Schweiz: NATO oder Neutralität, das ist die Frage
Parallel zum NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens nähert sich auch die Schweiz dem Militärpakt weiter an, kauft teure F-35-Kampfjets und sucht nach neuen Kooperationsformen. Bereits ein Drittel der Bevölkerung befürwortet einen NATO-Beitritt.
Parallel zum bevorstehenden NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens bereitet die Schweiz ihre weitere Annäherung an den westlichen Militärpakt vor. Man strebe „neue Formen der Zusammenarbeit“ zwischen der Schweiz und der NATO an, erklärt Verteidigungsministerin Viola Amherd; das sei trotz der offiziellen Neutralität des Landes ohne weiteres möglich.
Konkrete Vorschläge für einen Ausbau der Kooperation sollen im September vorgelegt werden. Ungeachtet ihrer Neutralität arbeitet die Schweiz seit den 1950er Jahren mit der NATO zusammen, freilich zunächst vor allem informell und erst seit ihrem Beitritt zum Partnership for Peace-Programm des westlichen Bündnisses 1996 in aller Form.
Man verfüge längst über „gemeinsame Taktiken, Techniken und Verfahren für Missionen“, hiess es anlässlich eines aktuellen Luftwaffenmanövers von NATO-Staaten, an dem eine Schweizer Fliegerstaffel teilnimmt.
Einer weiteren Annäherung an die NATO dient nicht zuletzt der Kauf von F-35-Kampfjets, den Bern im Sommer 2021 beschlossen hat, gegen den sich aber Protest erhebt. Der Ukraine-Krieg erleichtert es, die NATO-Annäherung zu legitimieren.
Die Schweiz hat ungeachtet ihrer traditionellen Neutralität immer gedeihliche Beziehungen zur NATO unterhalten, wenngleich dabei seit den 1950er Jahren „inoffizielle Kontakte“ die Regel waren – allerdings „durchaus auf allen Stufen“, wie es in einem Überblick über die Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen heißt.
Offizielle Absprachen mit der NATO über ein gemeinsames Vorgehen im Fall eines Krieges gegen die Staaten des Warschauer Vertrags, auf die die USA zeitweise gedrungen hätten, habe Bern stets abgelehnt; doch habe „das überragende gegenseitige Interesse, das schweizerische Territorium nicht zu einer potenziellen Einfallsachse für die ... Streitkräfte des Warschauer Paktes werden zu lassen“, schon früh zu Absprachen „informeller ... Natur“ etwa über „Anschlusspunkte“ entlang der deutsch-schweizerischen Grenze „für den Schulterschluss benachbarter Verbände“ oder bezüglich des „Austausch[s] von Radardaten“ geführt.
Später habe sich unter den neutralen bzw. blockfreien Staaten „immer wieder“ eine „Übereinstimmung der schweizerischen mit insbesondere amerikanischen Positionen“ gezeigt, heißt es weiter; die Schweiz habe aus diesem Grund stets als „westlicher Neutraler“ gegolten. …
Aktuell nimmt Bern den Ukraine-Krieg zum Anlass, um die Beziehungen zur NATO weiter aufzuwerten. In der vergangenen Woche hielt sich Verteidigungsministerin Viola Amherd in den Vereinigten Staaten auf und verhandelte dort mit der stellvertretenden Außenministerin Kathleen Hicks über etwaige „Möglichkeiten einer noch engeren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit“; Details wurden nicht bekannt (NZZ)
Zudem stellte Amherd eine intensivere Kooperation mit der NATO in Aussicht: Man strebe „neue Formen der Zusammenarbeit“ an; dazu lasse die Schweizer Neutralität immer noch „einen gewissen Handlungsspielraum“ (Tagesanzeiger). Berichten zufolge sind zum Beispiel regelmäßige Treffen nicht nur von Politikern, sondern auch von militärischen Befehlshabern beider Seiten im Gespräch.
Ein offizieller Bericht, der konkrete Optionen vorschlägt, soll bis Ende September vorgelegt werden. Lediglich der förmliche Beitritt zur NATO gilt als mit der Neutralität unvereinbar und daher – zumindest vorläufig – als ausgeschlossen.
Umfragen zeigen, dass der Ukraine-Krieg sowie die Berichterstattung über ihn die Zustimmung zu einer engeren Kooperation mit der NATO von einem langfristigen Durchschnitt von 37 Prozent auf jetzt 56 Prozent in die Höhe schnellen ließen. Sogar ein NATO-Beitritt, den bislang nur 21 Prozent befürworteten, würde heute von 33 Prozent der Schweizer Bevölkerung gebilligt.
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