.


Faire Preise für sauberen Strom
Die Energiewende schaffen wir nur, wenn wir endlich mit dem Abstellen der Alt-AKWs beginnen. Damit könnte sich ein dynamischer Markt für neue und erneuerbare Stromproduktion entwickeln, besonders dann, wenn den Energieversorgungsunternehmen einige Pflichten – z.B. Rücknahme des Stromes zu fairen Preisen – auferlegt würden. Das Ganze könnte mit wesentlich weniger Subventionen und Naturzerstörung umgesetzt werden.

Fazit: In der vorliegenden Form gleicht die Energiestrategie 2050 eher einem trojanischen Pferd, mit dem alte Massnahmen neu verpackt werden.


Kontakt: Heini Glauser, Dohlenweg 2a, 5210 Windisch, Tel. 056 442 08 30, [email protected]

An der Vernehmlassung zur Energiestrategie können alle teilnehmen, Unterlagen finden sich unter:
http://www.bfe.admin.ch/energie/00588/00589/ 00644/index.html?lang=de&msg-id=46133

21. Dezember 2012
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