Neutralität ist Frieden, NATO ist Krieg. Ein offener Brief an den Schweizer Bundesrat
Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, in den vergangenen Jahren haben Sie, die Schweizer Regierung, sich schrittweise, still und leise – und ohne öffentliche Diskussion – der NATO, der Nordatlantikvertrags-Organisation, angenähert.
Bereits heute verfügt die Schweiz über eine assoziierte Mitgliederdelegation mit sechs Sitzen in der Parlamentarischen Versammlung der NATO (NATO-PV). Siehe hier. Dies ist ein eindeutiger Schritt in Richtung einer antineutralen Schweiz.
Und undemokratisch, denn Sie, verehrte Schweizer Regierung, haben das Schweizer Volk nie konsultiert.
Die NATO wurde 1949 nach dem Zweiten Weltkrieg als Verteidigungspakt gegründet – hauptsächlich unter dem Vorwand, Europa vor den drohenden Gefahren der damaligen Sowjetunion, des heutigen Russlands, zu verteidigen.
Die NATO war DIE Organisation, die den Kalten Krieg förderte und die Menschen schon damals mit Angst vor einer drohenden Invasion der Sowjetunion indoktrinierte. Später erfuhr die Welt, dass es nie eine Gefahr einer Aggression der UdssR gegen Europa gegeben hatte, ganz zu schweigen von den Vereinigten Staaten.
Spätestens mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 hätte die NATO aufgelöst werden müssen. Der Warschauer Pakt, 1955 als Gegenstück zur NATO gegründet, wurde Anfang der 1990er Jahre aufgelöst.
Die NATO war kein Verteidigungsverband – die NATO ist eine Kriegsmaschine. Und Sie, sehr geehrte Bundesräte, wollen sich der Nato weiter annähern und ihren Allenfalls sogar beitreten?
1991 hatte die NATO 16 Mitgliedsstaaten. Heute hat die NATO 32 Mitglieder, davon 30 in Europa. Die einzigen transatlantischen Mitglieder sind die USA und Kanada. Heute ist die NATO auf über 800 US-Militärstützpunkten weltweit vertreten; fast 700 davon liegen in der Umgebung von Russland und China.
Wenn man an die fast 210 Jahre alte Neutralität der Schweiz (im Jahr 1815) zurückdenkt, so ist dieses Zitat aus einem internen CIA-Dokument vom 23. April 1955 [OCI Nr. 3377/55, Kopie Nr. 2] vielleicht eine wichtige Erinnerung an die Bedeutung der schweizerischen Neutralität:
Die Neutralität der Schweiz, wie sie im Wiener Vertrag vom März 2815 vorgesehen war, war kein neues Konzept, noch war ihre Anerkennung durch ausländische Mächte eine neuartige Idee.
Und der berühmte Akt über die immerwährende Neutralität und Unverletzlichkeit der Schweiz, der Am 20. November 1815 von Österreich, Grossbritannien, Russland und Preussen unterzeichnet wurde, erklärte die Schweiz zu einem immerwährend neutralen Land und enthält die oft zitierten Zeilen: «Die Neutralität und Unverletzlichkeit der Schweiz und ihre Unabhängigkeit von allen Fremdeinflüssen liegen im wahren Interesse der Politik ganz Europas.»
Das Schweizer Aussendepartement preist die Neutralität der Schweiz auf seiner Website als «unantastbares» Gut und verweist dabei auf die Haager Konventionen vom Oktober 1907 – siehe hier .
Und doch drängt unser Verteidigungsminister und derzeitiger Bundespräsident die Schweiz immer stärker in den NATO-Raum, ohne das Schweizer Volk zu konsultieren. Ein NATO-Beitritt würde das Todesurteil für die Neutralität der Schweiz bedeuten.
Das wissen Sie, sehr geehrte Bundesräte. Schliesslich wurde eine erfolgreiche Volksinitiative für die Neutralität der Schweiz ausgearbeitet und am 11. April 2024 mit fast 130 000 gültigen Unterschriften (100 000 sind nötig) bei der Bundeskanzlei eingereicht. Sie wird voraussichtlich 2025/2026 einer Volksabstimmung unterzogen, und wenn sie angenommen wird, wird die Neutralität in der Schweizer Verfassung verankert.
NATO-Haushalt
Sehr geehrte Bundesräte, Sie wissen vielleicht, dass sich das gesamte NATO-Budget für 2024 auf rund 1,4 Billionen US-Dollar beläuft – davon werden etwa zwei Drittel von den USA und ein Drittel von Europa und Kanada finanziert. Es handelt sich um einen «Jahresfonds» für Töten und Zerstörung – und für die Bereicherung des internationalen militärisch-industriellen Komplexes (IMIC).
In seiner ersten Amtszeit forderte Präsident Trump die europäischen NATO-Mitglieder auf, ihren Militärhaushalt auf mindestens zwei Prozent ihres BIP zu erhöhen. Einige Länder haben dies zwar getan, andere sind von diesem Ziel noch weit entfernt. Hier finden Sie die aktuellen NATO-Ausgaben pro Mitgliedsland.
Es ist denkbar, dass Herr Trump in seiner neuen Amtszeit als US-Präsident diesen Aufruf an die europäischen NATO-Mitglieder wiederholen wird. Das Schweizer Militärbudget für die kommenden vier Jahre – 2025 bis 2028 – beträgt rund 30 Milliarden Franken, also rund 7,5 Milliarden Franken pro Jahr. Dies entspricht weniger als 1% des für 2024 geschätzten Schweizer BIP (784 Milliarden Franken). Wenn die Schweiz der NATO beitreten und dem Mandat von Herrn Trump folgen würde, müsste das Militärbudget auf rund 15 Milliarden Franken pro Jahr verdoppelt werden.
Alternative Ausgaben
Mit einem Bruchteil des NATO-Haushalts von 1,4 Billionen US-Dollar für 2024 könnte der weltweite Hunger beseitigt werden. Oxfam schätzt, dass die Ausrottung des weltweiten Hungers in all seinen Formen 31,7 Milliarden US-Dollar plus 4 Milliarden US-Dollar für den Schuldenerlass der ärmsten Länder der Welt erfordern würde, also insgesamt etwa 35,7 Milliarden US-Dollar. Dies sind weniger als 3 Prozent des jährlichen Militärhaushalts der G7 oder etwa 2,55 Prozent des NATO-Haushalts für 2024.
Sehr geehrte Bundesräte, glauben Sie, dass die Schweizer Bürger an diesem monströsen und mörderischen Unterfangen namens NATO teilnehmen wollen? Und das zum Nachteil der schweizerischen Neutralität?
Persönlich glaube ich, dass die meisten Schweizer kein NATO-Mitglied werden und ihre legendäre Neutralität aufgeben wollen. Deshalb möchte ich Sie, sehr geehrte Bundesräte, dringend bitten, als souveräne Schweizerische Eidgenossenschaft Ihren Standpunkt noch einmal zu überdenken, keinen Druck von aussen hinzunehmen und diesen neutralitätsfeindlichen Schritt aufzugeben.
Eine neutrale Schweiz könnte zwischen Konfliktparteien vermitteln und zum Wiederaufbau einer stabilen, harmonischen und friedlichen Weltgesellschaft beitragen.
Peter Koenig ist ein geopolitischer Analyst und ehemaliger leitender Ökonom bei der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wo er über 30 Jahre lang weltweit tätig war. Er ist der Autor von Implosion – Ein Wirtschaftsthriller über Krieg, Umweltzerstörung und Unternehmensgier.
von:
- Anmelden oder Registieren um Kommentare verfassen zu können