Ähnlich wie Biden ist auch die NATO überaltert und ungeeignet für die Führung
Während der NATO-Gipfel zu Ende ging, konzentrierten sich die Medien auf Bidens Alter und seine kognitiven Fähigkeiten. Eine ernsthafte Diskussion über das fortgeschrittene Alter der NATO und ihre Fähigkeit, die «freie Welt» zu führen, fand nicht statt.
Mit 75 Jahren ist die NATO nicht gut gealtert. Bereits 2019 schlug der französische Präsident Emmanuel Macron Alarm und beschuldigte die NATO, «hirntot» zu sein. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat der NATO zwar neuen Auftrieb gegeben, aber die Umarmung der Ukraine durch die NATO macht den Konflikt - unddie Welt - nur noch gefährlicher.
Wir sollten uns daran erinnern, warum die NATO gegründet wurde. Als sich nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs die Konturen des Kalten Krieges abzeichneten, schlossen sich 1949 zehn europäische Staaten sowie die USA und Kanada zusammen, um ein Bündnis zu gründen, das die sowjetische Expansion verhindern, das Wiederaufleben des nationalistischen Militarismus in Europa durch eine starke nordamerikanische Präsenz auf dem Kontinent stoppen und die politische Integration Europas fördern sollte. Oder, wie der erste Generalsekretär der Allianz, Lord Ismay, witzelte, ihr Ziel sei es, «die Sowjets draussen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten».
Es ist nun Jahrzehnte her, dass sich die Sowjetunion aufgelöst hat und die europäischen Staaten gut integriert sind. Warum hält die NATO also immer noch daran fest? Als die Sowjetunion 1991 zusammen mit ihrem Militärbündnis, dem Warschauer Pakt, zusammenbrach, hätte die NATO den Sieg erklären und sich auflösen können und müssen. Stattdessen ist sie von 16 Mitgliedern im Jahr 1991 auf heute 32 Mitglieder angewachsen.
Die Osterweiterung verstiess nicht nur gegen die Versprechen, die Aussenminister James Baker dem sowjetischen Führer Michail Gorbatschow gegeben hatte, sondern war auch ein schwerer Fehler. Der US-Diplomat George Keenan warnte1997: «Die Erweiterung der NATO wäre der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Nachkriegszeit».
In der Tat rechtfertigt die NATO-Erweiterung zwar nicht den illegalen Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022, aber sie hat Russland provoziert und die Spannungen verschärft. Die NATO-Mitglieder spieltenauch eine Schlüsselrolle beim Staatsstreich in der Ukraine 2014, bei der Ausbildung und Bewaffnung der ukrainischen Streitkräfte zur Vorbereitung des Krieges mit Russland und bei der Unterdrückung von Verhandlungen, die den Krieg in den ersten beiden Monaten hätten beenden können.
Nach zwei Jahren brutalen Krieges konzentrierte sich der NATO-Gipfel auf die Frage, wie die Ukraine in ihren Bemühungen, Russland zurückzudrängen, gestärkt werden kann. Das Beharren auf einem «Trump-sicheren» Szenario, das der Ukraine auf Jahre hinaus Milliarden an Militärhilfe und einen «unumkehrbaren Weg» zur NATO-Mitgliedschaft garantieren würde, ist in Wirklichkeit eine Garantie dafür, dass sich der Krieg noch jahrelang hinziehen wird – gerade weil die NATO-Mitgliedschaft Russlands wichtigstes Anliegen ist. Auf dem Gipfel wurde nicht darüber gesprochen, wie der Krieg durch einen Waffenstillstand und Friedensgespräche beendet werden kann. Warum? Weil die NATO ein Militärbündnis ist. Das einzige Werkzeug, das sie hat, ist ein Hammer.
Wir haben in den letzten 30 Jahren erlebt, wie die NATO diesen Hammer in einem Land nach dem anderen unrechtmässig und erfolglos eingesetzt hat. Von Bosnien und Serbien bis hin zu Afghanistan und Libyen hat die NATO diese Gewalt und Instabilität mit der Verteidigung der «regelbasierten Ordnung» gerechtfertigt, während sie gleichzeitig wiederholt gegen die wichtigsten Regeln der UN-Charta verstossen hat.
Die NATO ist heute ein militärisches Ungetüm mit Partnern weit jenseits des Nordatlantiks, die den Globus von Kolumbien über die Mongolei bis Australien umspannen. Sie hat sich als aggressives Bündnis erwiesen, das ohne internationalen Konsens Kriege anzettelt und eskalieren lässt, die weltweite Instabilität verschärft und Waffengeschäften Vorrang vor humanitären Bedürfnissen einräumt. Die NATO bietet den USA einen Deckmantel für die Stationierung von Atomwaffen in fünf europäischen Staaten und bringt uns damit dem Atomkrieg näher, was einen Verstoss gegen den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und den Vertrag über das Verbot von Kernwaffen darstellt. Die NATO gefährdet uns alle in einem verzweifelten Versuch, die globale Hegemonie der USA in einer nunmehr multipolaren Welt wiederherzustellen.
Der 75. Jahrestag der NATO ist ein günstiger Zeitpunkt, um eine Bestandsaufnahme der überholten Weltanschauung der NATO und der Verstösse gegen das Völkerrecht vorzunehmen. Die NATO sollte zu Grabe getragen werden, damit wir den richtigen Ort für die Bewältigung globaler Konflikte wiederbeleben und demokratisieren können: die Vereinten Nationen.
Medea Benjamin ist Mitbegründerin der von Frauen geführten Friedensgruppe CODEPINK und Mitbegründerin der Menschenrechtsgruppe Global Exchange. Sie ist die Autorin von 11 Büchern, darunter «War in Ukraine: Making Sense of a Senseless Conflict», gemeinsam verfasst mit Nicolas J.S. Davies. Ihr neuestes Buch, das sie gemeinsam mit David Swanson verfasst hat, ist «NATO: What You Need to Know.»
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