Chapeau für Theres Schöni: Mit der Lehrerlehre möchte sie eine Alternative zur PH schaffen
Eine Musiklehrerin aus dem Aargau setzt einen Kontrapunkt gegen das Bildungsmonopol des Staates. Wir ziehen den Hut vor Theres Schöni.
Sie hat eine eine kleine, aber feine Aargauer Alternative zu den Pädagogischen Hochschulen gegründet und bildet seit letztem Sommer Lernbegleiter aus, die Klassen selbständig führen können. Im Mittelpunkt der Ausbildung am «Zentrum für Bildungsbegleitung» (Zenbi) stehen Persönlichkeitsbildung, Kooperation und Natur.
Theres Schöni ist keine, die lange fackelt. Die ausgebildete Kindergärtnerin und Musiklehrerin hat erkannt, woran die heutige Lehrerausbildung an den Pädagogischen Hochschulen (PH) krankt: An einer Theorielast, die weder den Bedürfnissen der künftigen Lehrerinnen noch jenen der Kinder oder Eltern gerecht wird. Wo aber die die meisten Kritikerinnen der PH bei einer desillusionierten Analyse stehen bleiben, da schreitet sie mutig voran.
Im August letzten Jahres hat Theres Schöni zusammen mit einem Kernteam von zehn Personen das Zenbi gegründet. Zenbi steht für «Zentrum für Bildungsbegleitung» und bietet eine alternative Lehrerausbildung für den Kindergarten und Unterstufe, also bis zur 3. Klasse, an. Acht Frauen haben seither die staatlich noch nicht anerkannte Berufslehre zur Lernbegleiterin angefangen. In der vollwertigen Version, die zur Führung einer Klasse befähigt, dauert die Ausbildung zwei Jahre. In einer Lightversion können sich pädagogisch Interessierte ein Jahr lang weiterbilden.
Doch Theres Schöni hat nicht nur genaue Vorstellungen von einer kindgerechten Ausbildung. Sie weiss auch, wie man mit Verve und Geduld eine staatliche Anerkennung anvisieren kann.
«Der erste Schritt ist», hat sie herausgefunden, «die Gründung eines Brückenangebotes. Hier können Jugendliche eine Art pädagogischer Vorlehre absolvieren.»
Unsere Lernbegleiter sind genauso befähigt, vor einer Klasse zu stehen und den Unterricht zu führen wie die an der PH ausgebildeten Lehrer.
Brückenangebote, häufig auch Motivationssemester genannt, sind Stützangebote für Jugendliche auf Lehrstellensuche. Die Verantwortlichen der Brückenangebote kümmern sich nicht nur um schulische Defizite der jungen Menschen. Mit Hilfe von engmaschig betreuten Praktika verhelfen sie den Jugendlichen zu einem gelungenen Berufseinstieg. Die Zenbi-Angebot für Jugendliche würde ausgezeichnet in die Bildungslandschaft passen. Denn Lehrstellen im pädagogischen Umfeld wie zum Beispiel Fachmann/Fachfrau Betreuung im Kleinkinderbereich sind heissbegehrt.
Und ist das Brückenangebot erst einmal etabliert, kann das Zenbi die staatliche Anerkennung der Lehrerlehre anstreben. Viele Faktoren könnten diesen vielleicht aus heutiger Sicht utopischen Schritt wahrscheinlich machen: Der herrschende Lehrermangel wird in den nächsten Jahren durch die Pensionierung der Babyboomer und dem anhaltenden Bevölkerungswachstum noch drängender. Zudem entstehen immer mehr Privatschulen. Deren Betreiberinnen und den dahinterstehenden Eltern sind engagierte, den Werten wie Natur, Achtsamkeit oder ganzheitliches Lernen verpflichtete Lehrpersonen oft wichtiger als ein PH-Diplom.
Zwecks Anerkennung ist Theres Schöni schon in Tuchfühlung mit dem Aargauer Amt für Bildung, Sport und Kultur (BKS) und verschiedenen Aargauer Grossräten gegangen.
Das BKS hält die Lehrerlehre allerdings nicht für förderungswürdig: In seiner Antwort im Februar beharrte das Bildungsamt auf die PH als einzigen Weg zur Lehrerkarriere.
Die ausstehende Anerkennung bedeutet auch, dass die Absolventen die Ausbildung am Zenbi (7500 Franken pro Jahr) zur Gänze selber finanzieren müssen. Es sei denn, Stiftungen würden einen Teil der Ausbildungskosten tragen. Was das Leitungsteam des Zenbi ebenfalls anpeilt.
Um die Mietkosten möglichst tief zu halten, werden die Zenbi-Absolventen in «Fliegenden Klassenzimmern» unterrichtet, nämlich in den Praxisräumen der meist auch therapeutisch tätigen Unterrichtenden. Am liebsten aber draussen und in der Natur. So können die angehenden Lehrerinnen selber erleben, wie es es ist, wenn Unterricht unter freiem Himmel stattfindet. «Kinder brauchen Naturräume und die Verbindung zum vielfältigen Lebensalltag», ist Theres Schöni überzeugt.
Doch zurück zu den Ausbildungsinhalten. Diese hören sich wahrlich wie ein Paradies für Kinder an. Gestalten mit Ton, Tanzen und Stimmimprovisation, Theater und Bewegungsspiele werden stehen im Mittelpunkt. Und natürlich werden auch die Grundlagenfächer wie Deutsch, Mathematik und Technik vermittelt, und zwar gleich so, dass die künftigen Lehrpersonen Kinder auf verschiedenen Entwicklungsniveaus unterrichten können.
Im Modul «Zusammenarbeit» schliesslich lernen die Lernbegleiter, wie sie unter anderem mit Eltern kommunizieren und diese gegebenenfalls coachen können. Auch dieser Punkt wird an den regulären PHs leider vernachlässigt, sodass junge Lehrerinnen anspruchsvollen, unkooperativen Eltern häufig hilflos gegenübersitzen.
Über allen Bildungsinhalten des Zenbi aber thront die Persönlichkeitsbildung. Module wie «Lernen, seinen Zustand zu verändern», «die eigenen Ressourcen erkennen und aktivieren» oder «Glaubensmuster auflösen» hören sich nicht nur wie die perfekte Burnoutprophylaxe an. Persönlichkeitsbildung müsste überhaupt das erste Anliegen jeglicher Lehrerausbildung sein.
Denn genau wie bei Psychotherapeuten oder Sozialpädagogen ist auch im Lehrberuf der Mensch mit seinem ganzen Wesen das eigentliche Instrument. Nur jemand, der an sich gearbeitet hat, kann erkennen, ob ein störendes Kind Hinweise zu einem mangelhaft vorbereiteten Unterricht gibt oder ob diesem etwas anderes, in ihm selbst Begründetes, fehlt.
Diese Feinheit der Wahrnehmung glaubt die PH mit immer neuen komplizierten, von den Studenten auswendig zu lernenden Theorien herbeidozieren zu können. Doch Persönlichkeitsbildung ist keine Powerpoint-Präsentation. Sie bedingt eine Gruppe, die unter kundiger Führung offen über die eigenen Probleme und Wahrnehmungen spricht. Nur so, im Spiegel der andern, kann sich Selbsterkenntnis allmählich Bahn brechen und können störende Verhaltensmuster abgelegt werden.
Zum unkonventionellen Auftritt der PH-Alternative gehört auch, dass der Zugang zum Zenbi-Lehrgang «Lernbegleiter» nicht durch eine Matura versperrt ist. Theres Schöni strebt eine Lehrerlehre an «für Menschen mit einem Gespür für Kinder».
Ihr Ziel: Die Ausbildung am Zenbi soll nach drei Berufsjahren und einem PH-Kurs in Bewertung und Administration den konventionell ausgebildeten Lehrkräften gleichgestellt sein.
«Unsere Lernbegleiter», präzisiert Schöni, «sind genauso befähigt, vor einer Klasse zu stehen und den Unterricht zu führen wie die an der PH ausgebildeten Lehrer.»
Am Samstag, 18. März, 14 Uhr, findet in Bünzen AG ein Infoanlass über das Zentrum für Bildung statt. Nähere Angaben auf der Website: zenbi.ch/infos/info-anlass
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