Ansichten von zwei Putinverstehern
Nehmen wir einmal folgendes Szenario an: In Deutschland findet ein von einer äusseren Macht geförderter Putsch statt, bei dem die demokratisch gewählte Regierung mit Waffengewalt abgesetzt und durch ein Regime ersetzt wird, in dem die NPD und ihre bewaffneten Kameradschaften einen bedeutenden Einfluss haben. Daraufhin besetzen in Nordrhein-Westfalen aufgebrachte Bürger Rathäuser und Verwaltungsgebäude und errichten Strassensperren, weil sie die Junta in Berlin nicht als legitime Regierung ansehen. Sie fordern Autonomie für ihre Region, wollen dazu ein Referendum abhalten, doch Berlin schickt Panzer und Soldaten, um diese «Separatisten» und «Terroristen» zu eliminieren. So werden die rebellierenden Bürger Nordrhein-Westfalens in den Medien durchwegs genannt, obwohl sie keinerlei Interesse haben, sich von der föderalen Republik zu separieren, doch einer illegal an die Macht gekommenen Regierung unterordnen wollen sie sich auch nicht. Sie fordern grössere Autonomierechte für ihre Region und weigern sich, Befehle aus der Hauptstadt anzunehmen, die nun ihrerseits die Armee mobilisiert, um die «Aufständischen» zu bekämpfen.
Ziemlich genau dies geschieht aktuell in der Ukraine, wo inzwischen CIA und FBI das Regime in Kiew beraten, wie solche Angriffe auf die eigene Bevölkerung am besten zu führen sind, und wo nach Presseberichten schon vierhundert private Söldner amerikanischer Militärkonzerne im Kampfeinsatz sind neben den Terrormilizen des Rechten Sektors, die jetzt als «Nationalgarde» in offizieller Mission agieren. So wird zum wiederholten Mal in der Geschichte das zerrissene Land der Ukraine, das ausser während einiger Monate nach dem Ersten Weltkrieg erst seit 1991 eine eigenständige Nation ist, zum Aufmarsch- und Schlachtfeld, bei dem sich die Landsleute gegenseitig bekriegen, weil fremde Mächte es als Stellvertreter für ihre Kämpfe nutzen. (...)
Was einst die Statthalter des Zaren, des polnischen Adels oder der Donaumonarchen waren, sind heute Oligarchen und Provinzfürsten, die Wirtschaft und Medien kontrollieren und damit auch die Politik in Kiew. Gegen ein derart korrumpiertes, pseudodemokratisches Feudalsystem wendet sich der Protest der ukrainischen Bevölkerung seit vielen Jahren und kulminierte im Herbst 2013, als sich die amtierende Regierung weigerte, das von der Europäischen Union angebotene Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen. Dabei handelte es sich schlichtweg um ein «unanständiges» Angebot, weil es eine gleichzeitige Zoll- und Handelsunion mit Russland ausschloss und weil es militärische Zusammenarbeit und damit die Anwesenheit der Nato in der Ukraine einschloss. Ausserdem konnte dieses Angebot, soweit es einen möglichen Beitritt zur EU betraf, nicht ernstgemeint sein, gleichwohl es den Protestierenden auf dem Maidan so suggeriert wurde und sie deshalb auch mit Europafähnchen auftraten. All diese «Fallstricke», die bei jedem Präsidenten der Ukraine Skepsis und Bedenken ausgelöst hätten, wurden in den westlichen Medien ebenso wenig erwähnt wie die Tatsache, dass die Chance, ein Land mit fast fünfzig Millionen Einwohnern in die EU aufzunehmen, dessen Pro-Kopf-Einkommen gerade mal ein Drittel der ärmsten EU- Länder beträgt, nur auf sehr lange Sicht nicht gleich Null ist. Doch alles dies musste unter den Mantel des Schweigens gebettet werden – um die Bürgerproteste in Kiew weiter mit Hoffnung zu nähren, um Proteste zu Hause gar nicht aufkommen zu lassen und um die gesamte Schuld an dem Konflikt der neuen Ausgeburt des Bösen allein zuschieben zu können: Osama bin Putin.
Seit im Zuge der Krise um die Ukraine in den Medien das Wort «Putinversteher» aufgetaucht ist und als Diskreditierung all jener eingesetzt wird, die sich weigern, diesen Konflikt als Schwarzweissfilm mit eindeutiger Rollenverteilung in Gute (USA, EU und Nato) und Böse (Putin und Russland) zu sehen, sind wir, die Autoren, bekennende Putinversteher. Dass «Verständnis» nicht «Zustimmung» oder «Akzeptanz» bedeutet – diese semantische Klarstellung scheint wichtig zu sein: Hitler zu «verstehen» heisst keinesfalls, ihm zuzustimmen. (...)
Kritik an der Amtsführung des russischen Präsidenten ist in mancher Hinsicht berechtigt. Dass jedoch der Versuch, die Motive Russlands in der Ukraine-Krise zu verstehen und Einsicht in die Beweggründe und Ursachen von Putins Handeln zu gewinnen, diskreditiert und «Putinversteher» (oder «Russlandversteher») als Schimpfwort gebraucht wird, kommt einer Diffamierung jeder Art von Analyse gleich. Wo jedoch nicht mehr analysiert werden darf, da herrscht Ideologie, wo Verstehen verboten wird, regieren Glaubensbekenntnisse. Deshalb bekennen die Autoren sich neuerdings und ausdrücklich als «Putinversteher». Denn je boshafter, hitlerartiger Putin in den Medien porträtiert wird, desto wichtiger wird ein nüchternes und realistisches Verstehen – nicht durch psychologisierende Spekulation über eine Person, sondern durch politische Analyse, nicht durch einseitige Ideologie, sondern durch ein möglichst objektives Erkennen der Lage.
Von einem solchen möglichst neutralen Erkenntnisgewinn haben sich die westlichen Medien während der gesamten Krise in der Ukraine weitgehend verabschiedet – seit der Zuspitzung der Lage im November 2013 nahezu vollständig. Und so kam es, dass die im Westen verbreitete Ideologie mit Putin als neuem Quasi-Hitler von der Bevölkerung mehrheitlich als solche erkannt wurde und sich die Journalisten wunderten, dass ihre über Monate auf allen Kanälen penetrierte Freund-Feind-Unterscheidung vom Publikum nicht angenommen wurde. Selten klafften veröffentlichte Meinung und öffentliche Meinung weiter auseinander. (...)
In unserem Buch versuchen wir deshalb, die Interessen der beteiligten Staaten so darzustellen, wie sie sich auf dem Schachbrett geopolitischer Auseinandersetzungen darbieten – jenseits der propagandistischen Verbrämungen und Verzerrungen, mit denen Kriege seit je aufgela
den werden. Um diese Interessenlage aufzuhellen, müssen wir auf die Entwicklungen der vergangenen fünfundzwanzig Jahre zurückblicken: auf das Ende des Kalten Kriegs, die Wiedervereinigung Deutschlands und den Niedergang der Sowjetunion und die Entstehung der Russischen Föderation ebenso wie auf die Entwicklungen der Europäischen Union, der Nato und der Supermacht USA. Und natürlich müssen wir uns die Geschichte der Ukraine anschauen, das grosse Land zwischen Europa und Asien, das jetzt von einem Krieg zerrissen zu werden droht, was weder im Interesse seiner Bürger noch in dem der Welt sein kann. Dass die beiden grössten Atommächte, die USA und Russland, dabei direkt aufeinander losgehen, mag durch das Gleichgewicht des nuklearen Schreckens nach wie vor ausgeschlossen sein, doch auch ein mit Stellvertretern und verdeckten Mitteln geführter Krieg ist keine wünschenswerte Perspektive. (...)
Wenn Sie nach der Lektüre dieses Buchs vielleicht ein bisschen zum «Putinversteher» geworden sind, sind Sie keinesfalls blauäugig, sondern haben sich vom undifferenzierten Blick einer Schwarzweisspropaganda verabschiedet, mit der Völker zum Krieg getrieben werd
en. Dabei wird natürlich jeder Seite von ihren Propagandisten stets eingeredet: «Wir sind die Guten!»
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Mathias Bröckers und Paul Schreyer sind die Autoren des Buches «Wir sind die Guten – Ansichten eines Putiverstehers oder wie uns die Medien manipulieren», das am 1. September erscheint (Westend-Verlag. 208 S. Fr.24.90.–) und aus dem Ausschnitte hier vorabgedruckt sind.
Der besondere Wert des Buches liegt darin, dass die Hintergründe einer aktuellen geopolitischen Krise aufgearbeitet werden, bevor sie sich zum Flächenbrand entwickelt hat. Üblicherweise werden Kriegslügen erst aufgedeckt, wenn ein Krieg bereits ausgebrochen ist. In diesem Sinn wünschen wir dem Buch grosse Verbreitung. Manipulierbar ist nur, wer nicht informiert ist.
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Mathias Bröckers ist freier Journalist und Autor zahlreicher Bücher (u.a. «Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf» (1993) und «JFK – Staatsstreich in Amerika» (2013). Mathias Bröckers sprach am Zeitpunkt-Apéro vom 5. September in Solothurn (siehe Seite 51)
Paul Schreyer ist ebenfalls freier Journalist. Bekannt wurde er durch sein Buch «Faktencheck 9/11» (2013)
Ziemlich genau dies geschieht aktuell in der Ukraine, wo inzwischen CIA und FBI das Regime in Kiew beraten, wie solche Angriffe auf die eigene Bevölkerung am besten zu führen sind, und wo nach Presseberichten schon vierhundert private Söldner amerikanischer Militärkonzerne im Kampfeinsatz sind neben den Terrormilizen des Rechten Sektors, die jetzt als «Nationalgarde» in offizieller Mission agieren. So wird zum wiederholten Mal in der Geschichte das zerrissene Land der Ukraine, das ausser während einiger Monate nach dem Ersten Weltkrieg erst seit 1991 eine eigenständige Nation ist, zum Aufmarsch- und Schlachtfeld, bei dem sich die Landsleute gegenseitig bekriegen, weil fremde Mächte es als Stellvertreter für ihre Kämpfe nutzen. (...)
Was einst die Statthalter des Zaren, des polnischen Adels oder der Donaumonarchen waren, sind heute Oligarchen und Provinzfürsten, die Wirtschaft und Medien kontrollieren und damit auch die Politik in Kiew. Gegen ein derart korrumpiertes, pseudodemokratisches Feudalsystem wendet sich der Protest der ukrainischen Bevölkerung seit vielen Jahren und kulminierte im Herbst 2013, als sich die amtierende Regierung weigerte, das von der Europäischen Union angebotene Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen. Dabei handelte es sich schlichtweg um ein «unanständiges» Angebot, weil es eine gleichzeitige Zoll- und Handelsunion mit Russland ausschloss und weil es militärische Zusammenarbeit und damit die Anwesenheit der Nato in der Ukraine einschloss. Ausserdem konnte dieses Angebot, soweit es einen möglichen Beitritt zur EU betraf, nicht ernstgemeint sein, gleichwohl es den Protestierenden auf dem Maidan so suggeriert wurde und sie deshalb auch mit Europafähnchen auftraten. All diese «Fallstricke», die bei jedem Präsidenten der Ukraine Skepsis und Bedenken ausgelöst hätten, wurden in den westlichen Medien ebenso wenig erwähnt wie die Tatsache, dass die Chance, ein Land mit fast fünfzig Millionen Einwohnern in die EU aufzunehmen, dessen Pro-Kopf-Einkommen gerade mal ein Drittel der ärmsten EU- Länder beträgt, nur auf sehr lange Sicht nicht gleich Null ist. Doch alles dies musste unter den Mantel des Schweigens gebettet werden – um die Bürgerproteste in Kiew weiter mit Hoffnung zu nähren, um Proteste zu Hause gar nicht aufkommen zu lassen und um die gesamte Schuld an dem Konflikt der neuen Ausgeburt des Bösen allein zuschieben zu können: Osama bin Putin.
Seit im Zuge der Krise um die Ukraine in den Medien das Wort «Putinversteher» aufgetaucht ist und als Diskreditierung all jener eingesetzt wird, die sich weigern, diesen Konflikt als Schwarzweissfilm mit eindeutiger Rollenverteilung in Gute (USA, EU und Nato) und Böse (Putin und Russland) zu sehen, sind wir, die Autoren, bekennende Putinversteher. Dass «Verständnis» nicht «Zustimmung» oder «Akzeptanz» bedeutet – diese semantische Klarstellung scheint wichtig zu sein: Hitler zu «verstehen» heisst keinesfalls, ihm zuzustimmen. (...)
Kritik an der Amtsführung des russischen Präsidenten ist in mancher Hinsicht berechtigt. Dass jedoch der Versuch, die Motive Russlands in der Ukraine-Krise zu verstehen und Einsicht in die Beweggründe und Ursachen von Putins Handeln zu gewinnen, diskreditiert und «Putinversteher» (oder «Russlandversteher») als Schimpfwort gebraucht wird, kommt einer Diffamierung jeder Art von Analyse gleich. Wo jedoch nicht mehr analysiert werden darf, da herrscht Ideologie, wo Verstehen verboten wird, regieren Glaubensbekenntnisse. Deshalb bekennen die Autoren sich neuerdings und ausdrücklich als «Putinversteher». Denn je boshafter, hitlerartiger Putin in den Medien porträtiert wird, desto wichtiger wird ein nüchternes und realistisches Verstehen – nicht durch psychologisierende Spekulation über eine Person, sondern durch politische Analyse, nicht durch einseitige Ideologie, sondern durch ein möglichst objektives Erkennen der Lage.
Von einem solchen möglichst neutralen Erkenntnisgewinn haben sich die westlichen Medien während der gesamten Krise in der Ukraine weitgehend verabschiedet – seit der Zuspitzung der Lage im November 2013 nahezu vollständig. Und so kam es, dass die im Westen verbreitete Ideologie mit Putin als neuem Quasi-Hitler von der Bevölkerung mehrheitlich als solche erkannt wurde und sich die Journalisten wunderten, dass ihre über Monate auf allen Kanälen penetrierte Freund-Feind-Unterscheidung vom Publikum nicht angenommen wurde. Selten klafften veröffentlichte Meinung und öffentliche Meinung weiter auseinander. (...)
In unserem Buch versuchen wir deshalb, die Interessen der beteiligten Staaten so darzustellen, wie sie sich auf dem Schachbrett geopolitischer Auseinandersetzungen darbieten – jenseits der propagandistischen Verbrämungen und Verzerrungen, mit denen Kriege seit je aufgela
den werden. Um diese Interessenlage aufzuhellen, müssen wir auf die Entwicklungen der vergangenen fünfundzwanzig Jahre zurückblicken: auf das Ende des Kalten Kriegs, die Wiedervereinigung Deutschlands und den Niedergang der Sowjetunion und die Entstehung der Russischen Föderation ebenso wie auf die Entwicklungen der Europäischen Union, der Nato und der Supermacht USA. Und natürlich müssen wir uns die Geschichte der Ukraine anschauen, das grosse Land zwischen Europa und Asien, das jetzt von einem Krieg zerrissen zu werden droht, was weder im Interesse seiner Bürger noch in dem der Welt sein kann. Dass die beiden grössten Atommächte, die USA und Russland, dabei direkt aufeinander losgehen, mag durch das Gleichgewicht des nuklearen Schreckens nach wie vor ausgeschlossen sein, doch auch ein mit Stellvertretern und verdeckten Mitteln geführter Krieg ist keine wünschenswerte Perspektive. (...)
Wenn Sie nach der Lektüre dieses Buchs vielleicht ein bisschen zum «Putinversteher» geworden sind, sind Sie keinesfalls blauäugig, sondern haben sich vom undifferenzierten Blick einer Schwarzweisspropaganda verabschiedet, mit der Völker zum Krieg getrieben werd
en. Dabei wird natürlich jeder Seite von ihren Propagandisten stets eingeredet: «Wir sind die Guten!»
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Mathias Bröckers und Paul Schreyer sind die Autoren des Buches «Wir sind die Guten – Ansichten eines Putiverstehers oder wie uns die Medien manipulieren», das am 1. September erscheint (Westend-Verlag. 208 S. Fr.24.90.–) und aus dem Ausschnitte hier vorabgedruckt sind.
Der besondere Wert des Buches liegt darin, dass die Hintergründe einer aktuellen geopolitischen Krise aufgearbeitet werden, bevor sie sich zum Flächenbrand entwickelt hat. Üblicherweise werden Kriegslügen erst aufgedeckt, wenn ein Krieg bereits ausgebrochen ist. In diesem Sinn wünschen wir dem Buch grosse Verbreitung. Manipulierbar ist nur, wer nicht informiert ist.
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Mathias Bröckers ist freier Journalist und Autor zahlreicher Bücher (u.a. «Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf» (1993) und «JFK – Staatsstreich in Amerika» (2013). Mathias Bröckers sprach am Zeitpunkt-Apéro vom 5. September in Solothurn (siehe Seite 51)
Paul Schreyer ist ebenfalls freier Journalist. Bekannt wurde er durch sein Buch «Faktencheck 9/11» (2013)
13. September 2014
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