Schöne, bessere Welt

Wir haben ein zu düsteres Bild von der Welt, und das tut uns nicht gut. Der inzwischen verstorbene Professor Hans Rosling hat ein simples Rezept dagegen.

Krisen, Kriege, Katastrophen: mehr als die Hälfte der täglichen Nachrichten fokussieren aufs Negative. Dabei ist die Welt gar nicht so schlecht dran, sagt Rosling. (Bild: Klaus Petrus)

Die extreme Armut hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf der ganzen Welt mehr als halbiert; die durchschnittliche Lebenserwartung liegt weltweit bei 70 Jahren; heute sind 80 Prozent aller einjährigen Kinder geimpft; genauso hoch ist Anteil an Menschen mit Zugang zu Strom; 30-jährige Frauen besuchen weltweit im Schnitt neun Jahre die Schule – und so weiter.

Was sich wie Nachrichten aus einer rosaroten «Tagesschau« anhört, sind nichts anders als «bloody facts», so der im vergangenen Jahr verstorbene schwedische Gesundheitsprofessor Hans Rosling. Unermüdlich häufte er Daten und Statistiken an, um gegen die, wie er sie nannte, «überdramatisierte Weltsicht» anzukämpfen – eine Weltsicht, die aus Vorurteilen bestehe und vor allem das Schlechte betone. Dagegen verordnete Rosling den Menschen eine gehörige Portion Fakten als Therapie: «Denn die Welt ist nicht so dramatisch, wie sie scheint.» Als «Optimist vom Dienst» mochte er gleichwohl nicht bezeichnet werden; dann lieber als Realist mit einem ausgeprägten Sinn für eine «faktenbasierte Weltsicht», für «Factfulness», wie das letzte Buch und zugleich Vermächtnis von Rosling heisst.Man möchte meinen, hier agiert ein Professor vom Schreibtisch aus und hat deshalb vielleicht selbst eine arg verzerrte Wahrnehmung auf die Welt. Was aber nicht stimmt, denn Rosling hat als Arzt zwei Jahrzehnte lang und unter teils schwierigen Bedingungen in Afrika gearbeitet. Auch ist er sich sehr wohl bewusst, dass alle Daten und jede Statistik – also auch die von ihm herbeizitierten – niemals «rohe Fakten» sind, sondern immer interpretiert werden müssen. Und genau dort setzt Rosling seine Frage an: Wieso eigentlich neigen wir Menschen dazu, vieles so negativ zu interpretieren? Weil unser Gehirn nun einmal so funktioniert.

Wir sind, so Rosling, evolutionsbiologisch darauf geeicht, Gefahren zu sehen und das Schlimme vorwegzunehmen, um uns davor zu schützen. Also nehmen wir negative Informationen viel eher wahr als positive. Diese Disposition hat gemäss Rosling unterschiedliche Instinkte hervorgebracht: so etwa den Instinkt der Angst, der Verallgemeinerung oder Schuldzuweisung, aber auch den «Instinkt der geraden Linie» und damit die Annahme,, dass sich alles Verheerende auch weiterhin linear verheerend entwickelt, oder den Instinkt der Kluft, der darin besteht, immerzu extreme Unterschiede zwischen Polen (wie arm und reich) zu vermuten.

Für Rosling liegt auf der Hand: Es ist nicht bloss eine Vielzahl von Menschen, die sich diesen Instinkten unterwirft. Auch Politik und Medien tragen erheblich dazu bei, dass unsere Weltsicht zusätzlich dramatisiert wird. Zusammen mit seinem Sohn Ola und dessen Frau Anna hat Rosling deshalb die Stiftung «Gapminder» gegründet. Ihr Ziel ist es, die genannten Instinkte in andere Bahnen zu lenken, sodass wir offen werden für eine Sicht der Dinge, die differenzierter, realistischer und damit am Ende eben auch positiver ist.

In seinem Anliegen ist Rosling ein waschechter Aufklärer. Er genügt sich nämlich nicht allein damit, uns Irrtümer vor Augen zu führen; er möchte auch unser Verhalten ändern. Denn der Fokus aufs Negative sei für uns nicht etwa Ansporn, gegen das Elend der Welt anzukämpfen, wovon es auch gemäss Rosling immer noch zu viel gibt, im Gegenteil: diese Sicht verleite bloss dazu, dass wir resignieren und uns einreden, wir könnten sowieso nichts dagegen tun. Aber führt allein das Wissen um Fakten schon zu einem veränderten Handeln? Man mag bezweifeln, ob der Mensch ein derart rationales Wesen ist, wie sich dies Rosling erhofft. Wir alle kennen das: Selbst wenn wir es besser wissen, handeln wir doch oft genug nicht danach – weil wir zu bequem sind, weil uns anderes wichtiger ist oder weil uns alles so fürchterlich kompliziert erscheint.
In diesem aber dürfte Rosling recht behalten: Sich informieren ist immer der erste Schritt, und: Wenn wir ein sicheres, auf Tatsachen basierendes Gerüst haben, so wird es uns gewiss ein bisschen leichter fallen, die Welt und unseren Platz darin besser zu verstehen.

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Hans Rosling: Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist. Ullstein: Berlin 2018, CHF 36.90.