Res Hofmann: Selbst zu handeln ist besser, als viel zu verdienen

«Mein Leben ist meine Botschaft», sagte Mahatma Gandhi. Res Hofmann ist einer der wenigen Politiker, die zumindest annähernd dasselbe behaupten können. In der Politik kritisiert der 66-jährige Berner SP-Grossrat die Wachstumsideologie, im Privatleben hatte er es nie auf das materielle Wachstum abgesehen. «Ich kann nicht verstehen, wie man noch mehr Wachstum fordern kann. Würden alle so leben wie der Durchschnittsschweizer, bräuchten wir bereits heute 2.6 Erden.» Als Gymnasiallehrer hat er sein Leben lang selten mehr als fünfzig Prozent gearbeitet. «Kurt Marti hat darauf hingewiesen, dass Arbeit auch Mittäterschaft an der Zerstörung bedeuten kann und dass man manche Leute dafür bezahlen müsste, ihre Arbeit niederzulegen.» Er erzählt bedächtig, nüchtern, doch seine Geschichte verrät, dass sich hinter der ruhigen Miene ein engagierter, hartnäckiger Geist verbirgt. Nach seinem Physikstudium bewarb sich Hofmann bei einem Gymnasium. «Ich bräuchte 1000 Franken im Monat, wie viel muss ich dafür arbeiten?», fragte er. Der Direktor kam auf rund zehn Stunden pro Woche. Ehemalige Studienkollegen warnten Hofmann vor der Teilzeitarbeit. «Sie rechneten über Jahrzehnte, sprachen von der Pension und sagten: ‹Res, das wird schief gehen!›»


Der Nichtsnutz

Hofmann rechnete nicht; er hatte sich daran gewöhnt, mit wenig Geld auszukommen. «Geld war nie ein Ziel für mich. Lieber hatte ich viel Freizeit wie in meiner Kindheit.» Er wuchs auf dem Land auf, spielte oft Fussball, bastelte gerne und las viel. «Unter den Dorfbauern galt ich als Nichtsnutz.» Ihr Misstrauen muss noch gestiegen sein, als er von der 68er-Bewegung mitgerissen wurde. Der ländliche Nichtsnutz schaffte es jedoch 1988 in den Berner Stadtrat. Schon damals war die Politik sein grösstes Hobby, das zwar zusätzliche dreissig Prozent Arbeit brachte, aber kaum Entlöhnung. Wieso tat er das? «Ich sagte mir: Selbst zu handeln ist besser, als viel zu verdienen und dann die Hälfte zu spenden. Wer viel verdient, sollte sein Geld sinnvoll anlegen, und das ist gar nicht so einfach.»


Der Lebemann

Nie hatte Hofmann das Gefühl, etwas zu verpassen. «Ich empfand mich als Privilegierten, wenn ich sah, wie Lehrerkollegen auf dem Zahnfleisch liefen und wie Politiker Nachtschichten einlegten. Ich bin wahrscheinlich der ausgeruhteste Parlamentarier.» Als Gross­rat befasst er sich vor allem mit Verkehrs- und Energiepolitik. Nicht zufällig reist er seit langem nicht mehr mit dem Flugzeug. «Es gibt so viele schöne Orte, die man mit dem Zug erreichen kann.» Seit letztem Sommer ist er pensioniert und weiss nun, dass seine Studienkollegen falsch lagen. «Mit wenigen Abstrichen kann ich meinen Lebensstandard halten.» Zwei- bis dreimal pro Jahr fährt er mit seiner Freundin in die Ferien, meist nach Italien. «Wir verlängern uns den Herbst und verfrühen den Frühling. Im Sommer bleiben wir meist zu Hause, da ist es ja auch hier warm.» Sie spazieren gerne und unternehmen jeden Sonntag eine Wanderung. Würde ein Soziologe Hofmanns Lohnausweise analysieren und daraus zunftgemäss auf die Einkaufsgewohnheiten schliessen, ordnete er ihn wohl als Migros-Budget-Kunden ein, läge damit aber kreuzfalsch: Hofmann kauft fast nur im heimischen Breitenrain-Quartier und auf dem Markt ein. «Beim Essen wird nicht gespart!» Lieber teilt er sich mit seiner Freundin eine kleine Wohnung. Auch hier schlägt er die Brücke zur Politik: «Die Menschen wollen immer mehr Wohnfläche. Würde die Stadt Bern nicht dauernd Wohnungen bauen, verlöre sie ständig Einwohner.» Das kann nicht ewig so weitergehen. «Ich lebe heute freiwillig so, wie wir vielleicht später notgedrungen leben müssen.»    
Kontakt: www.reshofmann.ch


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