Erst Rumänien, nun Frankreich: Hintergründe zum Wahlausschluss von Marine Le Pen
Erst hat das rumänische Verfassungsgericht einen rechten Präsidentschaftskandidaten mit guten Siegeschancen von der Wahl ausgeschlossen, nun tut das französische dasselbe. Die Personalie des Vorsitzenden ist dabei besonders interessant und anrüchig.
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Am 28. März urteilte der französische Verfassungsrat im Fall eines Lokalpolitikers, dass es verfassungsmässig ist, einem verurteilten Politiker sofort nach einem ersten Urteil die Wählbarkeit für politische Ämter zu entziehen und nicht erst nach Erschöpfung des Rechtswegs und Rechtskräftigkeit des Urteils.

Drei Tage später, am 31. März, verhängte ein Pariser Gericht diese Strafe gegen die aussichtsreiche Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, weil sie der Veruntreuung von Geldern des EU-Parlaments für schuldig befunden wurde. Das ist ein Vergehen, das in Brüssel geradezu grassiert. Die Verfassungsmässigkeit des bisher unüblichen sofortigen Vollzugs dieser Strafe, die Le Pen von den Präsidentschaftswahlen 2027 ausschliesst, war also vom Verfassungsrat schon vorab festgestellt.

Der Vorsitzende des Verfassungsrats ist erst seit 8. März ein gewisser Richard Ferrand. Seine Person und die Umstände seiner Ernennung sind ebenso interessant wie anrüchig – und auch ironisch. Denn der enge Vertraute von Präsident Emmanuel Macron kam nur in dieses Amt, weil sich die Abgeordneten von Le Pens Partei Rassemblement National(RN) im Nationalrat am 19. Februar der Stimme enthielten. Dadurch fehlte der Opposition eine Stimme um Macrons Nominierung des langjährigen Spitzenpolitikers seiner Partei La République En Marche (LREM) abzulehnen und Macron damit eine schwere Niederlage zuzufügen.

In der übrigen Opposition wurde damals über eine geheime Absprache von RN mit der Regierung gemutmasst, dahingehend, dass Le Pen versichert worden sein könnte, sie werde nicht von der Wahl ausgeschlossen. RN erklärte die eigene Stimmenthaltung demgegenüber damit, dass Ferrand der am wenigsten schlimme der zur Auswahl stehenden Kandidaten gewesen sei. Ausserdem habe Ferrand erklärt, dass es «keine Regierung der Richter» geben dürfe.

Die anstehende Grundsatzentscheidung des Verfassungsrats darüber, ob die sofortige Vollstreckung der Aberkennung des passiven Wahlrechts verfassungsgemäss ist, war bei dieser Diskussion um Ferrands Nominierung bereits Thema.

Die Vorgänge in Frankreich erinnern an diejenigen in Rumänien. Dort wurde im Dezember der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl vom Verfassungsgericht annulliert, nachdem der rechte Kandidat Calin Georgescu gewonnen hatte. Das wurde mit vagen Hinweisen des Geheimdienstes auf mögliche Wahlmanipulation durch eine TikTok-Kampagne begründet. Später wurde allerdings aufgedeckt, dass die in Frage stehende TikTok-Kampagne von der Regierungspartei selbst bezahlt worden war. Am 11. März bestätigte das rumänische Verfassungsgericht eine Entscheidung der Wahlkommission, Georgescu von der Wiederholungswahl auszuschliessen, weil er demokratische Grundwerte nicht anerkenne.

Fazit und Ausblick

Die fragwürdige Entscheidung des französischen Verfassungsrats, «im Namen des Volkes» eine Präsidentschaftskandidatin von der Wahl ausschliessen zu lassen, die das Volk mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit wählen würde, wenn es dürfte, wurde unter einem Vorsitzenden getroffen, der ein enger Vertrauter und Verbündeter des amtierenden Präsidenten ist. Offenbar hat er mit seiner Versicherung, es dürfe keine «Regierung der Richter» geben, den gutgläubigen Abgeordneten des RN etwas vorgelogen, sodass sie ihm ins Amt verhalfen.

Das entbehrt zwar nicht einer gewissen Ironie, aber die Vorgänge in Frankreich und Rumänien sind ausgesprochen besorgniserregend, insbesondere wenn man die Hinweise auf das rumänische Vorbild vor der Bundestagswahl bedenkt. Erst drohte der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton in einem Interview: «Wir haben es in Rumänien getan, und wir werden es offensichtlich, falls nötig, auch in Deutschland tun müssen.» Dann warnte das ZDF die Wähler, «damit es uns am Ende nicht genauso ergeht wie Rumänien», müssten Faktenchecker die digitalen Medien sauber und die Wähler Putin-nahe Parteien klein halten.

Es ging aus Sicht der Herrschenden gerade nochmal gut. Die AfD wurde nicht stärkste Partei, das BSW schaffte es mit 4,98% der Stimmen extrem knapp nicht in den Bundestag und eine Wahlannullierung wurde nicht nötig. Es genügt, dass der neue Bundestag den Antrag des BSW auf Neuauszählung wegen der vielen dokumentierten Unregelmässigkeiten auf die lange Bank schiebt und am Ende abschmettert. Das von einem engen Merkel-Vertrauten geleitete Bundesverfassungsgericht kann diese Entscheidung dann mit gehöriger Verzögerung irgendwann gutheissen, oder notfalls sogar relativ schadlos kassieren.

Die Demokratie steht nicht nur in den USA sondern ebenso in Europa auf der Kippe.


Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Quelle: Dr. Norbert Häring: Erst Rumänien, nun Frankreich: Hintergründe zum Wahlausschluss von Marine Le Pen. 1.4.2025


Passend dazu:

German Foreign Policy: Urteil mit Folgen

Eine europaweit vernetzte Denkfabrik warnt vor „weiterreichenden europäischen Konsequenzen“ des faktischen Ausschlusses von Marine Le Pen von der nächsten Präsidentenwahl in Frankreich. Nach dem Urteil, das Le Pen mit sofortiger Wirkung das passive Wahlrecht entzogen hat, sei von einem unmittelbaren Aufschwung „für Anti-Establishment-Bewegungen in ganz Europa“ auszugehen, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme aus dem European Council on Foreign Relations (ECFR). 

Laut Umfragen ist in Frankreich nahezu die Hälfte der Bevölkerung der Auffassung, das Urteil sei politisch motiviert gewesen. Führende Politiker der extremen Rechten aus der gesamten EU haben Le Pen ihre Unterstützung ausgesprochen, unter ihnen ein Ministerpräsident sowie ein stellvertretender Ministerpräsident. 

Auch aus Nord- und Südamerika erhielt die Politikerin Unterstützung, zudem von einem israelischen Minister, der erst kürzlich Vertreter extrem rechter Parteien aus der EU zu einer Konferenz nach Jerusalem geladen hat, sowie von der Heritage Foundation aus den USA. Damit vollziehen zentrale Elemente eines neuen Netzwerks der transatlantischen extremen Rechten einen Schulterschluss.

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