No, he can’t

Barack Obama wird die Probleme des Finanzsystems nicht lösen. Einerseits wurde er mit dem Geld der Finanzelite gewählt. Und andrerseits zeigen seine zweifelhaften Personalentscheide: An der Wall-Street geht das alte Spiel einfach in eine neue Runde. Obama bleibt vermutlich die Rolle des Predigers, hinter dessen hoffnungsvollen Worten die Finanz-Rambos eine schöne neue Weltordnung zur Rettung der amerikanischen Hegemonie vorantreiben.
   

Ja, auch ich gehörte zu den Millionen von Menschen, die am 4. November den Ruck verspürten, der das Machtgefüge auf der Welt zugunsten der Menschen wie du und ich zu verschieben schien. Seine brilliante Rede am Ende der Wahlnacht zerstreute kurzfristig meine Zweifel, die durch seinen fast unglaublichen Aufstieg genährt worden waren. Wie konnte ein mittelloser, schwarzer Nobody, zwar blitzgescheit und charismatisch, das Zentrum der Macht so scheinbar mühelos erobern? Die Antwort: Er hat es nicht erobert, er wurde von ihm vereinnahmt.

Dies zeigte sich schon am Tag nach der Wahl mit der Ernennung von Rahm Emanuel zu seinem Stabschef. Der neue Türsteher im Weissen Haus ist bekennender Falke und ein Polit-Rambo erster Ordnung mit Erfahrungen und Beziehungen in den drei entscheidenden Bereichen der Machtpolitik: den Geheimdiensten, der Globalfinanz und der Gesetzgebung. 1991 diente er während des Golfkriegs als Frewilliger in der israelischen Armee. 1993 bis 1998 war er strategischer und politischer Berater von Präsident Clinton und in dieser Funktion für die Anstellung von Monica Lewinsky zuständig, deren Aufgabe es vermutlich war, Clinton in eine Honigfalle zu locken und erpressbar zu machen. Aber das sind Gerüchte. Kein Gerücht ist allerdings die Entlassung von Emanuel 1998, offenbar wegen Verbindungen zum israelischen Geheimdienst Mossad, die von einem gewissen John O’Neill aufgedeckt wurden. Das ist derselbe FBI-Beamte, der auch den Verbindungen von Osama Bin Laden zu amerikanischen Geheimdiensten auf der Spur war, 2001 enerviert den Dienst quittierte und wenig später als Sicherheitschef des World Trade Centers in den Türmen ums Leben kam. Emanuel seinerseits wurde Investmentbanker und machte in den drei Jahren bis zu seiner Wahl in den Kongress 2001 ein hübsches Vermögen von mindestens 18 Mio. Dollar. Als Kongressabgeordneter war Emanuel ein scharfer Befürworter des Kriegs gegen den Irak und der Aufstockung des Pentagon-Budgets, und als Führer des demokratischen Wahlkampfkomitees sorgte er für grosszügige Unterstützung der konservativen Kandidaten. Wie unbelehrbar dieser Mann ist, offenbarte er in einem Interview mit dem Journaisten Tim Russert, in dem er sagte, er würde den Krieg gegen den Irak auch im Wissen befürworten, dass das Land keine Massenvernichtungswaffen besitze. Es erstaunt nicht, dass Emanuel nach einem Bericht des «Center for Responsive Politics» der «wichtigste Empfänger von Spenden von Hedge Funds, Private-Equity-Firmen und grossen Investmentbanken» war.


Obamas «Wandel» wird vor allem der Finanzindustrie zugute kommen, das zeigen zwei weitere Entscheidungen: Lawrence Summers als Chef des Nationalen Wirtschaftsrates und Timothy Geithner als Finanzminister. Als Chefökonom der Weltbank von 1991 bis 1993 erlangte Summers mit seiner Idee der «unterverschmutzten Entwicklungsländer» weltweite Bekanntheit. Tatsächlich schlug Summers den Export von Giftmüll in Drittweltländer vor, weil dort die Lohnkosten und die Lebenserwartung tief seien. Im Klartext bedeutet diese Politik, wie Michel Chossudovsky, Ökonomieprofessor an der Universität Ottawa schreibt, «dass der Marktwert der Menschen in der Dritten Welt viel geringer ist.» Besonders verhängnisvoll wirkte Summers als Mitarchitket der berüchtigten Strukturanpassungsprogrammen («Structural Adjustment Programs») des Int. Währungsfonds (IWF), mit denen die Entwicklungs- und Schwellenländer zu weitgehenden Privatisierungen und damit einem Ausverkauf des Volksvermögens gezwungen wurden.
Seine ganz grosse Zeit erlebte Summers aber 1999 als Finanzminister unter Clinton, als er das Glass-Steagull-Gesetz zu Fall brachte und das Gesetz zur Modernisierung der Finanzdienstleistungen durchboxte, das er als «legislative Grundlage des Finanzsystems des 21. Jahrhunderts» bezeichnete. Tatsächlich wurden damit neuartige Finanzprodukte vor Regulierung geschützt und Insidergeschäften Tür und Tor geöffnet. Das Glass-Steagull-Gesetz wurde in der Grossen Depression erlassen und bezweckte die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken zur Verhinderung von Insidergeschäften. Diese Modernisierung war der Brandbeschleuniger der finanziellen Kernschmelze, die wir jetzt erleben.
Tim Geithner, zuletzt Chef der Federal Reserve Bank of New York, der einflussreichsten privaten Finanzinstitution, handelte 1997 u.a. mit Summers den «Rettungsplan» des IWF für Südkorea aus, als das Land nach Spekulationen der grossen Wall-Street-Banken gegen seine Währung vor dem Finanzkollaps stand. Chossudovsky: «Die Truhen der koreanischen Zentralbank wurden geplündert. (…) Dieselben Institutionen, die früher gegen den koreanischen Won spekuliert hatten, steckten nun das IWF-Rettungsgeld ein. Es war Betrug.»


Dieselben Burschen, die unter Clinton die Voraussetzungen für die spekulativen Exzesse der letzten zehn Jahre schufen, sollen also die USA aus der Krise führen – nach dem Motto: Sozialhilfe für die Reichen und ihre Gehilfen, Härte für alle andern. Indem noch mehr virtuelles Geld in die Krisenwirtschaft gepumpt wird, können die Profiteure des Systems ihre wertlosen Papiere im Schatten eines Zwischenhochs der Aktienmärkte in reale Werte umwandeln. Und wenn die unvermeidlichen Härten der Krise in den Niederungen des Mainstreams landen, kommt ein Präsident, der in salbungsvollen Worten Hoffnung verbreiten kann, zur Beruhigung der Massen natürlich sehr gelegen. Es erstaunt denn auch nicht, dass die Finanzindustrie der grösste Sponsor von Obamas Wahlkampf war. Noam Chomskys Fazit: «Obamas Botschaft von ‹Hoffnung› und ‹Wandel› war eine leere Tafel, auf der seine Anhänger ihre Wünsche schreiben konnten.» Und Chossudovsky: «Was wir erleben, ist Kontinuität. Obama bietet ein humanes Antlitz für den status quo. Dieses humane Antlitz führt die Amerikaner bezüglich des Wesens des ökonomischen und politischen Prozesses in die Irre.»
Zu gerne hätte auch ich Obama als neuen Lincoln oder Kennedy gesehen, die ihr Volk begeistern und zu neuen Ufern führen konnten. Würde Obama mit dem von ihm propagierten Wandel ernst machen, käme er um eine Beschneidung der Macht der Banken und einer Beschränkung ihrer Zinsgeschäfte mit der Regierung nicht herum. Lincoln hat dies mit der Einführung der berühmten Greenbacks getan. Kennedy kam gar nicht mehr dazu, seine geplante Finanzreform umzusetzen. Amerikanische Präsidenten, die sich mit den Banken anlegen, leben gefährlich. Dies zeigt auch das Beispiel von James Garfield, der 1881 kurz nach folgender Erklärung erschossen wurde: «Wer auch immer die Geldmenge kontrolliert, ist in jedem Land der absolute Herr über die gesamte Industrie und den Handel … Und wenn man sieht, wie das gesamte System auf die eine oder andere Weise ganz leicht von nur wenigen mächtigen Männern an der Spitze kontrolliert werden kann, dann braucht einem niemand zu erzählen, wie Zeiten von Inflation und Deflation entstehen.»Schon deswegen kann man über Obama nur sagen: «No, he can’t.» Entweder er lässt den Wandel fallen oder überlebt ihn nicht.
31. Dezember 2008
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