(auszugsweise von German Foreign Policy.)
Der US-Journalist Seymour Hersh liefert weitere Details zum Anschlag auf die Nord Stream-Pipelines und fragt nach etwaigen Erkenntnissen von Kanzler Olaf Scholz. Wie Hersh berichtet, laut dessen Erkenntnissen der Anschlag von der US-Regierung angeordnet wurde, gab es bald nach der Tat bei beteiligten Personen „Entsetzen“ und „Zorn über die Operation“: Sie seien zu der Auffassung gelangt, US-Präsident Joe Biden habe, um „seine kurzfristigen politischen Ziele“ zu realisieren, entschieden, im Zweifelsfall „Deutschland frieren [zu] lassen“.
Bidens Ziel sei es gewesen, urteilt Hersh, in einer Phase, in der „der Krieg für den Westen nicht gut lief“, durch die Sprengung der Pipelines zu verhindern, dass Berlin seine Unterstützung für Kiew reduziere, um „die Pipeline wieder in Betrieb“ zu nehmen.
Mit Blick auf Bidens Ankündigung vom 7. Februar bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz äußert Hersh, wenn er „eine parlamentarische Anhörung leiten“ würde, würde er den Kanzler fragen: „Hat Joe Biden Ihnen davon erzählt?“ Biden „plaudert gern“, konstatiert Hersh. Eine parlamentarische Untersuchung zu dem Anschlag ist in Berlin freilich nicht in Sicht.
Im Interview mit der Berliner Zeitung fügt der US-Journalist Seymour Hersh seiner vor gut einer Woche publizierten Darstellung einige weitere Details hinzu. Demnach wurden die Bomben gezielt in einer Phase des BALTOPS-Marinemanövers an den Leitungsrohren angebracht, in der die an der regulären Übung teilnehmenden Soldaten im Wasser mit Minen hantierten; dies habe perfekte Tarnung geboten, erläutert Hersh.
Zudem hätten sich an den Anschlägen beteiligte Personen darum gesorgt, die Bomben könnten, wenn sie „zu lange im Wasser blieben“, nicht mehr wie gewünscht explodieren. Dies sei an dem Pipelinestrang, der unversehrt geblieben sei, in der Tat eingetreten, erklärt der US-Journalist. Auf Kritik daran angesprochen, dass er seine Quelle nicht nenne, antwortet er kühl: „Wenn ich jemanden nennen würde, würde er gefeuert oder, noch schlimmer, eingesperrt werden.“ Personen, die das bezeugen können, heißen Chelsea Manning, kämpfen im Hochsicherheitsgefängnis HMP Belmarsh in London gegen ihre Auslieferung in die USA oder verbringen ihr Leben unfreiwillig im russischen Exil.
Hersh liefert allerdings Hinweise auf die Motive, die seine Quelle bewogen haben, sich ihm trotz der drohenden justiziellen Verfolgung anzuvertrauen. Demnach gab es bei Personen, die an dem Anschlag beteiligt waren, bald nach der Tat „eine Menge Zorn über die Operation“ – „einer der Gründe, warum ich so viel erfahren habe“, konstatiert der US-Journalist.
Bei diesen Personen handle es sich nicht etwa um unzuverlässige Regierungsmitarbeiter, sondern um „Amerikaner, die den Vereinigten Staaten gegenüber sehr loyal sind“. Sie hätten realisiert, so fasst Hersh ihre Gedanken zusammen, dass US-Präsident Joe Biden den Auftrag zur Sprengung der Erdgaspipelines erteilt habe, um „seine kurzfristigen politischen Ziele“ umzusetzen. Dafür habe er in Kauf genommen, die deutsche Erdgasversorgung zu gefährden, letzten Endes also „Deutschland frieren [zu] lassen“. Das habe sogar am Anschlag beteiligte Personen „entsetzt“.