Schande über diejenigen, die die Bergung von sechs Leichen israelischer Geiseln als Erfolg bezeichnen! Schande über diejenigen, die glauben, dass militärischer Druck Geiseln rettet – militärischer Druck tötet sie! Schande über diejenigen, die die Plünderung des Gazastreifens und die Tötung von Zehntausenden von Gaza-Bewohnern preisen!

Diejenigen, die im ganzen Land für eine Einigung demonstrieren, darunter auch die Familien der Geiseln, werden als Verräter betrachtet. Screenshot von Friedensmarsch in Jerusalem

Um es klar zu sagen: Der erste Geisel-Deal im November 2023 kam nicht dank des militärischen Drucks zustande, sondern der militärische Druck verzögerte diesen Deal um mindestens zwei Wochen. Ich sage das mit 100-prozentiger Gewissheit. Es wäre damals möglich gewesen, Dutzende weiterer Geiseln im November 2023 zu retten, aber Premierminister Benjamin Netanjahu und die Armeechefs wollten den Krieg verlängern, um mehr militärischen Druck auszuüben. Das aber führte zur Tötung weiterer Geiseln und vieler unschuldiger Palästinenser. Netanjahu begeht Verbrechen gegen Israel, gegen das israelische Volk und natürlich auch gegen das palästinensische Volk. Dieser Krieg muss beendet werden, und es ist Netanjahu, der dies verhindert.

Im Gazastreifen befinden sich noch 109 israelische Geiseln, von denen ein Grossteil wahrscheinlich nicht mehr leben. Um sie nach Hause zu holen, muss ein Abkommen mit der Hamas geschlossen werden. Dazu gehört, dass der Krieg beendet wird und Israel sich aus dem Gazastreifen zurückzieht. Dieser Krieg muss endlich beendet werden.

Hätten wir gewusst, dass keine Armee an der Grenze stehen würde, hätten wir 10 000 Kämpfer geschickt und Tel Aviv erobert.

Es ist möglich, Sicherheitsvereinbarungen zu treffen, die Israel schützen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das, was am 7. Oktober passiert ist, nicht passiert wäre, wenn 10 bis 15 Panzer an der Grenze und drei Kampfhubschrauber in der Luft gewesen wären. Das wäre nötig gewesen, um zu verhindern, dass 3 000 mordende und plündernde Hamas-Kämpfer und andere Kriminelle an diesem schrecklichen Tag nach Israel eindringen. Als die Hamas-Kämpfer die israelische Grenze durchbrachen, waren sie schockiert, dass es keine israelische Armee gab, die sie am Eindringen hinderte.

Ein Hamas-Führer erzählte mir, dass sie 1 500 der Elitekämpfer (Nukhba) nach Israel schickten und damit rechneten, dass 1 000 von ihnen getötet würden. Dieselbe Person sagte: «Hätten wir gewusst, dass keine Armee an der Grenze stehen würde, hätten wir 10 000 Kämpfer geschickt und Tel Aviv erobert.»

Was am 7. Oktober 2023 geschah, war das Ergebnis krimineller Nachlässigkeit, Arroganz und politischer Entscheidungen, die die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) jahrzehntelang zur Polizei der Besatzung und der Siedlungen gemacht haben. Die IDF können die Grenzen Israels schützen, und sie hätten Israel am 7. Oktober schützen können, wenn sie dort gewesen wären.

Die Armee und alle israelischen Sicherheitsdienste tragen die direkte Verantwortung für das Versäumnis, die eindeutigen nachrichtendienstlichen Hinweise auf einen solchen Angriff ernstzunehmen. Die Chefs der Armee und der Geheimdienste haben behauptet, die Verantwortung zu übernehmen, aber fast keiner von ihnen ist bisher zurückgetreten. Netanjahu weigert sich, die direkte Verantwortung zu übernehmen, und verweist immer wieder auf die Armee und die Geheimdienste. Aber er ist der Chef, und er ist verantwortlich. Sein Tag wird kommen.

Netanjahu ist auch direkt dafür verantwortlich, dass den Unterhändlern, die er mit der Freilassung der Geiseln beauftragt hat, die Hände gebunden sind.

Anders als bei den Verhandlungen über die Freilassung von Gilad Shalit, der fünf Jahren in Gefangenschaft – der längsten, die ein Israeli in feindlicher Gefangenschaft verbracht hat. Damals wurde der zuständige Mossad-Agent David Meidan angewiesen: «Bringt ihn nach Hause!». Jetzt hat Netanjahu dem Chef des Mossad, dem Chef des Shabak und General Nitzan Alon nicht gesagt: «Bringt sie nach Hause!»

Soweit bekannt, hatten die Unterhändler auch nach den letzten Verhandlungsrunden noch immer kein Mandat für die Entscheidung, die Geiseln nach Hause zu bringen. Israel hatte einmal den Ethos, «niemanden zurückzulassen». Dieses Ethos ist zerbrochen – und mit ihm das Gefühl der sozialen Solidarität und der gegenseitigen Hilfe, die so sehr zu dem gehörten, was Israel ausmachte.

Die Frage der israelischen Geiseln ist durch Netanjahus eigene Propagandamaschine politisiert worden. Diejenigen, die im ganzen Land für eine Einigung demonstrieren, darunter auch die Familien der Geiseln, werden als Verräter betrachtet. Sie würden der Hamas helfen, Israel zu besiegen. Selbst Geiseln, die nach Hause gekommen sind, werden oft auf der Strasse von einigen Leuten angegriffen. Sie schreien sie an, dass es schade sei, dass sie überlebt haben. Diese Art von Verhalten war in Israel in der Vergangenheit nicht bekannt.

Israel wird nach dem 7. Oktober nicht mehr dasselbe sein. Es wird viele Jahre dauern, bis das Trauma überwunden ist, dass so viele Geiseln für das unerreichbare Ziel eines totalen Sieges geopfert wurden. Die Hamas ist als Militärmaschinerie und als Regierung weitgehend zerstört worden. Aber sie bleibt stark genug, um noch viele Jahre lang bewaffnete Aufstände zu führen und dabei viele israelische Soldaten zu töten.

Es liegt auf der Hand, dass es der Hamas umso leichter fallen wird, neue Kämpfer aus den Hunderttausenden von Menschen zu rekrutieren, die in diesem Krieg Familienangehörige verloren haben, sowie aus den Hunderttausenden, die ihre Häuser und ihr Eigentum durch israelische Bomben verloren haben – und das, je länger Israel in Gaza bleibt. Man sollte meinen, dass Israel aus seinem 18-jährigen Aufenthalt im Libanon seine Lektion gelernt hat. Aber offensichtlich nicht. Es gibt immer noch Führer in diesem Land und Offiziere in der Armee, die glauben, dass der totale Sieg in greifbarer Nähe ist und dass der israelisch-palästinensische Konflikt durch den Einsatz von Gewalt gelöst werden kann. Das ist nicht der Fall, und es hat nie eine militärische Lösung für diesen Konflikt gegeben.

Irgendwann werden wir neue Führer in Israel und in Palästina haben. Irgendwann werden wir verstehen, dass Israel niemals Sicherheit haben wird, wenn die Palästinenser keine Freiheit und Würde haben. Die Palästinenser werden keine Freiheit und Würde haben, wenn Israel keine Sicherheit hat. Um dies zu erreichen - Freiheit, Würde und Sicherheit für beide Völker - müssen wir, wir alle, unsere gescheiterten Führer absetzen - auf beiden Seiten und so schnell wie möglich.

Der Autor ist ein politischer und sozialer Unternehmer, der sein Leben dem Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn gewidmet hat. Er ist ein Gründungsmitglied der politischen Partei Kol Ezraheiha - Kol Muwanteneiha (Alle Bürger) in Israel.