«Es war ein Akt der Gnade!»
Gurnemanzu Göbel, der Gründer des «Instituts für Karma-Ablösung», wurde wegen Mordes verurteilt. In der Esoterik-Satire von Roland Rottenfußer erfahren Sie, warum.
Einen mehr als ungewöhnlichen Fall hatten die Richter des Oberlandesgerichts Düsseldorf IV am 1. Oktober zu verhandeln. Der bundesweit für seine Buchveröffentlichungen (»Der Kelch der Vergebung«) bekannte Reinkarnationstherapeut Gurnemanz Göbel (62) war des Mordes an einem seiner Patienten, dem 45-jährigen Heinrich Hoyersdorff überführt worden. Der Fall schien von Anfang an klar zu sein, da Göbel bei seiner Verhaftung keinerlei Widerstand leistete und seine Tat auf Befragen ohne Umschweife eingestand.
Für Aufsehen sorgte jedoch die Begründung, die Göbel für seine Tat angab: Hoyersdorff sei vier Wochen bei ihm in Therapie gewesen und habe sich unter seiner Anleitung mehreren Rückführungen in frühere Leben unterzogen. Bei einer dieser Rückführungen habe sich der Patient als hunnischer berittener Krieger zur Zeit Attilas gesehen und miterlebt, wie er einem germanischen Gegner von hinten mit einem Säbel die Kehle durchschnitten habe. Dieses Erlebnis habe in Hoyersdorffs Seele den brennenden Wunsch nach «karmischem Ausgleich» ausgelöst. Hoyersdorff habe seinen Arzt «angefleht, das Urteil des kosmischen Gesetzes von Ursache und Wirkung an ihm zu vollstrecken.» Trotz grösster Bedenken habe er, Göbel, sich schließlich hinreissen lassen, dem Wunsch zu entsprechen, und seinem Patienten mit einem Taschenmesser die Kehle durchschnitten. «Es war ein Akt der Gnade», fasst der Therapeut das Motiv für sein Verbrechen zusammen.
Göbel hatte im Sommer 2001 in der Esoterik-Szene für Aufsehen gesorgt, weil er seiner gut laufenden Praxis für Rückführungstherapie durch ein «Institut für Karma-Ablösung» (I.K.A.) erweitert hatte. «Wir wollen unseren Patienten nicht nur helfen, aus früheren Leben herrührende karmische Verstrickungen aufzudecken, sondern auch, die betreffenden Belastungen aufzulösen. Dies bedeutet aber, dass der Betreffende die in einem Täterleben begangenen Verstösse gegen das Gesetz der Liebe am eigenen Leib erfahren muss.»
Ganz umsonst arbeitet das «Gesetz des Karma» jedoch nicht. So kosten Lügen beim I.K.A. pauschal 15 EUR, Erniedrigungen und Beschimpfungen je nach Schwere zwischen 20,- und 250,- EUR. Wer sich bestehlen lassen wollte, musste mindestens 500,- EUR hinblättern. Wer in einem früheren Leben seine Ehefrau betrogen hatte, konnte sich von einer der Assistentinnen Göbels verführen und gnadenlos abservieren lassen – 1.200 EUR. Wer als Arbeitgeber fremde Arbeitskraft ausgebeutet hatte, durfte in den Räumlichkeit des Instituts die Böden aufwischen; finanzielle Ausbeutung kostet – nach Einkommen gestaffelt – so viel, wie eben nötig ist, um den Betreffenden zu ruinieren.
Lange hatte Gurnemanz Göbel abgestritten, dass auch Gewaltanwendung zu seinem Programm der Karmaablösung gehörte. Erst nach seiner Festnahme offenbarte eine Polizeirazzia die Wahrheit, als Untersuchungsbeamte in den Kellerräumen des I.K.A. verschiedene Waffen, Peitschen und Schlagstöcke sicher stellten sowie eingetrocknete Blutflecken auf dem Teppichboden entdeckten. «Meine Mitarbeiter und ich haben Gewalt nur auf ausdrücklichen Wunsch unserer Patienten angewandt, die sich in ihren Rückführungen in diversen Täterleben selbst als Gewalttäter gesehen haben, beispielsweise als Folterer im Dienst diktatorischer Regime», verteidigte sich Göbel vor Gericht und fügte hinzu: «Wenn wir es nicht getan hätten, hätten es andere getan.» Wenn schon in der aktuellen Inkarnation karmischer Ausgleich hergestellt werde, müsse nicht erst das nächste Leben abgewartet werden, bevor dem Betreffenden vollkommen Erlösung zuteil werden könne. Von Göbel erfolgreich therapierte Patienten könnten nach ihrem physischen Tod unmittelbar «aus dem Rad der Inkarnationen aussteigen und höhere Seinsebenen erklimmen».
Voraussetzung sei allerdings, dass «kein weiterer karmischer Ballast angesammelt» werde. Das I.K.A. biete deshalb als drittes Modul neben Rückführungstherapie und Karma-Ablösungs-Hilfe auch noch die «Karma-Vermeidungs-Beratung» (K.V.B.) an, bei der die Kunden zu einer ereignislosen Lebensführung angehalten würden. «Sei sanftmütig, ecke nirgendwo an und versuche keinem Menschen etwas zu bedeuten, dann wirst du auch niemandem wehtun», lautet einer von Göbels Karma-Vermeidungs-Ratschlägen. Die Gründung einer mönchsähnlichen Gemeinschaft, in der die Insassen in Einzelzellen den Rest ihres Lebens auf «karmisch völlig risikolose Weise» verdämmern sollten, gehörte zu den Zukunftsprojekten des I.K.A.
Die Richter haben Gurnemanz Göbel jedenfalls teilweise verziehen. Nachdem ein Gutachter bei dem Therapeuten eine «wahnhafte Vorstellungswelt» diagnostiziert hatte, sprachen sie ihm «eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit» zu und wiesen ihn in eine Nervenheilanstalt ein. Dort wird er nun unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen verwahrt, da man Suizidgefahr mutmasst. Göbel hatte in seinem Schlussplädoyer seinen eigenen Tod als «einzig möglichen Ausgleich» für den begangenen Mord bezeichnet und angekündigt, er werde sich selbst richten, «falls diese laue Justiz dazu nicht in der Lage ist.»
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