Schweiz: Motion zum raschen Ausbau des Mobilfunks angenommen
Massive Erhöhung der Grenzwerte und ein Strauss von Halbwahrheiten an die Bevölkerung: Eine industriefreundliche Gruppe um den FDP Parlamentarier Wasserfallen brachte 2020 im Nationalrat eine Motion (Antrag) ein mit dem Ziel, den Ausbau der 5G Mobilfunk Infrastruktur zu beschleunigen. Die Motion wurde am 21.09.2023 angenommen und nur von der Grünen Partei mehrheitlich abgelehnt.
Seit Beginn des 5G-Mobilfunkausbaus beschweren sich die Betreiber über die vielen Baurekurse, welche ihre Pläne für einen raschen Ausbau behindern. Die «Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung im Auftrag des UVEK» nahm dies in Form der Motion 20.3237 «Mobilfunknetz. Die Rahmenbedingungen für einen raschen Aufbau jetzt schaffen» auf.
Die Nationalräte und deren Parteien hatten – vereinfacht gesagt – zu entscheiden, ob sie wirtschaftliche Interessen oder die Volksgesundheit und bewährte juristische Grundlagen unterstützen.
Der Ständerat hat die eingereichte Motion noch mit der Auflage ergänzt, dass die in der NISV vorsorglichen Anlagegrenzwerte nicht zu ändern seien. Die zur Abstimmung gebrachte Vorlage wies deshalb vordergründig zahlenmässig unveränderte Grenzwerte aus. Durch den Umstand, dass jedoch Mittelwerte statt Maximalwerte zu berücksichtigen seien und die Kumulation mehrerer Antennen nicht mehr berechnet wird, etc., wurde eine massive Erhöhung der bestehenden Grenzwerte, trotz unveränderten Zahlenwerten, möglich.
Folgende Auswirkungen sind durch die Motion gemäss Expertenbericht «Mobilfunk und Strahlung» (Seite 86) angedacht:
- Statt den anlagen- und frequenzbedingten Anlagegrenzwerten (AGW) von 4, 5 und 6 V/m sollen generell 6 V/m gelten
- Mobilfunkanlagen bis 100 Watt (bisher 6 W) Sendeleistung dürfen bewilligungsfrei gebaut werden und können ohne Nachweis der Einhaltung des AGW betrieben werden.
- Für konventionelle Antennen soll nicht mehr «der maximale Gesprächs- und Datenverkehr bei maximaler Sendeleistung» als Bewertungsgrundlage gelten, sondern der Tagesmittelwert (Mittelwert über 24 Stunden)!
- Der Radius für die Berechtigung von Einsprachen wird nicht mehr auf Basis der Antennenleistung berechnet, sondern als fixer Perimeter auf 1 km festgelegt. Insbesondere in ländlichem Gebiet werden deshalb die Bewohner angrenzender Dörfer kaum mehr Einsprachemöglichkeiten haben.
Zur Option, Sender bis 100 Watt Leistung den heutigen Mikrozellen bis 6 Watt gleichzustellen, sei erwähnt, dass viele adaptive 5G-Antennen, aufgrund der seit 2021 geltenden Korrekturfaktoren, im Datenblatt < 100 W ausweisen, obwohl sie real eine Sendeleistung bis 1000 W haben. Und derartige «Mikrozellen» können nun ohne Nachweis der Grenzwerteinhaltung betrieben werden. Dadurch wird ein ungehinderter, unkontrollierter Ausbau des Mobilfunks und eine unberechenbare Zunahme der Strahlungsemissionen möglich.
Ferner besteht die Forderung, dass inskünftig jede Anlage einzeln für sich den Anlagegrenzwert voll ausschöpfen darf und nicht wie bislang alle Anlagen an einem Standort zusammen. Die Anlagegrenzwerte sollen nur für einzelne Mobilfunkanlagen berücksichtigt werden und werden nicht mehr aufsummiert. Infolge Kumulation können somit die bisherigen Grenzwerte stark überschritten werden.
Die Nationalräte und deren Parteien hatten – vereinfacht gesagt – zu entscheiden, ob sie wirtschaftliche Interessen oder die Volksgesundheit und bewährte juristische Grundlagen unterstützen. Soll der billigst mögliche Ausbau des Mobilfunks auf Kosten der Belastung von Menschen und Umwelt priorisiert werden? Offensichtlich ja! Die Motion wurde mit 121 zu 43 Stimmen (11 Enthaltungen) angenommen! Die verschiedenen Voten sind hier einsehbar.
Abstimmungsresultate innerhalb der Parteien:
- Grüne: 83% Nein / 0% Ja
- SVP: 24% Nein / 62% Ja
- SP: 13% Nein / 56% Ja
- Die Mitte: 0% Nein / 84% Ja
- FDP: 0% Nein / 83% Ja
- GLP: 0% Nein / 94% Ja
Die detaillierten Abstimmungsresultate finden sie auf der Seite des Bundes (Abstimmungsresultate) und kantonsgegliedert dargestellt >>> in unserer Tabelle.
Für die anstehenden Wahlen empfehlen wir diejenigen zu wählen, welche die Motion ablehnten. Die bürgerliche Mitte hat sich derart klar gegen Art. 74 Abs. 1 der Bundesverfassung entschieden und ist deshalb aus unserer Sicht nicht wählbar.
Fazit: Infolge der Zustimmung zur Motion wird die Zwangsbestrahlung der Bevölkerung und Umwelt erheblich ansteigen. Das vorsorgliche Schutzniveau wird massiv sinken, trotz nominell unveränderten Anlagegrenzwerten in der NISV. Dies alles im Wissen, dass die biologische Studienlage genau das Gegenteil gebietet. Die wissenschaftliche Beratungsgruppe BERENIS des Bundesrats hat diesbezüglich in einem Newsletter darauf hingewiesen, dass Funkstrahlung bereits im Bereich der bisherigen Anlagegrenzwerte Störungen in Zellen verursachen und deshalb bei sehr jungen und auch alten oder vulnerablen Individuen vermehrt Gesundheitseffekte zu erwarten sind.
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