Keine Angst vorm grossen Crash!

Man macht es sich einfach, wenn man sagt, die Schieflage der Banken und Versicherungen sei durch "gierige und unfähige Manager" und/oder "US-Häuslebauer, die nicht rechnen können" verursacht worden. Auch der Politik die Schuld zu geben, kann nicht die Lösung sein. Also wie kann es sein, dass nicht nur die Staaten mit ihrer immensen Verschuldung am Abgrund stehen, sondern nun auch noch die immer so reich und sicher geglaubten Banken in massive Bedrängnis geraten?

Geld kommt als Kredit in die Welt, denn es ist immer auf der einen Seite Guthaben und auf der anderen Seite Schuld. In den letzten Jahrzehnten wuchsen die vorwiegend privaten Geldvermögen weltweit jährlich um 5-6%. Da Geld = Schuld ist, mussten auch jedes Jahr die Schulden um 5-6% wachsen - buchhalterische Logik. Und gleichzeitig exponenzielles Wachstum! Bäume wachsen aber nicht in den Himmel und die Weltwirtschaft auch nicht. Folglich ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem die ausgeliehenen Vermögen, oder auch Schulden (das hängt vom Betrachter ab), nicht mehr bedient und zurückgezahlt werden können, es entsteht eine „Kreditkrise“. Den letzten grossen Zusammenbruch des Vertrauens in die Kreditwürdigkeit der Schuldner erlebte die Welt 1929. Wikipedia: „Ein zuerst nur leichter Rückgang des Wachstums der weltweit führenden US-amerikanischen Volkswirtschaft liess den spekulativ überbewerteten Aktienmarkt der USA am 24. Oktober 1929, dem Schwarzen Donnerstag, zusammenbrechen. Dies führte zu einer Umkehr der Finanzströme. Gelder, die in den Jahren davor in andere Volkswirtschaften investiert worden waren, wurden überstürzt abgezogen. In vielen europäischen Staaten und in anderen Staaten der Welt löste dieser Kreditabzug schwerste wirtschaftliche Krisenerscheinungen aus.“ Alles Weitere ist bekannt. Der  Zweite Weltkrieg schaffte durch entsprechende Kapitalvernichtung (zerstörte Wirtschafts- und Infrastruktur) wieder hinreichend Wachstumspotenzial, um einen neuen Anlauf zu nehmen. Was danach im westlichen Teil Deutschlands kam, war dann folgerichtig auch ein „Wirtschaftswunder“.

Dabei gab es schon in der damaligen Krise äusserst kreative und mutige Geister, die ein Stück weit selbst die Sache in die Hand nahmen. Wäre man ihrem Beispiel gefolgt, hätte eine Stabilisierung der Wirtschaft dem aufkommenden Faschismus möglicherweise den Nährboden entzogen. Ein Pionier war der damalige Bürgermeister der Marktgemeinde Wörgl in Österreich, Michael Unterguggenberger. Er führte mit dem „Experiment von Wörgl“ eine Komplementärwährung ein, die sogenannten „Arbeitswertscheine“. Mit Hilfe dieser Arbeitswertscheine wurden mitten in einem von wirtschaftlichem Niedergang geprägten Umfeld mit der lächerlich klein anmutenden Summe von 32.000 Arbeitswertscheinen im Laufe von nur dreizehn Monaten enorme Aufträge an die heimische Wirtschaft vergeben und die Arbeitslosigkeit um sensationelle 25 % gesenkt. Die Aufzählung der Erfolge macht auch heute noch sprachlos: Bau einer Skischanze, Asphaltierung mehrerer Strassen, Bau einer Betonbrücke, Kanalisation des Gemeinde- und Schulhauses, Einrichtung einer Notstandsküche, Umgestaltung eines Parks am Bahnhof, Modernisierung der Strassenbeleuchtung usw. Wörgl wurde zum Ort der Hoffnung im Meer der Verzweiflung.

Heute gibt es landauf landab ähnliche Initiativen, die als Regionalgelder bezeichnet werden. Einen derartigen Erfolg wie damals in Wörgl können diese Regiogelder bisher nicht vorweisen, was sicher auch daran liegt, dass sich bisher noch kein Bürgermeister entsprechend weit vorgewagt hat. Das weltweite Finanzsystem werden diese Initiativen nicht retten, jedoch können sie zeigen, wie man die Realwirtschaft, also das tägliche Brot der Unternehmen und Selbständigen, sichern kann. Die Initiative für Potsdam und Umgebung ist die Havelblüte. Gab sie sich zu ihrem Start den eher selbstironischen Namen „Blüte“, könnte es sein, dass Verrechnungssysteme ihrer Art demnächst einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität in den Regionen leisten werden. Als die eigentlichen „Blüten“ stellen sich nun mehr und mehr eher die etablierten grossen Währungen dar.

Wirtschaften bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als den Austausch von Waren und Dienstleistungen zu betreiben. Genau dazu ist die Havelblüte ins Leben gerufen worden. Gewerbliche Teilnehmer erhalten einen Verfügungsrahmen in Havelblüten, können innerhalb dieses Rahmens miteinander handeln und bauen so ein Netzwerk auf. Ein Teilnehmer kann also den anderen mit Havelblüten bezahlen und spart damit nicht nur Zinskosten für seine sonst benötigte Euroliquidität, sondern ist ggf. überhaupt zahlungsfähig, was in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht selbstverständlich erscheint. Ein quartalsweiser 2%iger Abschlag auf den Nennwert des Zahlungsmittels wirkt dabei als Umlaufsicherung“. Niemand hat ein Interesse daran Havelblüten anzuhäufen. Sie werden ständig dazu verwendet, wozu sie geschaffen wurden: zum Kaufen von Leistungen und Waren. Das bildet schliesslich die Grundlage für eine stabile wirtschaftliche Situation, sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft. So kann mit Regionalgeldern wie der Havelblüte die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort gesichert werden, während der Sturm der Finanzkrise die Weltwirtschaft durcheinanderwirbelt und dabei das eine um das andere sicher geglaubte grosse Schiff versenkt und der Mangel an Geld die Wirtschaft vielerorts zum Erliegen bringt. Es ist also ernst, aber nicht hoffnungslos. Sich aber darauf zu verlassen, dass schon wieder alles ins Lot kommt, wird in Zukunft nicht ausreichen.

Quelle:
www.grueneliga.de/bburg

 
Nähere Informationen zum Regionalgeld finden Sie unter www.havelblueten.de
29. Oktober 2008
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