Gemeinschaftlich leben senkt das Demenzrisiko

Die Zahl der Demenzfälle wird sich bis 2050 weltweit auf mehr als 150 Millionen verdreifachen. Zum einen liegt das an der grösseren Zahl an alten Menschen. Aber ist denn alt immer gleich dement? Eher können wir sagen: alt, einsam, abgeschoben, nicht gebraucht, nicht herausgefordert wird mit höherer Wahrscheinlichkeit dement.

© Gemeinschaftsimpression aus Tamera / Portugal

Und genau das ist die Situation unsere Moderne: Wo gewachsene Gemeinschaften, Dörfer, Grossfamilien zerfallen, wo Solidarkreisläufe zerbrechen, wo soziale Dienste monetarisiert werden, da bleiben alte Menschen als "nicht mehr produktiv" zurück. Statt aktiv ihren Platz in der Menschengemeinschaft einzunehmen und ihre Zeit, ihre speziellen Fähigkeiten und Erfahrungen der jungen Generation zur Verfügung zu stellen, werden sie aussortiert, gepflegt, versorgt – und krank. 

Eine Studie aus Brighton zeigt nun, dass es mit der Gehirntätigkeit ist wie mit unseren Körpermuskeln: Je weniger die sozialen, emotionalen und kreativen Fähigkeiten gebraucht werden, desto mehr verkümmern sie. Am Ende hat man den typischen Demenzkranken (Demenz = Wahnsinn, Torheit) mit allen Symptomen von Gedächtnisverlust, geistiger Schwerfälligkeit, emotionaler Taubheit, innerer Isolation. Um es zynisch zu sagen: Genau das ist nicht der optimale Pflegeempfänger der Moderne – der ohnehin vergisst, ob, wann und wer ihn zuletzt besucht oder sich für ihn interessiert hat.

Die in der Zeitschrift Neurology veröffentlichte Studie zeigt, dass der Schlüssel zu einem gesunden Hirn bis ins hohe Alter damit zusammenhängen könnte, wie aktiv man in seiner Gemeinschaft ist. Tatsächlich sind unsere Chancen, den altersbedingten kognitiven Verfall zu verlangsamen, am besten, wenn wir aktiv am Gemeinschaftsleben teilnehmen, gebraucht werden, Verantwortung tragen. Anders gesagt: je mehr soziale und kreative Aktivitäten wir ausüben, um so besser arbeitet unser Hirn. Ein aktives Gehirn hilft, gesunde Neuronen zu speichern, die Denkfähigkeit zu verbessern und unsere kognitiven Fähigkeiten im Alter zu erhalten. Aktives Gemeinschaftsleben – also Anteilnahme am Ganzen, da sein, wo man gebraucht wird, Kommunikation auf vielen Ebenen, Auseinandersetzung und Fürsorge für andere, Beratung der Entscheidungsträger, für die Kinder da sein, Geschichten erzählen, Spielen, Teil eines lebendigen Ganzen sein – regt ganz von selbst alle Fasern des Hirns an. Dem „normalen“, also allein lebenden Senior empfiehlt die Studie Sport, Basteln und Kunst, ein Studium, ein anregender Beruf oder Lesen. Auch Radiohören, Museumsbesuche, Gartenarbeit, Brettspiele oder das Ausfüllen von Kreuzworträtseln und anderen Rätseln seien hilfreich. Insgesamt gilt: Lebenslanges Lernen bietet einen Schutz vor Krankheiten wie Alzheimer – selbst für diejenigen, die in der Schule schlecht abschneiden.

"Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass wir unsere kognitiven Fähigkeiten während des gesamten Lebens beeinflussen können", so Studienkoautorin Dr. Dorina Cadar, und weiter: "Geistige und soziale Aktivität im Alter baut eine kognitive Reserve auf. Damit können Menschen, die als Kinder nicht gefördert wurden, diese schlechteren Ausgangsbedingungen ausgleichen.“

Die Ergebnisse basieren auf 1.184 Briten, die 1946 geboren wurden, und sich im Alter von acht Jahren und erneut im Alter von 69 Jahren kognitiven Tests unterzogen. Wer sechs oder mehr soziale Freizeitaktivitäten ausübte, erzielte im Durchschnitt 1,53 Punkte mehr als Gleichaltrige, die vier oder weniger ausübten.

Während die offiziellen Stellen „Investition in höhere Bildung und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung“ empfehlen, ist meine Empfehlung: Egal wie alt, seid in Gemeinschaft!

03. September 2022
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