Wird Deutschland ein Entwicklungsland?

Hohe Energiepreise und ein harter außenpolitischer Kurs bereiten Unternehmen grosse Sorgen.
Veröffentlicht: 9. Jun 2023 - Zuletzt Aktualisiert: 9. Jun 2023

Das Wachstum der deutschen Wirtschaft wurde über Jahrzehnte maßgeblich durch den Export erzielt. «Keine andere G7-Volkswirtschaft hat einen vergleichbar hohen wirtschaftlichen Offenheitsgrad», erklärt die bundeseigene Marketingagentur Germany Trade and Invest gegenüber der Berliner Zeitung. «Die Außenhandelsquote, also der Anteil der Im- und Exporte am Bruttoinlandsprodukt, betrug im Jahr 2020 fast 70 Prozent.»

Wenn sich der Wind auf den Weltmärkten dreht, ist Deutschland deshalb besonders verwundbar. Im März waren die Ausfuhren deutscher Unternehmen um mehr als fünf Prozent im Vergleich zum Vormonat eingebrochen, im April gab es einen geringen Zuwachs von 1,2 Prozent. «Der starke Verlust des Vormonats und die schon zuvor eher maue Entwicklung können nicht wettgemacht werden», erklärte daraufhin der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier. Insgesamt gehe wenig Dynamik von der Weltkonjunktur aus – hohe Inflationsraten, das in vielen Märkten stark gestiegene Zinsniveau und eine gedämpfte Nachfrage belasteten das Auslandsgeschäft.

Welche Folgen hätte ein weiterer Einbruch der deutschen Ausfuhren? «Unsere Gesellschaft lebt vom Handel», sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Antonin Finkelnburg, im Gespräch mit der Berliner Zeitung.

«Die Exportwirtschaft Deutschlands schafft viele Arbeitsplätze und damit Einkommen.» Ein weiterer Einbruch würde zu erheblichen Wohlstandsverlusten führen und die aktuelle Rezession verschärfen, ist der Chef des BGA überzeugt.

«Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind derzeit aufgrund des Arbeitskräftemangels noch wenig sichtbar, würden dann aber auch zunehmen», warnt Finkelnburg.

Ein Einbruch der Exportwirtschaft wäre für Deutschland extrem negativ, sagt er, da Wirtschaft und Gesellschaft – also auch unser Sozialstaat – darauf aufbauen. «Wir wollen Industrie- und Handelsstandort bleiben und ohne Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum geht das nicht», sagt der Hauptgeschäftsführer des BGA.