Zehntausende Todesopfer nach Flutkatastrophe in Libyen.
Von NATO-Staaten verursachtes politisches Chaos verhindert effektive Hilfe, schreibt Jörg Kronauer

Die Zahl der dokumentierten Todesopfer der Flutkatastrophe in Libyen schnellt weiter in die Höhe und könnte allein in der am härtesten getroffenen Stadt Darna auf bis zu 20.000 steigen. Dies berichtete der Bürgermeister der Stadt, Abd Al-Moneim Al-Gheiti, am Mittwoch abend dem saudischen Fernsehsender Al-Arabija.

In Darna waren nach dem Bruch zweier Dämme ganze Stadtviertel von den Fluten weggespült worden und hatten zahllose Menschen mit sich gerissen. Immer noch werden rund um die Uhr Leichen gefunden, die im meterhohen Schlamm stecken oder im Meer treiben. Laut offiziellen Angaben wurden bis Donnerstag vormittag rund 3.000 Opfer beerdigt, 2.000 weitere Begräbnisse waren in Vorbereitung. Die Leichen werden oft in einfachen Leichensäcken in Massengräbern verscharrt. Zu den Opfern aus Darna selbst kommt eine unbekannte Zahl an Flüchtlingen hinzu, die sich auf dem Weg nach Europa an der ostlibyschen Küste gesammelt hatten und dort gleichfalls von den Fluten hinweggespült wurden. Wie viele von ihnen ertranken, wird wohl nie genau festzustellen sein.

Mittlerweile kommt auch internationale Hilfe in Gang. Schon früh hatte die Türkei reagiert und erste Hilfsflüge nach Libyen organisiert. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und weitere arabische Staaten hatten Hilfslieferungen auf den Weg gebracht. Am Mittwoch schlossen sich EU-Staaten an, so etwa Italien, Frankreich und Deutschland, die medizinische Ausrüstung, Stromgeneratoren und Rettungskräfte nach Libyen entsandten. Dort wird weiterhin verzweifelt nach Überlebenden gesucht. Zudem müssen die mehr als 30.000 Menschen versorgt werden, die obdachlos geworden sind.

Erschwert werden die Rettungsaktivitäten durch die desaströsen politischen Verhältnisse in Libyen, die nach dem Schock unter dem ersten Eindruck der Katastrophe nun in den Blick geraten. Über funktionierende Behörden verfügt Libyen allerdings nicht mehr, seit die NATO-Staaten das Land im Jahr 2011 in Schutt und Asche legten, um Muammar Al-Ghaddafi zu stürzen.