Sámi-Proteste in Norwegen: Regierung will «auf Menschen zugehen»
Aktivisten werten Aktion als Erfolg und bleiben demonstrationsbereit, schreibt Gabriel Kuhn

Während der vergangenen zehn Tage hat die norwegische Hauptstadt Oslo die grössten samischen Proteste seit 40 Jahren erlebt. Mehr als die Hälfte der Sámi leben in Norwegen. Sie beklagen fehlenden politischen Einfluss und die Ausbeutung Sápmis durch die nordischen Regierungen sowie private Konzerne. «Grüner Kolonialismus» wurde zu einem Schlagwort, um darauf zu verweisen, dass die Sámi einen grossen Preis für die Energiewende zahlen. Windparks, Batteriefabriken und Bergwerke zur Gewinnung von für Elektroautos benötigten Metallen werden in Sápmi eröffnet, fernab der Mehrheitsbevölkerungen der nordischen Länder. Bereits vor Jahrzehnten wurden zahlreiche Wasserkraftwerke errichtet. Der Bau des Staudamms entlang des Alta­flusses führte zu zahlreichen Protesten in Oslo Ende der 1970er Jahre.

Anlass für die jüngste Protestwelle waren zwei Windparks auf der norwegischen Halbinsel Fosen, die der Oberste Gerichtshof Norwegens im Oktober 2021 für gesetzeswidrig erklärte. Nach Meinung der Richter verstossen sie gegen international verbürgte Rechte der Sámi als indigenem Volk. Am 23. Februar dieses Jahres waren 500 Tage seit dem Urteil vergangen. Da die Windparks auf Fosen immer noch in Betrieb sind, besetzten an jenem Tag Mitglieder samischer Jugendorganisationen den Eingangsbereich des norwegischen Erdöl- und Energieministeriums. Unterstützung erhielten sie von der norwegischen Umweltgruppe «Jugend und Natur».

Am vergangenen Montag wurden die Besetzer am frühen Morgen von Polizeibeamten aus dem Ministerium entfernt. Wenige Stunden später waren Hunderte Aktivisten zur Stelle, um den Eingang zum Ministerium von aussen zu blockieren. Das Schauspiel wiederholte sich vier Tage lang, die Mitarbeiter des Ministeriums wurden ins Homeoffice geschickt.

Vorerst verzichten die Sámi auf weitere Proteste. Elle Nystad, Vorsitzende des Samischen Jugendverbands in Norwegen, erklärte gegenüber der Jungen Welt, dass die Proteste als Erfolg gewertet werden können. Was die Versprechen der norwegischen Regierung angehe, müsse man abwarten. «Sollten die Menschenrechtsverletzungen weitergehen, wird es neue Proteste geben.»