In der libyschen Hauptstadt Tripolis ist es in der Nacht zum Dienstag zu den schwersten Kämpfen zwischen rivalisierenden Gruppen seit Jahresbeginn gekommen. Damit wächst in dem seit Jahren gespaltenem Land die Furcht vor einer Eskalation des Bürgerkrieges. Ausgelöst wurden die Gefechte durch die Festnahme des Kommandeurs der 444. Brigade, Mahmud Hamsa, wie ein Vertreter dieser militärischen Gruppierung mitteilte. Demnach wurde er auf dem Flughafen der Hauptstadt von Mitgliedern der Special Deterrence Force in Gewahrsam genommen.
Beide Gruppierungen sind die grössten Machtfaktoren in Tripolis. Obwohl die 444. Brigade und die Special Deterrence Force vergangenes Jahr zeitweise zusammen die Übergangsregierung der Nationalen Einheit unterstützten, kam es in diesem Jahr in Tripolis immer wieder zu Zusammenstössen zwischen beiden Gruppierungen.
Über Teilen von Tripolis sei am Morgen dunkler Rauch zu sehen gewesen, berichtete ein Reuters-Reporter. Der Lärm schwerer Waffen sei zu hören gewesen. Anwohner und lokale Medien berichteten von Kämpfen in verschiedenen Teilen der Stadt. Das Gesundheitsministerium rief zu Blutspenden auf. Nach Angaben des Rettungsdienstes wurden mindestens 19 Menschen in der Hauptstadt verletzt. 26 Familien seien aus den Kampfzonen evakuiert worden.
Libyen ist seit 2014 zwischen verfeindete Ost- und Westfraktionen aufgespaltet, nachdem die USA, Frankreich und Großbritannien im Jahr 2011 Langzeit-Machthaber Gaddafi gewaltsam gestürzt hatten. Seitdem herrscht in Libyen ein Stellvertreterkrieg, in den unter anderem die Türkei, Russland, Katar und Ägypten verwickelt sind. Die östliche Bürgerkriegs-Fraktion unter dem ehemaligen Armee-General Chalifa Haftar scheiterte 2020 mit einem Sturm auf Tripolis. Es folgte ein Waffenstillstand, aber eine politische Lösung des Konflikts scheint in weiter Ferne.