Malerei trifft Fotografie oder Joel auf Litvai – eine Mixed-Media Ausstellung in der Galerie Litvai in Landshut

Was kommt dabei heraus, wenn Malerei auf Fotografie trifft? Diese Frage beantworten die Künstlerin Sylvia Joel und der Fotograf Peter Litvai mit ihren Mixed-Media-Werken. Zu sehen bis zum 20. Juli 2024 in der Galerie Litvai in der Ainmillerpassage in Landshut.

«Kriegsschauplatz der Liebe». Sylvia Joel und Peter Litvai
«Kriegsschauplatz der Liebe». Sylvia Joel und Peter Litvai

LitvaiZum 15-jährigen Jubiläum seiner Galerie hat sich Peter Litvai (67) zusammen mit Sylvia Joel (70) etwas ganz Besonderes ausgedacht. Litvai stellte seine sensiblen, fast zarten Fotografien in Schwarz-Weiss, und Joel arbeitete darauf vital und dramatisch mit Farben und Materialien. Dabei ging sie «frech und einfühlsam zugleich» vor, so der Kommentar einer Ausstellungsbesucherin.

Hauch von Vergänglichkeit

Peter Litvai, gelernter Fotograf, ursprünglich aus Budapest, ist seit 2003 freiberuflich tätig und interessiert sich vor allem für Architekturfotografie. Mit seiner Kamera schaut er bevorzugt in die Innenräume von Abrisshäusern oder in Gebäude, die gerade umgebaut werden. Fast leere Räume, in denen vielleicht noch ein wackeliger Stuhl und ein alter Schrank stehen, in denen ein Konzertflügel zurückgeblieben ist oder die Vorhänge halb heruntergerissen sind, der Putz von der Wand bröckelt, die Farben verblichen, die Rolltreppen ausser Funktion sind. Vielleicht hängt deshalb über seinen Werken dieser melancholische, aber doch sehr ästhetische Hauch von Vergänglichkeit? 

Der Kulturjournalist Roland Biswurm beschreibt Litvais Interesse an verlassenen, still gelegten Innenräumen in seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung so: «Hier glänzt selbst der Verfall. Litvai ist Dokumentarist des Post-Faktischen. Hier war mal was, und das ist jetzt ganz anders.» Litvai geht jedoch auch in die Zentren von Städten wie Wien und Budapest und hält fest, was auf den Strassen los ist - mit seiner Streetfotografie. Ausserdem ist er am Landshuter Theaterals Theaterfotograf tätig, an zahlreichen Buch-, Katalog- und Kalenderprojekten beteiligt und betreibt zusammen mit seiner Frau Ibolya die Galerie für Fotografie in der Altstadt des niederbayrischen Landshut. 

Sylvia JoelVertiefung

Und jetzt kommt Sylvia Joel ins Spiel. Ursprünglich aus Landshut, arbeitet sie in ihrem Münchner Atelier – ebenso vielseitig wie Litvai – als Malerin, Zeichnerin, Illustratorin und Kunsthistorikerin.

Sie bearbeitet, verfremdet, rekomponiert Litvais Fotografien nach dem Motto: «Dazu habe ich auch etwas zu sagen.» So reflektiert Kulturjournalist Biswurm, der erklärt, Joel gehe damit auf Metaebenen und bringe einen «second thought» ein, indem sie Litvais Arbeiten übermale. Sie akzentuiere die Aura der von Litvai generierten Bilder. Litvai selbst sieht Joels Arbeit als «Vertiefung» seiner Fotografien. 

«Bereits vor zwölf Jahren entstand die Idee einer solchen Kooperation mit Peter Litvai», so Sylvia Joel. Vor etwa eineinhalb Jahren habe sie die Fotografien ausgewählt. Sie lagen dann eine Zeitlang in ihrem Atelier, bis sie sich endlich heranwagte.

«Ich habe auf den Originalen gearbeitet, hatte jeweils nur einen Versuch. Ich tauchte in die Fotografie ein und setze meine eigenen Emotionen dazu frei. Die Maltechnik folgte dem Gefühl.»

zwei Arbeiten

Sie deutet auf ein Foto, auf dem ein leerer Raum, vielleicht ein ehemaliger Lagerraum, mit Flecken auf dem Boden, ausschliesslich Oberfenstern und altem, vergilbtem Putz zu sehen ist. Hauptsächlich mit Schwarz hat sie hier Akzente gesetzt. An einer Wand sind Striche zu sehen, wie sie Gefangene in ihren Zellen verwenden, um sich zeitlich zu orientieren. 

«Für mich sah das so aus, als sei hier eine Frau gefangen gehalten und misshandelt worden. Hier herrschte für mich ein dunkler Geist. Dem gab ich Ausdruck. Manchmal weinte ich sogar, wenn ich mich in eine der Situationen einfühlte.» Darunter hängt eine Collage in Gelb. Hier erlebte sich Joel als Innenarchitektin, die Vorschläge zur Farbgestaltung des Raumes macht. Mehrere Farbschichten übereinander bei der Wandgestaltung, am Rand des Bildes angetackerte Stoffproben in Gelbtönen. So könnten passende Gardinen aussehen. 

Galerie Litvai

Liebe, Beziehung, Frausein

Ein riesiger Raum mit Balustrade und einem zurückgebliebenen Konzertflügel wurde für die Künstlerin zum Ballsaal um die Jahrhundertwende, der mit tiefem dunklem Rot und kleinen Flächen in Pink und Rosa, Acryl und Kohle, zum «Kriegsschauplatz der Liebe» wurde. «Hier spielten sich Liebesdramen ab, war mein Gefühl. Die Tragik der ersten Liebe, der unerwiderten Liebe. Und all das hat auch Frauenrechten zu tun. Die helleren Farbflächen symbolisieren das Liebesglück.» 

An mondäne Badeorte mit Sophia Loren und Gina Lollobrigida dachte Joel bei einem alten Hotelgebäude, dessen eine Markise sie auffällig in sonnigem Gelb gestaltet. Türkise Farbspritzer erinnern an Sommer, Meer und Südfrankreich. Weibliche Beziehungspflege: In einen leeren Raum, der durch eine offene Tür den Blick in einen weiteren Raum eröffnet, stellt sie mit klarem schwarzen Strich einen Tisch, an dem eine männliche Strichfigur sitzt. Eine Frau legt oder setzt etwas für ihr Gegenüber auf den Tisch. Ist es die Geliebte, die Ehefrau, die Mutter? 

«Dieses Bild heisst: Bitte nimm das!» Ein heller Grünton an der Wand macht die Bitte noch dringlicher. «Ich habe mit Wachs und Drahtbürste gearbeitet, gesprüht, Pastell- und Acrylfarben verwendet», so die Künstlerin. Über die Fassadengestaltung eines alten Hotels, zum «Isarflimmern», bis zur Landshuter St. Martinskirche mit ihrem klaren gotischen Schiff oder den Schweizer Alpen im alten Parkhaus. Joel sieht Geister und Wesen, spielt mit wolkigem Hell und Dunkel – und mit dem Feuer, obwohl dort im Dachstuhl schwarz auf weiss steht: «Rauchen verboten!» Verwelkte Blüten erweckt sie mit ihren Farben wieder zum Leben. 

St. Martin

Kulturelles Engagement in Landshut

Die Galerie Litvai ist nach 15 Jahren aus Landshut nicht mehr wegzudenken. Für die Jahresausstellung, die jeweils Anfang September im Zusammenhang mit dem Landshuter Kunstwochenende stattfindet, können anonym Werke eingereicht werden, deren Ausgangsprodukt Fotografien sind. 

«Die Jury weiss nicht, von wem die jeweiligen Bilder stammen und wählt rein nach künstlerischer Qualität aus. 25 bis 50 Bilder werden in der Regel eingereicht, die besten davon sucht die Jury für die Ausstellung aus. Aber die Galeriewände müssen nicht voll werden, entscheidend ist, was ankommt», so Peter Litvai. 

Künstler, die in der Galerie Litvai ausstellen wollen, können sich jederzeit bewerben. Auch Künstler aus dem Ausland sind willkommen. Entscheidend ist ausschliesslich die Güteklasse und Wertbeständigkeit der Arbeit. Dem Aussteller entstehen keine Kosten. Sollte ein Werk verkauft werden – ein Glücksfall –, gehen 50 Prozent der Einnahmen an die Galeristen. 

«Wir wollen Werte schaffen», so Peter Litvai, «und für unsere Kunst gerade stehen können.»

Galerie Litvai

Übrigens: Auch die wundervoll lebendigen Mixed-Media-Werke von Litvai & Joel können käuflich erworben werden. Ein Blick oder auch zwei in die Galerie lohnen sich. 

Weitere Infos unter www.litvai-galerie.com. Hier können sich Kunstinteressierte auch für den Newsletter der Galerie anmelden.

05. Juni 2024
von: