Dafür oder dagegen?
Für und gegen den Freitod?
Für und gegen die freie Liebe?
Für und gegen die freie Liebe?
Sterben, ohne stigmatisiert zu werden
Von Heinz Rüegger
Ich halte es für legitim, dass Menschen, die absolut keine andere Option für sich mehr sehen, so aus dem Leben scheiden dürfen, wie sie das wünschen. Ob dies nun durch assistierten Suizid oder durch passive Hilfeleistungen wie beim Sterbefasten geschieht, spielt aus ethischer Sicht letztlich keine Rolle. Als protestantischer Theologe vertrete ich diesbezüglich allerdings eine liberalere Position als meine katholischen Kollegen.
Was die Frage angeht, ob Sterbehilfeorganisationen auch sogenannten Lebenssatten einen assistierten Suizid anbieten sollten, so wird uns dieses Thema in Zukunft noch mehr beschäftigen – dies nicht zuletzt, weil die Menschen immer älter werden. Ich bin hier eher zurückhaltend. Gott zwingt niemanden zum Leben. Als letzter Ausweg ist dies aus theologischer Sicht sicher vertretbar. Wenn wir aber die bisherigen Grundanliegen des assistierten Suizids ernst nehmen wollen, dann dürfen wir den Bogen nicht überspannen. Ich finde es beispielsweise richtig, dass man für das nötige Medikament ein ärztliches Rezept braucht und es sich nicht einfach in der nächsten Apotheke besorgen kann. Solche Sicherheitsschranken solle man beibehalten.
Dass wir in Zeiten leben, in denen der Freitod nicht mehr wie einst tabuisiert und verteufelt wird, ist grundsätzlich eine sehr begrüssenswerte Entwicklung. Ich möchte den Suizid aber auch nicht bagatellisieren. Damit das System der Sterbehilfe funktioniert, braucht es drei Komponenten: Prophylaxe, Akzeptanz, Assistenz; und zwar in dieser Reihenfolge. An erster Stelle sollte die Suizidprophylaxe stehen. Aber es ist doch heuchlerisch zu leugnen, dass ein wohlüberlegter Suizid für Menschen in gewissen Situationen Sinn machen kann. Diese Menschen sollten diese Möglichkeit haben, ohne stigmatisiert zu werden. Ein assistierter Suizid ist allemal besser, als sich vor den Zug zu werfen.
Der Autor ist Theologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Neumünster; seine Ansichten sind einem Interview entnommen, das im Mai in der «Luzerner Zeitung» erschien.
Selbstbestimmt – bis zuletzt.
Von Jürg Wiler
Dass mit der gestiegenen Lebenserwartung immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen, ist grundsätzlich positiv. Doch damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit von schweren Krankheiten. Und: Längst nicht alles, was die moderne Medizin zu leisten vermag, macht auch Sinn aus Sicht der betroffenen Patienten. Immer mehr Menschen wehren sich dagegen, im Falle einer schweren Erkrankung durch eine technisch perfektionierte Medizin gezwungen zu werden, weiter «leben» zu müssen.
Gleichzeitig kommt heutzutage eine Generation ins Alter, die sich gewohnt ist, selbstbestimmt über ihr Leben zu entscheiden. Dieses Recht wollen sie sich auch am Lebensende erhalten. Viele kommen zum Schluss, dass – wenn das ganze Leben in die Verantwortung eines Menschen gestellt ist – diese auch für die letzte Phase seines Lebens gelten soll. So gelangen kranke Menschen, die ihr Leiden nicht mehr aushalten, an Exit.
Die Organisation verlangt, dass ein Arzt die Urteilsfähigkeit schriftlich bestätigt. Der Sterbewunsch ist dann autonom, wenn er unbeeinflusst von Dritten oder unter Druck gefasst worden ist. Die Bedingungen der Wohlerwogenheit und Konstanz sollen sicherstellen, dass der Entscheid durchdacht ist und nicht das Resultat einer momentanen depressiven Verstimmung oder Krise. Hoffnungslose Prognose, unerträgliche Beschwerden oder unzumutbare Behinderung sind Bedingungen, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, sondern die Exit selber in die Statuten aufgenommen hat.
Die fachlich kompetente Freitodhilfe ist nur eine der Leistungen. Der Hauptpfeiler ist die Patientenverfügung. Weiter unterstützt der nicht gewinnorientierte Verein mit der eigenen Stiftung palliacura die Palliative Care. Zudem berät ein Team mehrere Tausend Menschen pro Jahr, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden, was eine suizidpräventive Wirkung hat. Niemand gibt sein Leben leichtfertig weg. Hingegen kann ein «Notausgang» Ruhe und Sicherheit geben. Und wenn jemand persönlich gegen Freitodhilfe ist, darf er nicht dagegen sein, dass jemand anders sie wünscht.
Der Autor ist Vorstandsmitglied des Schweizer Sterbehilfevereins Exit.
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Viel Liebe, viel Energie
Von Sebastian Leugger
Gottes Liebe mag unendlich sein, und unsere fühlt sich manchmal so an. Aus physikalischen Gründen sind jedoch Zweifel angebracht: Liebe ist, scheint´s, Energie. Und Energie haben wir hienieden nur begrenzt viel. Wenn etwas begrenzt ist, muss es aber noch lange nicht knapp sein. Sand am Meer ist auch begrenzt. Muss also Liebe knapp sein? Ich sage: Nein. Denn schaut: Liebe spriesst überall, wo die Sonne hinscheint und es ein bisschen feucht und warm ist.
Liebe wird künstlich verknappt - z.B. durch Institutionen wie die Monogamie. Wenn vom Kirschbaum in Nachbars Garten ein Ast zu uns herüberwächst, zwingt uns diese Institution, ihn abzusägen. Oder wenigstens die Kirschen daran verfaulen zu lassen. Solcher Unsinn verdirbt uns die Lust an der Gartenarbeit. Wir bleiben im Haus. Mit der Zeit verkümmert unser Meertrübelistrauch und sogar der Aprikosenbaum. Und bevor am Ende noch wilde Brombeeren wachsen, kippen wir alles mit einer Ladung Schotter zu.
Polyamorie ist ein Versuch, wieder Leben in unsere Gärten zu bringen. Und zwar in drei Schritten.
Schritt 1: Das Regelbuch der Monogamie wegwerfen.
Schritt 2: Noch einmal ins Physikbuch schauen. Dort steht: Energie = Arbeit. Liebe spriesst bei Sonnenlicht, aber gedeiht nur durch Arbeit. Das heisst schon mal die Ärmel hochkrempeln!
Schritt 3: Raus in die Gärten! Und dann nicht nur schnausen, sondern auch schaffen! Manche pflegen ihren Garten der Einsamkeit und verschenken im Sommer Zwetschgen und im Herbst Äpfel an das ganze Quartier. Andere arbeiten in ihrem Garten der Zweisamkeit, stiebitzen hie und da Walderdbeeren aus der Hecke der Nachbarn und stellen ihnen dafür einmal im Jahr einen Korb Birnen hin. Wieder andere experimentieren mit Gärten der Drei-, Vier-, Fünfsamkeit, bewirten an ihren Gartenfesten die halbe Nachbarschaft, und sind manchmal froh, wenn man ihnen beim Jäten hilft.
Poly heisst viel. Es heisst nicht wie viel genau. Eins oder Zwei ist je nachdem auch schon viel. Polyamorie ist eine Einladung an alle, das selbst herauszufinden. Das ist Arbeit. Der Rest ist Sonnenschein.
Monogamie: kein Modell, eine Haltung
Von Linda Biedermann
Ist es nicht erstaunlich, wie viele Ehen und Liebesbeziehungen zerbrechen? Mich wundert es nicht! Wir verlieren uns in dieser unverbindlichen Welt und werden zu Narren der Selbstgerechtigkeit. Das Ego diktiert, was wir wollen und wie wir leben, als ob wir auf einer einsamen Insel glücklich werden könnten.
Aber mit der Verneinung grundlegender Werte der Verbindlichkeit und der Auflösung der zwischenmenschlichen Strukturen destabilisieren wir nicht nur uns, sondern auch die Gesellschaft. Das Resultat ist eine grosse Verunsicherung und eine um sich greifende Vereinsamung. Was das kostet, werden wir erst noch sehen.
Die Paartherapeuten sprechen von Beziehungsmodellen. Aber Monogamie ist kein Modell, das man beliebig austauschen kann. Monogamie ist eine Haltung: Ja, ich will, und ich will mit dir.
Das Versprechen allein bedeutet nicht, dass es auch wahr wird. Aber in einer monogamen Beziehung bin ich viel weniger durch Äusseres abgelenkt. Ich vergeude meine Kraft nicht auf der Pirsch, sondern kann sie für mich behalten und konstruktiv einsetzen. Und schliesslich lerne ich auch, etwas auszuhalten und gemeinsam mit dem Partner neue Wege zu finden, die mir verschlossen geblieben wären, wenn ich einfach die Spur gewechselt hätte.
Davon profitieren wir nicht nur als Individuen, sondern auch unsere Kinder, Bekannten, Nachbarn, Kollegen und die Gesellschaft als Ganzes. Wer verbindlich ist, wird erst fähig zur Freiheit.
Ich verurteile die Freie Liebe nicht. Aber sie hat ausgedient. Wir sind sexuell befreit. Die Liebe vom Ego befreien, das muss jeder für sich. Das geht besser mit einem Partner, nicht mit vielen. In der Monogamie eben.
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