Handys fliegen von der Schule

Eine Studie des Lehrstuhls für Schulpädagagogik der Uni Augsburg bestätigt: Schulen, die Handy-Verbote beschliessen, sind auf dem richtigen Weg.

In der Basler Zeitung vom 10.08.2024 stand:

Handys fliegen von der Schule. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Smartphones Teenager stärker schädigen als bisher angenommen. An der Oberstufe findet in der Schweiz ein Umdenken statt: Verbote werden mehrheitsfähig.

Smartphones sind in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig, auch unter Kindern und Jugendlichen. Ob dies positiv oder negativ zu sehen ist, wird gerade in pädagogischen Kontexten kontrovers diskutiert: Auf der einen Seite wird befürchtet, dass Smartphones das Lernumfeld stören und die Konzentration der Schüler verringern, während auf der anderen Seite auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, digitale Kompetenzen im Schulalltag zu integrieren und zu fördern. Folglich wird in vielen Ländern der Welt über Smartphone-Verbote an Schulen diskutiert.

Ergebnisse des Rapid-Reviews

Vielfach werden die Debatten ohne Rückgriff auf empirische Ergebnisse geführt. In einer aktuellen Untersuchung, die die Auswirkungen von Smartphone-Verboten an Schulen auf das soziale Wohlbefinden und die akademische Leistung untersucht, versuchen Tobias Böttger, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Augsburg, und Univ.-Prof. Dr. Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, dieses Desiderat in der Debatte zu beheben.

Es macht keinen Sinn, über solch weitreichenden Massnahmen zu diskutieren, ohne die Ergebnisse der empirischen Bildungsforschung zu berücksichtigen, argumentieren die Autoren.

Daher führten sie ein so genanntes Rapid Review durch, das sich das Ziel setzt, zeitnah Erkenntnisse für aktuelle bildungspolitische Entscheidungen mithilfe eines vereinfachten meta-analytischen Verfahrens zu liefern. Dabei kommen sie nach Analyse von fünf Studien aus Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden zu einem klaren Ergebnis: Ein Smartphone-Verbot hat positive Effekte, vor allem auf das soziale Wohlbefinden der Schüler (d = 0,22, p < 0,01) und in geringerem Maß auch auf die Lernleistungen der Schüler (d = 0,05, p = 0,30). Dazu bemerken Tobias Böttger und Univ.-Prof. Dr. Kaus Zierer:

Dieses Ergebnis bestätigt die Erfahrungen vieler Lehrkräfte vor Ort: Das Smartphone in der Tasche oder auf dem Tisch kann Lern- und Bildungsprozesse verhindern. Zudem verschlechtern Smartphones das soziale Klima in Schulen, indem sie Konflikte zwischen den Schülern befeuern.

 

Pädagogische Begleitung als Schlüssel zum Erfolg

Obwohl das Rapid Review die positiven Effekte eines Smartphone-Verbots zutage befördert, betonen die Autoren die Notwendigkeit einer pädagogischen Begleitung. «Ein blosses Verbot reicht nicht aus. Es ist wichtig, dass Schüler lernen, wie sie mit dieser Technologie verantwortungsbewusst umgehen», heisst es in der Untersuchung. Die Autoren empfehlen daher, das Verbot mit Bildungsmaßnahmen zu kombinieren, die die Medienkompetenz der Schüler fördern.

Es wichtig, mit Schülern über das Verbot zu sprechen, Regeln zu erklären und zu reflektieren und schrittweise Handlungsspielräume zu eröffnen, um so die Schüler Schritt für Schritt in eine Medienmündigkeit zu führen, erläutern Tobias Böttger und Univ.-Prof. Dr. Kaus Zierer.

Durch eine solche Kombination wird die positive Wirkung, die von Smartphone-Verboten an Schulen ausgeht, verstärkt und mit zunehmendem Alter der Schüler immer mehr Eigenverantwortung initiiert. «Das Ziel muss es sein, einen verantwortungsvollen Umgang mit Smartphones zu fördern und gleichzeitig ihre negativen Auswirkungen zu minimieren», resümieren Tobias Böttger und Univ.-Prof. Dr. Klaus Zierer.

Ausblick und weitere Forschung

Die Studie ruft zu weiterer Forschung auf, um die langfristigen Auswirkungen von Smartphone-Verboten noch besser zu verstehen und effektive pädagogische Strategien zu entwickeln. „Nur durch eine kontinuierliche Evaluierung und Anpassung der Maßnahmen können wir sicherstellen, dass die sozialen und akademischen Vorteile maximiert werden“, schliessen die Autoren.

Die Studie:

Böttger, T.; Zierer, K. To Ban or Not to Ban? A Rapid Review on the Impact of Smartphone Bans in Schools on Social Well-Being and Academic Performance. Educ. Sci. 2024, 14, 906. https://doi.org/10.3390/ educsci14080906

Website: https://www.mdpi.com/2227-7102/14/8/906
PDF Version: https://www.mdpi.com/2227-7102/14/8/906/pdf

Kommentare

Medienmündigkeit

von MS
Medienmündigkeit wird heute oft verwechselt mit, möglichst viele digitale Geräte nutzen. Stolz wird berichtet, dass das Kleinkind bereits besser mit Handy umgehen kann als man selbst. Das ist fatal. Kinder brauchen Erfahrungen in der echten, mit allen Sinnen wahrnehmbaren Welt. Bildschrim macht dumm, dazu gibt es auch Studien. Zum Thema Medienmündigkeit müssten v.a. viele Erwachsene, Lehrpersonen inklusive, selbst  ganz viel nachholen. Folgend ein paar informative Seiten, denn einfach blind konsumieren darf auch im digitalen Bereich nicht die Lösung sein:   https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung https://www.kuketz-blog.de/ https://www.privacytutor.de/blog/datenschutzhelden/ich-hab-nichts-zu-verbergen-doch/ https://kmj.at/blog/2021-05-21-umstieg-fediverse-matrix/ https://www.digitale-gesellschaft.ch/