Juncker vor sechs Jahren: «Wir haben es mit einer Polykrise zu tun. Es brennt an allen Ecken und Enden.»
Rekordhohe Gas- und Strompreise wachsen sich zu einer EU-Krise aus. Nationale Alleingänge haben die Lage verschlimmert.

Zu Recht sprach Juncker von einer Polykrise. Doch sie war noch vergleichsweise harmlos. Die einzelnen Krisen liessen sich noch gesondert angehen. Heute hingegen passiert alles gleichzeitig. Krieg in Europa, Energiekrise, Inflation, wirtschaftlicher Einbruch, Währungsturbulenzen, Fluchtbewegungen, Klimawandel – sie sind miteinander verknüpft, verstärken sich gegenseitig, verschonen niemanden oder werden niemanden verschonen.

Es läge nahe, dass die EU-Länder gemeinsam reagieren würden. Bei den Wirtschaftssanktionen gegen Russland und den Waffenlieferungen an die Ukraine funktioniert das einigermassen. Gemeinsames Handeln als Reaktion auf die hochgeschossenen Energiepreise und die drohende Knappheit? Fehlanzeige. Wo es den Menschen in Europa am meisten wehtut, agieren die EU-Mitgliedstaaten seit dem Krieg in der Ukraine nach eigenem Gutdünken, ob es den anderen gefällt oder missfällt.

Ende September hatten acht Länder einen Energiepreisdeckel eingeführt, doch die Preise und die Ausgestaltung waren sehr verschieden. Mehrere Länder verzichteten auf Preisdeckel, besteuerten aber sogenannte Übergewinne. Mal stellte die Steuer auf die Entwicklung der Umsätze ab, andere Male auf die Übergewinne der Energiekonzerne. Ein halbes Dutzend Länder führte sowohl Preisdeckel als auch Sondersteuern ein. Deutschland hingegen wollte bis Ende September weder Preisdeckel noch Sondersteuer, erwog stattdessen eine sogenannte Umlage. …

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