Meine grösste Verantwortung
Was ist Deine grösste Verantwortung und woher kommt sie? Diese Frage stellten angehende FriedensjournalistInnen AktivistInnen aus aller Welt am Green-Phoenix-Kongress vom Oktober auf der Schweibenalp.
Weder Ja-noch Nein-Sager
«Eigentlich bin ich Linkshänder. Als ich in die Schule kam, wurde ich gezwungen, mit rechts zu schreiben. Ich habe damals gefragt, warum, aber keine Antwort bekommen. Diese Erfahrung hat mich gelehrt, nichts zu akzeptieren, dessen Sinn ich nicht einsehe. Ich will mein Leben so gestalten, dass es für mich und für die Gemeinschaft Sinn macht. Im Tun wird sichtbar, wie ich Verantwortung übernehme. Beruflich arbeite ich dafür, Innovationen zu ermöglichen, neue Produktionsformen zu entwickeln, die keinen Abfall mehr produzieren, sondern ‹Nährstoffe› für weitere Produkte. Indem ich dem alten System neue Wege aufzeige, finde ich meinen Mittelweg, wo ich weder Ja-Sager noch Nein-Sager bin und überzeugt meine Verantwortung trage.»
Albin Kälin (57), Geschäftsführer EPEA Switzerland, cradle2cradle
Mit Hoffnung gegen den Weltschmerz
«Ich lebe in einem Ökodorf, weil ich denke, dass es dort möglich ist, Verantwortung zu übernehmen. Im täglichen Leben sowie im gesamten Geschehen der Gemeinschaft. Das bedeutet, Menschen in ihren Projekten zu unterstützen, Andere zu hören und zu sehen. Früher litt ich stark an Weltschmerz, das machte mich handlungsunfähig. Jetzt habe ich entdeckt, dass wenn ich Hoffnung und Optimismus in mein tägliches Leben einbaue, ich tätig werden kann. Ich habe schon früh gelernt, verantwortlich zu sein, denn ich hatte zwei kleinere Schwestern. Wenn ihnen etwas passierte, musste ich für die beiden da sein.»
Macaco Tamerice (55), Sängerin, und Öffentlichkeitsarbeiterin in Damanhur, Italien
Denn Opfer werden zu Tätern
«Zu Verantwortung gehört der Abschied von kindlichen Vorstellungen, Opfer zu sein: der Eltern, der Kollegen, des Systems – was weiss ich. Die Opferstory habe ich mir früher aus Bequemlichkeit erzählt: Wer vermeintlich hilflos ist, braucht nichts tun, nichts ändern. Opfer sind nicht erkenntnisfähig. Denn gefangen in meiner Story, merke ich gar nicht, dass ich selbst zum Täter werde, sobald ich in die Position des Stärkeren gerate. Wenn ich jedoch bewusst in diese Schatten hineinleuchte, lerne ich die Schwester der Verantwortung kennen – die Freiheit.»
Michael Gleich (54), Journalist und Moderator
Von Sofa zu Sofa, mit einer einzigen Aufgabe
«Mich auf etwas festzulegen, war mir von jeher ein Graus. Meine Leidenschaft ist die Entwicklung von Programmen für Tauschringe. Eines Tages fiel mein wichtigster Kollege nach einem schweren Unfall aus. Ich musste die Projektleitung übernehmen. Grosses Budget, australische Regierung als Auftraggeber, riesige Verantwortung. Schau mich an, mit meinen langen Haaren: Mit solchen Kunden wollte ich nie direkten Kontakt. Zu viel Druck. Jetzt suche ich nach einer Exit-Strategie. Andere Entwickler sollen übernehmen, sodass ich wieder frei bin. Für meine Reise von Sofa zu Sofa, unterstützt von Freunden, mit einer einzigen Aufgabe: die beste Software für alternative Geldsysteme zu schreiben.»
Matthew Slater (42), britischer Geld-Aktivist und Software-Entwickler
Vor allem: bewusst sein
«Mit der Verantwortung, so wie ich sie heute lebe, wurde ich nicht geboren. Sie hat sich auf meinem Weg verändert. Sie kommt aus mir. Ich strebe eine möglichst ökologische Lebensweise an, damit übernehme ich Verantwortung für meine Kinder und Enkel. Eine Flugreise schadet der Umwelt, und wenn ich doch fliege, dann tue ich das bewusst. Darum geht es mir vor allem: mir des eigenen Handelns bewusst zu sein. Niemand ist verantwortlich für mein Leben, und ich bin es nicht für andere. Ich urteile nicht mehr über Menschen. Sie unterstützen, ihnen helfen? Sehr gerne. Aber es ist immer ihr eigener Weg.»
Miriam Wolf (67), Schamanin und Wegbereiterin, Schweiz
Do-it-yourself und Know-it-yourself
«Eine Konsumrevolution in den Städten auszulösen, ist mein Herzensanliegen. Kreisläufe schliessen, ohne Plastik leben, Nahrungsmittel selber produzieren und sich auch mal fragen: Wo kommt eigentlich meine Zahnbürste und meine Unterhose her? Ich möchte eine neue Kultur des Do-it-yourself und Know-it-yourself zum Erblühen bringen und diese vor allem auch selbst leben. Ich will nicht verantworten, sondern antworten. Indem ich nur Dinge tue, hinter denen ich stehen kann, antworte ich meinem inneren Wesen, meinen Mitmenschen und der Erde. Und meine Zähne putze ich mit einem Haselzweig.»
Greta Röggla (22), Permakulturgestalterin und Pädagogin BA, München
Ich möchte ein Teil der Lösung sein
«Ich fühle mich für die Zukunft der lettischen Gesellschaft verantwortlich. Unter den EU-Ländern sind wir ein Schlusslicht: ökonomisch, demographisch, fast in jeder Hinsicht. Als Lösung sehe ich nicht die gegenwärtige Wirtschaftsentwicklung, sondern nachhaltige Ansätze, speziell Ökodörfer, Permakultur sowie die ‹Transition›-Bewegung. Ich möchte ein Teil der Lösung sein, deshalb engagiere ich mich in diesem Bereich. Als ich 16 Jahre alt war, las ich das Buch ‹Anastasia› von Vladimir Megre. Es entfachte in mir den Glauben, dass ein harmonischeres, liebeserfülltes und glückliches Leben möglich ist. Es gab mir ein strahlendes Bild einer besseren Welt, das seither meine treibende Kraft ist.»
Arturs Polis (28), Bauingenieur, Lettland
Privilegien bedeuten Verantwortung
«Wir brauchen ein anderes Finanzsystem, um die Natur zu erhalten. Ich nenne es Biomimicry. Wir wenden das Wissen der Natur in menschlichen Systemen an. Ein Baum beispielsweise schickt Zucker und Botenstoffe durch Wurzeln und Pilzgeflechte zu den Sämlingen. Sprich: Das Establishment fördert das Neue, anders als in der menschlichen Gesellschaft, wo die kleineren Unternehmen das Bankensystem unterstützen. Ich bin als Kind von Entwicklungshelfern aufgewachsen und konnte gar nicht anders, als in dieser privilegierten Situation eine Verantwortung zu sehen. Wir wohnten in der Nähe eines Tiergeheges in Kenia. Die Tiere liebte ich über alles. Um die Welt zu retten, buk ich mit acht Jahren Kuchen, verkaufte ihn an die Nachbarn. Es reichte leider nur für einen Recyclingkorb – aber Finanzen und Natur sind mein Thema geblieben.
Jamie Brown (33), USA/Schweiz, Ökonomin, Agentin für «Biomimicry»
Im Dienst der Einheit
«In mir gibt es einen Kern, darin lebt die Unschuld eines Kindes fort. Das gibt mir Möglichkeiten, zu sehen, wie wir auf diesem Planeten zusammenleben können. Die Einheit aller Lebewesen ist für mich eine direkte Erfahrung. Daraus entsteht die Verantwortung, sich in den Dienst dieser Einheit zu stellen. Ich erlebe mich selbst als eine lebende Erinnerung für die Menschheit, wie man mit Liebe und Gnade auf das reagieren kann, was gerade im Heiligen Land geschieht. Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass all meine Handlungen von Mustern gesteuert werden, die meine sind und von mir geändert werden müssen. Aber da diese Muster im Laufe der Geschichte geprägt und verstärkt wurden, bin ich nicht die Einzige, die sie auflösen muss.»
Aida Shibli (42), Friedensarbeiterin, Palästina, lebt in Tamera/Portugal
_____________
Die Statements wurden aufgezeichnet von: Anselm Betz, Jeshua Dreyfus, Selina Fehr, Helen Long und Naila von Mendelssohn im Rahmen einer zweiwöchigen Ausbildung in Friedensjournalismus auf der Schweibenalp. Die Ausbildung findet jedes Jahr im Herbst parallel zum Green-Phoenix-Kongress statt, auf dem sich FriedensarbeiterInnen, ÖkodorfInitianten und Umwelt-AktivistInnen zum Gedankenaustausch treffen. www.greenphoenixglobally.org
«Eigentlich bin ich Linkshänder. Als ich in die Schule kam, wurde ich gezwungen, mit rechts zu schreiben. Ich habe damals gefragt, warum, aber keine Antwort bekommen. Diese Erfahrung hat mich gelehrt, nichts zu akzeptieren, dessen Sinn ich nicht einsehe. Ich will mein Leben so gestalten, dass es für mich und für die Gemeinschaft Sinn macht. Im Tun wird sichtbar, wie ich Verantwortung übernehme. Beruflich arbeite ich dafür, Innovationen zu ermöglichen, neue Produktionsformen zu entwickeln, die keinen Abfall mehr produzieren, sondern ‹Nährstoffe› für weitere Produkte. Indem ich dem alten System neue Wege aufzeige, finde ich meinen Mittelweg, wo ich weder Ja-Sager noch Nein-Sager bin und überzeugt meine Verantwortung trage.»
Albin Kälin (57), Geschäftsführer EPEA Switzerland, cradle2cradle
Mit Hoffnung gegen den Weltschmerz
«Ich lebe in einem Ökodorf, weil ich denke, dass es dort möglich ist, Verantwortung zu übernehmen. Im täglichen Leben sowie im gesamten Geschehen der Gemeinschaft. Das bedeutet, Menschen in ihren Projekten zu unterstützen, Andere zu hören und zu sehen. Früher litt ich stark an Weltschmerz, das machte mich handlungsunfähig. Jetzt habe ich entdeckt, dass wenn ich Hoffnung und Optimismus in mein tägliches Leben einbaue, ich tätig werden kann. Ich habe schon früh gelernt, verantwortlich zu sein, denn ich hatte zwei kleinere Schwestern. Wenn ihnen etwas passierte, musste ich für die beiden da sein.»
Macaco Tamerice (55), Sängerin, und Öffentlichkeitsarbeiterin in Damanhur, Italien
Denn Opfer werden zu Tätern
«Zu Verantwortung gehört der Abschied von kindlichen Vorstellungen, Opfer zu sein: der Eltern, der Kollegen, des Systems – was weiss ich. Die Opferstory habe ich mir früher aus Bequemlichkeit erzählt: Wer vermeintlich hilflos ist, braucht nichts tun, nichts ändern. Opfer sind nicht erkenntnisfähig. Denn gefangen in meiner Story, merke ich gar nicht, dass ich selbst zum Täter werde, sobald ich in die Position des Stärkeren gerate. Wenn ich jedoch bewusst in diese Schatten hineinleuchte, lerne ich die Schwester der Verantwortung kennen – die Freiheit.»
Michael Gleich (54), Journalist und Moderator
Von Sofa zu Sofa, mit einer einzigen Aufgabe
«Mich auf etwas festzulegen, war mir von jeher ein Graus. Meine Leidenschaft ist die Entwicklung von Programmen für Tauschringe. Eines Tages fiel mein wichtigster Kollege nach einem schweren Unfall aus. Ich musste die Projektleitung übernehmen. Grosses Budget, australische Regierung als Auftraggeber, riesige Verantwortung. Schau mich an, mit meinen langen Haaren: Mit solchen Kunden wollte ich nie direkten Kontakt. Zu viel Druck. Jetzt suche ich nach einer Exit-Strategie. Andere Entwickler sollen übernehmen, sodass ich wieder frei bin. Für meine Reise von Sofa zu Sofa, unterstützt von Freunden, mit einer einzigen Aufgabe: die beste Software für alternative Geldsysteme zu schreiben.»
Matthew Slater (42), britischer Geld-Aktivist und Software-Entwickler
Vor allem: bewusst sein
«Mit der Verantwortung, so wie ich sie heute lebe, wurde ich nicht geboren. Sie hat sich auf meinem Weg verändert. Sie kommt aus mir. Ich strebe eine möglichst ökologische Lebensweise an, damit übernehme ich Verantwortung für meine Kinder und Enkel. Eine Flugreise schadet der Umwelt, und wenn ich doch fliege, dann tue ich das bewusst. Darum geht es mir vor allem: mir des eigenen Handelns bewusst zu sein. Niemand ist verantwortlich für mein Leben, und ich bin es nicht für andere. Ich urteile nicht mehr über Menschen. Sie unterstützen, ihnen helfen? Sehr gerne. Aber es ist immer ihr eigener Weg.»
Miriam Wolf (67), Schamanin und Wegbereiterin, Schweiz
Do-it-yourself und Know-it-yourself
«Eine Konsumrevolution in den Städten auszulösen, ist mein Herzensanliegen. Kreisläufe schliessen, ohne Plastik leben, Nahrungsmittel selber produzieren und sich auch mal fragen: Wo kommt eigentlich meine Zahnbürste und meine Unterhose her? Ich möchte eine neue Kultur des Do-it-yourself und Know-it-yourself zum Erblühen bringen und diese vor allem auch selbst leben. Ich will nicht verantworten, sondern antworten. Indem ich nur Dinge tue, hinter denen ich stehen kann, antworte ich meinem inneren Wesen, meinen Mitmenschen und der Erde. Und meine Zähne putze ich mit einem Haselzweig.»
Greta Röggla (22), Permakulturgestalterin und Pädagogin BA, München
Ich möchte ein Teil der Lösung sein
«Ich fühle mich für die Zukunft der lettischen Gesellschaft verantwortlich. Unter den EU-Ländern sind wir ein Schlusslicht: ökonomisch, demographisch, fast in jeder Hinsicht. Als Lösung sehe ich nicht die gegenwärtige Wirtschaftsentwicklung, sondern nachhaltige Ansätze, speziell Ökodörfer, Permakultur sowie die ‹Transition›-Bewegung. Ich möchte ein Teil der Lösung sein, deshalb engagiere ich mich in diesem Bereich. Als ich 16 Jahre alt war, las ich das Buch ‹Anastasia› von Vladimir Megre. Es entfachte in mir den Glauben, dass ein harmonischeres, liebeserfülltes und glückliches Leben möglich ist. Es gab mir ein strahlendes Bild einer besseren Welt, das seither meine treibende Kraft ist.»
Arturs Polis (28), Bauingenieur, Lettland
Privilegien bedeuten Verantwortung
«Wir brauchen ein anderes Finanzsystem, um die Natur zu erhalten. Ich nenne es Biomimicry. Wir wenden das Wissen der Natur in menschlichen Systemen an. Ein Baum beispielsweise schickt Zucker und Botenstoffe durch Wurzeln und Pilzgeflechte zu den Sämlingen. Sprich: Das Establishment fördert das Neue, anders als in der menschlichen Gesellschaft, wo die kleineren Unternehmen das Bankensystem unterstützen. Ich bin als Kind von Entwicklungshelfern aufgewachsen und konnte gar nicht anders, als in dieser privilegierten Situation eine Verantwortung zu sehen. Wir wohnten in der Nähe eines Tiergeheges in Kenia. Die Tiere liebte ich über alles. Um die Welt zu retten, buk ich mit acht Jahren Kuchen, verkaufte ihn an die Nachbarn. Es reichte leider nur für einen Recyclingkorb – aber Finanzen und Natur sind mein Thema geblieben.
Jamie Brown (33), USA/Schweiz, Ökonomin, Agentin für «Biomimicry»
Im Dienst der Einheit
«In mir gibt es einen Kern, darin lebt die Unschuld eines Kindes fort. Das gibt mir Möglichkeiten, zu sehen, wie wir auf diesem Planeten zusammenleben können. Die Einheit aller Lebewesen ist für mich eine direkte Erfahrung. Daraus entsteht die Verantwortung, sich in den Dienst dieser Einheit zu stellen. Ich erlebe mich selbst als eine lebende Erinnerung für die Menschheit, wie man mit Liebe und Gnade auf das reagieren kann, was gerade im Heiligen Land geschieht. Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass all meine Handlungen von Mustern gesteuert werden, die meine sind und von mir geändert werden müssen. Aber da diese Muster im Laufe der Geschichte geprägt und verstärkt wurden, bin ich nicht die Einzige, die sie auflösen muss.»
Aida Shibli (42), Friedensarbeiterin, Palästina, lebt in Tamera/Portugal
_____________
Die Statements wurden aufgezeichnet von: Anselm Betz, Jeshua Dreyfus, Selina Fehr, Helen Long und Naila von Mendelssohn im Rahmen einer zweiwöchigen Ausbildung in Friedensjournalismus auf der Schweibenalp. Die Ausbildung findet jedes Jahr im Herbst parallel zum Green-Phoenix-Kongress statt, auf dem sich FriedensarbeiterInnen, ÖkodorfInitianten und Umwelt-AktivistInnen zum Gedankenaustausch treffen. www.greenphoenixglobally.org
18. Dezember 2014
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