Die Alp in der Globalisierung
Die wahre Geschichte einer Alp unter Spar-Druck
Die Alp, um die es in dieser kurzen Geschichte geht, liegt auf dem Gebiet eines Gemeinwesens in den Schweizer Alpen, das vor kurzem mit ein paar anderen zu einer Grossgemeinde fusionierte. Das Versprechen der wirtschaftlichen Vorteile erfüllt sich natürlich nicht von selber. Und so kam es, dass auch die Pachtverträge mit den Älplern auf dem Gemeindegebiet erneuert wurden. Zum einen wurde der Unterhalt der Zufahrtswege den Älplern übertragen – eine Ersparnis der Gemeinde. Zum anderen sollten die Alphütten an Touristen vermietet werden – eine Mehreinnahme mit der Folge von längeren Wegen zu den Unterständen und Unterkünften von bis zu einer Stunde. Martin, so heisst mein Freund, der die Alp seit zehn Jahren bewirtschaftet, kündigte den Vertrag. Um seinen Entscheid besser zu verstehen, liess ich mir die Ökonomie einer Alp erklären: Für die rund 50 Grossvieheinheiten (120 Ziegen, Schafe, Kälber, Gusti und Kühe) erhält er von den Bauern rund 13 000 Franken Sömmerungsbeitrag. Dieser wird durch Subventionen verdoppelt. Dazu kommt seit einem Jahr noch ein Beitrag für Biodiversität – wenn die Pflanzenvielfalt es rechtfertigt – von knapp 10 000 Franken. Insgesamt betragen die Einnahmen für die vier Monate Juni bis September 36 000 Franken. Davon gehen weg: der Lohn für die Hirtin (6000 Franken, inkl. Kost und Logis), Pachtzins (6000), Werkzeug und Zaunmaterial (2000), Treibstoff (500) und Diverses (1500). Martin und seiner Frau Ruth bleiben für die vier Monate also 20 000 Franken. Dafür leisten sie zwölf Stunden Arbeit an sieben Tagen die Woche, insgesamt also 2880 Stunden, die Arbeiten vor und nach der Alpsaison nicht eingerechnet. Dies ergibt einen Stundenlohn von Fr. 6.94. Aus dieser Zitrone will der zuständige Mann am Schreibtisch der fusionierten Gemeinde also noch ein paar Tropfen herauspressen, damit er an der nächsten Gemeindeversammlung sagen kann, die Fusion habe sich gelohnt.
Martin und Ruth, die ausserhalb der Alpsaison als Lehrer und Übersetzerin arbeiten, sind kein Einzelfall. Von den Vertragsänderungen sind eine ganze Reihe von Alpen betroffen. Die Älpler legten gemeinsam Protest ein, beschlossen aber, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Deshalb sind die genannten Namen erfunden. Alles andere ist wahr.
Martin und Ruth, die ausserhalb der Alpsaison als Lehrer und Übersetzerin arbeiten, sind kein Einzelfall. Von den Vertragsänderungen sind eine ganze Reihe von Alpen betroffen. Die Älpler legten gemeinsam Protest ein, beschlossen aber, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Deshalb sind die genannten Namen erfunden. Alles andere ist wahr.
19. April 2015
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