Ein Plädoyer für die Auflösung der Vereinten Nationen
Vor 80 Jahren wurde die UN gegründet, vor 30 Jahren geschah die Katastrophe von Srebrenica – eine Quintessenz. Ist es Zeit für eine «World Management Authority»?
UN-Hauptquartier. Bild: Netzfund
UN-Hauptquartier in New York. Bild: Netzfund

Die USA von Trump regiert die Welt schwindelig, der chinesische Gigant wartet ruhig auf die Morgenröte, Russland strauchelt, die europäischen Staaten beraten im Nichtschwimmerbecken der Geschichte. Die My-Country-First-Doktrin, das Ignorieren des internationalen Rechts, die systematische Untergrabung demokratischer Grundwerte, Fake-News, die Willkür des militärisch und wirtschaftlich Stärkeren: All das gehört mittlerweile zur neuen Normalität auf unserem schönen Planeten – stillschweigend akzeptiert, halbherzig kritisiert, öffentlich applaudiert.

Wer gibt da noch was auf die Vereinten Nationen, auf die UN? Überbürokratisiert, finanziell völlig ausgeblutet, blockiert durch den sogenannten Weltsicherheitsrat, politisch gänzlich irrelevant. Ihre sofortige Auflösung wäre zeitgemäss und überfällig. Aber brauchst es eine Alternative zum Diktat der Bipolarität, zum Diktat der samt-demokratischen Gewaltdiktatur?

Während der Zweite Weltkrieg noch tobte, diskutierten die Staats- und Regierungschefs des Vereinigten Königreichs, Chinas, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion schon über Einzelheiten einer Nachkriegsorganisation. Eine angebliche Notwendigkeit, nach zwei verheerenden Weltkriegen. Schon vor Kriegsende im Jahr 1944 kamen die Repräsentanten jener Staaten in Dumbarton Oaks in Washington DC zusammen und erstellten einen Entwurf für eine entsprechende internationale Organisation. Zwischen April und Juni 1945 trafen sich dann Vertreter aus 50 Ländern in San Francisco, um den endgültigen Text auszuarbeiten, der die Grundlage für die internationale Zusammenarbeit bilden sollte. Das war die Charta der Vereinten Nationen, die vor 80 Jahren, am 26 Juni 1945, von den ersten Mitgliedsländern der Vereinten Nationen unterzeichnet wurde.

Die UNO (United Nations Organization) hatte sich 4 Hauptziele gesetzt:

  • den Frieden in der Welt zu wahren;
  • die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen zu unterstützen;
  • den Ländern zu helfen, zusammenzuarbeiten, um das Leben der armen Menschen zu verbessern, Hunger, Krankheiten und Analphabetismus zu bekämpfen und die Achtung der Rechte und Freiheiten der anderen zu fördern;
  • ein Zentrum für die Harmonisierung der Massnahmen der Nationen zur Erreichung dieser Ziele zu sein.

Mit der Charta wurden sechs Hauptorgane der Vereinten Nationen geschaffen: die Generalversammlung, der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat, der Treuhandrat (heute bereits abgewickelt), der Internationale Gerichtshof und das Sekretariat. Die Familie der Vereinten Nationen ist jedoch viel grösser und umfasst weitere 15 Organisationen, mehrere Programme und zahlreiche Gremien.

Die Generalversammlung ist formell das wichtigste beratende Organ der Vereinten Nationen und setzt sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammen. Für Beschlüsse zu wichtigen Fragen wie Frieden und Sicherheit, sowie Haushaltsangelegenheiten ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Andere Fragen werden mit einfacher Mehrheit entschieden. Jedes Land hat eine Stimme.

Der Sicherheitsrat trägt gemäss der UN-Charta die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Der Rat setzt sich aus fünf ständigen Mitgliedern – China, der Russischen Föderation, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika (den so genannten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs plus China) – sowie zehn nicht-ständigen Mitgliedern zusammen. Die nicht-ständigen Mitglieder werden von der Generalversammlung für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt. Jedes Ratsmitglied hat eine Stimme. Beschlüsse über Verfahrensfragen werden mit der Zustimmung von mindestens neun der 15 Mitglieder gefasst. Für Beschlüsse in inhaltlichen Fragen sind neun Stimmen erforderlich, einschliesslich der übereinstimmenden Stimmen aller fünf ständigen Mitglieder – diese Regel wird als „Vetorecht« der ständigen Mitglieder bezeichnet.

Die Arbeit der Vereinten Nationen erstreckt sich über den gesamten Globus. Obwohl sie vor allem für Bemühungen im Katastrophenschutz und der humanitären Hilfe generell bekannt sind, gibt es auch andere Bereiche, in denen die UN und ihr System (Sonderorganisationen, Fonds und Programme) weltweit versuchen, sich einzubringen. Die Organisation arbeitet in einem breiten Spektrum grundlegender Themen, vom Umwelt- und Artenschutz, Ernährungssicherheit und landwirtschaftlicher Entwicklung, Abrüstung und Nichtverbreitung nuklearer Waffen bis hin zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten, Gleichstellung der Geschlechter, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, internationaler Gesundheit, Räumung von Landminen und vieles mehr. Dies soll dazu beitragen, dem Ziel einer sichereren Welt für diese und künftige Generationen näher zu kommen.

Es ist anzuerkennen, dass im Verlauf der Jahrzehnte seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sich durch die Arbeit der Vereinten Nationen und ihrer Organe und Unterorganisationen einiges auf unserem Planeten zum Besseren gewendet hat. Insbesondere in den Bereichen der Schulbildung, der Gesundheitsversorgung, der Ernährungssicherheit, der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen, vor allem in so genannten Entwicklungs- und Krisenländern. Auch wenn viele Stimmen behaupten, dass selbst in diesen Bereichen, die Anstrengungen der Einzelstaaten, die Entwicklung der Privatwirtschaft, die Finanzierung durch Banken, einschliesslich der Weltbank, des Weltwährungsfonds entscheidend waren und nicht die Arbeit der UN.

In anderen Bereichen wird das Scheitern der UN augenscheinlich, insbesondere in der Friedenssicherung und internationalen Rechtsprechung. Drei Beispiele.

Blauhelme der UNO

Die Blauhelme der UNO, offiziell bekannt als UN-Friedenstruppen, sind militärische und zivile Einheiten, die von den Vereinten Nationen in Krisengebiete entsandt werden, um Frieden zu sichern und zu erhalten. Die Blauhelme haben verschiedene Aufgaben, darunter die Überwachung von Waffenstillständen, die Durchsetzung von Friedensabkommen, der Schutz der Zivilbevölkerung beim Wiederaufbau nach Konflikten oder Naturkatastrophen. Wohlwollend kann man behaupten, die Blauhelme hätten einen symbolischen Wert, sie zeigten, dass die Weltgemeinschaft gewillt ist, in einem gewissen Land den Frieden zu sichern und die Zivilbevölkerung zu schützen. Doch de facto sind sie eine zahnlose Katze ohne ernstzunehmende Befugnisse.

Das Paradebeispiel ist Srebrenica 1995. Die Blauhelmsoldaten, in diesem Fall eine niederländische Einheit (Dutchbat), waren im Rahmen einer UN-Friedensmission im Bosnienkrieg eingesetzt worden. Nicht nur waren sie militärisch den serbischen Truppen unterlegen, sie hatten auch keine Befugnis, zur Durchsetzung ihres Auftrags Waffengewalt einzusetzen. Die Katastrophe von Srebrenica konnten sie nicht verhindern. Vor 30 Jahren, am 11. Juli 1995, verübten serbische Einheiten ein Massaker, bei dem über 8000 muslimische Bosniaken getötet wurden. Das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Die UN-Blauhelmsoldaten sahen dabei zu, ohne einzugreifen. Aber es gibt viele weitere Beispiele für die absolute Irrelevanz der UN-Blauhelme im Ernstfall. Zuletzt die UNIFIL (United Nations Interim Force in Lebanon) im Libanon, die bei den Angriffen der israelischen Armee auf den Südlibanon 2024/5 nur zuschauten.

Internationale Atomenergie-Organisation

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) ist eine wissenschaftlich-technische Organisation innerhalb des Systems der Vereinten Nationen. Die IAEO bezeichnet sich als das zentrale zwischenstaatliche Forum der Welt für die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit im Nuklearbereich. Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT, Non Proliferation Treaty) ist das Kernstück der weltweiten Bemühungen, die Verbreitung von Kernwaffen zu verhindern und eine entsprechende Abrüstung voranzutreiben. Die IAEO ist zwar keine Vertragspartei des NPT, doch ist sie im Rahmen des Vertrags mit wichtigen Verifikationsaufgaben betraut. Das NPT teilt seine Mitglieder in Nuklearwaffenstaaten (NWS) und Nicht-Nuklearwaffenstaaten (NNWS) ein. Die fünf NWS sind China, Frankreich, Russland, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. Alle anderen Staaten werden als NNWS eingestuft.

Zwar verpflichtet das NPT Nicht-Nuklearwaffenstaaten dazu, die Überwachung ihrer nuklearen Aktivitäten durch die IAEO zu akzeptieren - siehe u.a. Iran. Das NPT schreibt den Nuklearwaffenstaaten allerdings keine direkten Inspektionen ihrer Kernwaffenarsenale vor. Einige Nuklearwaffenstaaten sind dem NPT nie beigetreten, darunter Israel, Indien und Pakistan. Nordkorea war Mitglied, zog sich aber 2003 zurück. Die Rolle des IAEO und ihres umstrittenen Generalsekretär Grossi im jüngsten Konflikt zwischen den USA / Israel und dem Iran ist undurchsichtig. Aber es erscheint mehr als plausibel, dass Grossi als Interessensträger Israels agierte. Iran hat zurzeit jede Zusammenarbeit mit der IAEO ausgesetzt, ein Austritt scheint nur eine Frage der Zeit. Nachvollziehbar, ist doch Israel, das international als Atommacht eingeschätzt wird und in den letzten sechs Monaten fünf Staaten im Nahen Osten militärisch angegriffen hat, auch kein Mitglied der IAEO. Folglich muss sich Israel auch keinen Inspektionen der IAEO aussetzen. Ebenso wenig wie die USA, dem einzigen Staat auf dem Planeten, der Atombomben jemals eingesetzt hat und damit in Japan schätzungsweise bis zu einer viertel Million Menschen getötet hat. Die UN als solche, oder die IAEO im Speziellen, haben keinerlei Möglichkeiten Atomwaffenarsenale von offiziellen, noch vermuteten Atommächten zu beaufsichtigen. Die UN ist somit auch auf diesem Gebiet nicht in der Lage ihr Mandat zu erfüllen.

Internationaler Gerichtshof

Der Internationale Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen befasst sich mit zwischenstaatlichen Streitigkeiten. Die Mitgliedschaft im IGH ist nicht direkt an die Mitgliedschaft in der UN gekoppelt, obwohl der IGH das wichtigste Rechtsprechende Organ der UN ist. Die USA, China, Russland und auch Israel sind beispielsweise keine Mitglieder des IGH, obwohl sie UN-Mitgliedsstaaten sind. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist zuständig für die Verfolgung und Bestrafung von besonders schweren Verbrechen, wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Es ist ein eigenständiges Gericht und formell nicht Teil der Vereinten Nationen, arbeitet aber mit ihnen zusammen. Auch hier: Die USA, Russland und China erkennen die Legitimität des IStGH nicht an. Israel ist auch kein Mitglied. Der IStGH hat jedoch eine Zuständigkeit für die palästinensischen Gebiete, die seit 1967 von Israel besetzt sind, da Palästina dem Gericht beigetreten ist. Auch wenn der IStGH in anderen Konfliktgebieten, wie dem Jugoslawienkrieg, durchaus in der Lage war, in Einzelfällen seines Amtes zu walten und Recht zu sprechen, ist der IStGH wie auch der IGH unfähig zu handeln, wenn es um das Agieren der Grossmächte dieser Welt geht.

Darüber hinaus untergraben Einzelstaaten schon seit Jahrzehnten die Mandate anderer UN Institutionen, wie der WTO (Welthandelsorganisation), der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) oder auch der WHO (Weltgesundheitsorganisation). Die Entscheidung der Trump Regierung, die US Entwicklungshilfeorganisation USAID weitestgehend aufzulösen, hat auch die meisten UN-Entwicklungsorganisationen und -programme, die zu einem Grossteil von US-Geldern abhängig sind, gezwungen, ihre Arbeit weltweit auszusetzen oder substanziell herunterzufahren. Die Blockade des wichtigsten UN-Gremiums, des Weltsicherheitsrates, durch seine ständigen Vertreter, den Vetomächten, ist da de-facto fast schon unerheblich – aber dazu später. Der Trend ist klar und scheint unumkehrbar. Die UN und ihre Organe spielen immer weniger eine Rolle auf dem Parket des Weltgeschehens – falls sie es jemals taten.

«World Management Authority»

Unabhängig von der Existenz oder Nicht-Existenz der Vereinten Nationen sind die negativen Auswirkungen der heutigen Globalisierung gemeinhin offensichtlich: Dazu gehören der Wettlauf um Standorte mit den geringsten Löhnen, niedrigsten Sozial- und Umweltstandards mit den Folgen des Verlustes von Arbeitsplätzen, des Lohndumpings und der Umweltzerstörung; der Wettlauf um Steuersenkungen und Steuerhinterziehungen auf internationaler Ebene mit der Konsequenz der Verarmung der öffentlichen Haushalte; die weltweite Privatisierung vieler öffentlicher Dienste und Einrichtungen, selbst von Grundbedürfnisleistungen zugunsten von Kapitaleignern und Investoren; die Überflutung der Märkte in den Entwicklungsländern durch industrielle Billigexporte multinationaler Unternehmen, sowie eine Schwächung der kleinen, mittelständischen und regionalen Wirtschaft, da sie in den globalen Wettläufen nicht mithalten kann.

Daraus ergibt sich zugleich die immer grösser werdende Schere zwischen den wenigen extrem Reichen und den vielen Armen weltweit sowie zwischen Nord und Süd, das Verfehlen der Millenniumsziele, Hunger, Armut und Kindersterblichkeit bis 2015 weltweit zu halbieren, der fehlende Durchbruch bei der Bewältigung der ökologischen und Klimakrise, die Zunahme von Armuts- und Umweltmigration, das Erstarken von nationalistischen und populistischen Regimen, das Aufkommen neuer Kriege um Ressourcen und zunehmende internationale Gewalt, bis hin zu neuen Formen des Terrorismus, einschliesslich des Staatsterrorismus.

Eine neue Politik und Ökonomie müssen diese Fehlentwicklungen auf internationaler Ebene überwinden, da scheinen sich die meisten einig zu sein. Doch dazu müssen die Regierungen und die Weltgemeinschaft koordiniert das Gemeinwohlinteresse gegen die Partikularinteressen von Profit und Komfort durchsetzen können und wollen. Die Solidarität mit anderen Ländern, die Würde aller Menschen, die Achtung der (auch neu zu definierenden) Menschenrechte und der Schutz globaler Gemeinschaftsgüter müssen Ziele aller Nationen werden. Eine entsprechende internationale politische Verständigung und Regulierung der Weltwirtschaft können nur durch tiefgreifende Reformen umgesetzt werden.

Doch die Vereinten Nationen sind in der heutigen Realität nie angekommen und können dazu keinen Beitrag mehr leisten. Eine notwendige radikale Reform der UN als Institution müsste viel weiter gehen als die üblichen Forderungen nach Effizienzsteigerung, Kostenminimierung und Bürokratieabbau. Die Zusammensetzung des Sicherheitsrates, welche im Wesentlichen immer noch auf der Grundlage der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und China beruht, ist völlig überholt. Eine längst überfällige Reform des Weltsicherheitsrates, aber vor allem ein fundamentaler Quantensprung in der Politikdurchsetzungskompetenz der Vereinten Nationen wären ausschlaggebend für eine tatsächliche weltpolitische Relevanz dieser potenziell höchst wichtigen Institution. Doch wer und wann würde man sich in der UN jemals darauf einigen können? Ein pragmatischer, zeitgemässer Ansatz ist nötig.

Neben der militärischen Stärke und der wirtschaftlichen Produktionskraft, müssten primär die Bevölkerungszahl eines Staates, der Besitz geostrategisch wichtiger natürlicher Ressourcen (insbesondere Wasser, landwirtschaftliche Nutzfläche, Erdöl/-gas, seltene Erden, Erze, Schwermetalle unter anderem Uran, sowie Artenreichtum der Flora und Fauna) und die geografische Ausdehnung eines Landes, also seiner Fläche, die entscheidenden Parameter für die Zusammensetzung einer neu zu schaffenden «World Management Authority» (WMA), einer Art globalen Managementbehörde sein – mit einer nur begrenzten Anzahl von Mitgliedsstaaten. Auf dieser Grundlage könnte sich ein solcher neuer globaler Entscheidungsrat beispielsweise wie folgt zusammensetzen:

  • Fernöstliche Hemisphäre: China, Indien, Japan, Indonesien, Australien
  • Östliche Hemisphäre: Russland, Türkei, Iran, Saudi-Arabien
  • Afrikanische Hemisphäre: Südafrika, Kongo, Nigeria, Äthiopien, Algerien, Libyen
  • Europäische Hemisphäre: Deutschland, England, Frankreich
  • Amerikanische Hemisphäre: USA, Kanada, Brasilien, Venezuela, Mexiko, Argentinien

Ein Vetorecht der bislang fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates ist nicht zu rechtfertigen und würde ersatzlos entfallen. Entscheidungen sollten mit einer Zweidrittelmehrheit getroffen werden. Was die tatsächliche weltpolitische Relevanz dieser neuen globalen Institution anbelangt, so wäre es nötig, geostrategische Politik- und Gesellschaftsbereiche zu definieren, für die die Weltgemeinschaft (repräsentiert durch die World Management Authority) rechtlich bindende und in allen Ländern umzusetzende, sogenannte Geo-Gesetze verabschieden kann. Deren Anwendung muss die WMA kontrollieren und durchsetzen können. Entsprechende Mittel müssen der Weltgemeinschaft, der WMA, zur Verfügung gestellt werden, beispielsweise der ungehinderte Informationszugang für Kontrollbehörden, Sanktionen und letztlich, im Notfall, auch die Möglichkeit des militärischen Eingreifens. Diese Politik- und Gesellschaftsbereiche, für die die World Management Authority von den Nationalstaaten mittelfristig die Verantwortung übernehmen müsste, wären unter anderem:

  • Strikte Achtung/Durchsetzung der Menschenrechte (inklusive einer gerechten Entlohnung von Arbeit);
  • Kontrolle konventioneller und ABC-Waffenarsenale und des internationalen Waffenhandels;
  • Regelung und Kontrolle der Finanzmärkte und Finanzströme;
  • Nutzung natürlicher Ressourcen (inklusive Wasser, Ackerland, Erd-öl/-gas, Bodenschätze);
  • Sicherung der global-ökologischen Nachhaltigkeit, des Umwelt- und Genomschutzes, Aufsicht über Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit;
  • langfristig die Regelung des Freihandels auf der Grundlage gesamtgesellschaftlicher komparativer Produktionsvorteile.

Eine solche grundlegende Neugründung der wichtigsten planetarischen Institution der Weltgemeinschaft würde die Funktionen der meisten anderen heute existierenden internationalen Organisationen, inklusive der Vereinten Nationen, aber auch der G7/8 und der G20, ersetzen. Die UN wie wir sie heute kennen, würde sich auflösen.

Im Gleichklang mit der oben in groben Zügen vorgezeichneten radikalen Reform der Vereinten Nationen und deren Politikdurchsetzungskompetenz, oder mit anderen Worten, der Schaffung einer die UN ersetzende World Management Authority, ist es notwendig, eine von der WMA geleitete supranationale Militärkompetenz zu schaffen. Diese würde nicht nur die weltweite Produktion von Waffenmaterial und dessen Handel sowie eine weltweit anzustrebende Abrüstung beaufsichtigt, sondern gleichzeitig selbst zur weltweit wichtigsten und langfristig einzigen Militärkraft werden.

Die supranationale Militärkompetenz würde im Auftrag der World Management Authority zur Verfügung stehen, um gegebenenfalls ein entsprechend geostrategisch notwendiges Eingreifen im Sinne der planetarischen Gesamtgesellschaft möglich zu machen, um u.a. Massaker wie das von Srebrenica vor 30 Jahren zu verhindern. Entsprechend müssten schon vorhandene Militärarsenale von Einzelstaaten schrittweise abgebaut beziehungsweise in die Verwaltung der WMA übergehen. Folgerichtig würde die NATO (North Atlantic Treaty Organization) aufgelöst und durch die supranationale Militärstruktur der WMA ersetzt werden.

Das gesamtgesellschaftliche Ziel müsste die Schaffung einer monolateralen Militärkompetenz sein, welche den von der World Management Authority getroffenen Entscheidungen Gewicht verleiht, weltweit Krisenherde und potenzielle bewaffnete Konflikte effizient eindämmen oder verhindern kann, und im Falle einer hypothetischen ausserplanetarischen Bedrohung zum Einsatz käme.

Viele mögen diesen Vorschlag für utopisch und in absehbarer Zukunft nicht realisierbar halten. Doch wenn die Führungsstaaten dieser Welt nicht in der Lage sein sollten, sich zu einem Ansatz dieser Art durchzuringen, ist die Alternative dazu nur eine einzige: Einzelstaaten wie die USA und China mit aktiver Hilfestellung ihnen wohl gesonnener globalagierender Konzerne und Finanzinstitutionen werden diese «World Management Authority» ins Leben rufen - nur wird diese dann weniger als eine Hand voll Mitglieder haben, militärisch, finanziell und wirtschaftlich jedoch eine Allgewalt darstellen. Sie sind schon längst in der Vorbereitung dazu. Es bleibt nicht viel Zeit.

Albert Tullio Lieberg

Albert Tullio Lieberg

Albert T. Lieberg, geb. 1963 in Mailand, studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Er promovierte im Bereich Internationale Entwicklungspolitik an der Universität München. Seit über 25 Jahren arbeitet er als leitender Funktionär sowie Landesdirektor und Berater für die Vereinten Nationen, andere multilaterale Organisationen sowie als Regierungsberater mit Erfahrung in über 60 verschiedenen Ländern - 2024 in Palästina. Seine Arbeitsfelder beinhalten die Erarbeitung und Umsetzung von nationalen und regionalen Entwicklungsstrategien, wirtschaftlichen Investitionsvorhaben und sozialpolitischen Stabilisationsprogrammen. Lieberg entwickelt zudem Wiederaufbauprogramme und Maßnahmen zur Befriedung und Konfliktvermeidung, insbesondere in Krisengebieten. Zusätzlich ist er seit vielen Jahren weltweit in globalisierungskritischen Bewegungen zur Stärkung der Zivilgesellschaft und der sozialen Gerechtigkeit tätig. Er ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem «Der Systemwechsel: Utopie oder existentielle Notwendigkeit?» (Sachbuch, 2018) oder zuletzt «Endbericht» (Roman, 2024).

Newsletter bestellen