Was wäre, wenn Wünsche wahr werden würden?
Zeitpunkt-Leserinnen und -Leser stellen ihre Ideen vor
Abwenden
Was wäre, wenn wir feststellten, dass die USA ihre tatsächlichen wie ihre virtuellen Kriege, ja ihr ganzes Tun und Trachten, ihr Streben und Planen augenscheinlich nur ausrichten, um für US-Konzerne Märkte zu öffnen, um für die US-Banker Investitionsmöglichkeiten zu schaffen, um für die US-Rüstungsindustrie Einsatzmöglichkeiten zu kreieren, um für die US-Pharma Absatzkanäle zu graben, um die Weltbevölkerung zu Sklaven zu machen?Dann sähen wir auch, dass die von den USA und ihren Mittätern im Namen von Frieden, Freiheit, Gemeinwohl und Gleichheit angegriffenen, geknechteten, geschundenen, verunglimpften, überfallenen, vergifteten, gefolterten, ermordeten Gesellschaften und Menschen nur der Gier zum Opfer gefallen sind – und würden uns abwenden.
Michael Brandenberger
Leben ohne Werbung
Können Sie sich eine Leben ohne Werbung vorstellen? Die Lebensmittel kämen in schlichter Verpackung daher, es zählte die Qualität der Ware und vielleicht der Charme des Verkäufers. Plakatstellwände könnten wir für Kunst nutzen oder für persönliche Partneranzeigen. Die Werbezeit zwischen den Fernseh-Sendungen würden wir nutzen für einen Moment der Ruhe und Achtsamkeit. Wir wären mehr informiert und weniger manipuliert.
Was da im Gleichtakt mit der Werbung alles zerbröseln würde! Die Medien zum Beispiel. Ein Zehntel soviel Presse, Radio und Fernsehen wären auch mehr als genug. So viel oder so wenig könnte etwa aus den Abo-Gebühren finanziert werden. Es lebe die zeitungsfreie Zeit: mit den Kindern spielen, ein stiller Waldspaziergang, der sanfte Abend zu zweit.
Oder der Profi-Spitzensport. Von diesen Schlachten bliebe kaum etwas übrig. Tausende Gelenke, Kreuzbänder und Knochen geschont. Die Stadien würden zu Bewegungs-Begegnungs-Orten für alle.
Was würden denn all die Plakat-Kleberinnen, Direktvermarktungs-Telefonisten und Werbespot-Kameraleute machen? Arbeitslos? Aus meiner Sicht könnte die Anzahl Arbeitsstunden, die wir als gesamte Gesellschaft leisten, locker um 10 bis 20 Prozent gekürzt werden, ohne jeglichen Wohlstands- oder Lebensqualitäts-Verlust. Bei besserem Lohn. Denn was wegfällt, ist eine riesige Maschinerie, die Stress und Abfall produziert. Werbung ist ein Luxus, eine Verschwendung, einer der vielen Exzesse unserer zu reichen Gesellschaft.
Felix Küchler
Das Körperkonzert der Sinn-Fonie
Was wäre, wenn wir unseren eigenen Körper lieben würden, wie das Liebste ausserhalb von uns? Ihn so liebten, wie unseren Partner, unsere Kinder, die beste Freundin, unseren Hund oder eine sorgsam gehegte Pflanze? Dann würden wir ihm aufmerksam zuhören, wenn ihn etwas plagt. Wir lernten seine Sprache – auch wenn wir ihm anfangs, noch etwas unbeholfen, nur «je t’aime» ins Ohr flüstern könnten. Wir würden uns zärtlich die eigene Hand halten und uns selber eine Umarmung geben, wenn wir sie nötig hätten. Dem schmerzenden Bein gönnten wir eine Ruhepause, sprächen ihm Mut zu und wiegten es wie ein Baby in unseren Armen. Wir streichelten sanft unsere Wangen und zwinkerten schelmisch unserem grossen Zeh zu. Wir liebten uns selber, wie wir gerne geliebt würden. Wir beobachteten unseren Atem – in vollem Gewahrsein, dass unser erster Akt das Einatmen und der letzte, das Ausatmen und grosse Loslassen ist. Alles dazwischen ist eine riesige Ansammlung von Körpererfahrungen. Wir hörten dem Rauschen, Fliessen und Pulsieren in unserem Inneren zu, wie wenn wir in einem klassischen Konzert sässen. Ehrfurchtsvoll und voller Bewunderung lauschten wir den Duetten, Solis, Vibratos, Paukenschlägen und zarten Harfentönen. Wir kämen aus dem Staunen nicht heraus, wie harmonisch sich alles ineinander fügt. Ein ganzes Universum in uns drin! Und vielleicht…kämen uns in manchen Augenblicken dieser Sinn-Fonie Tränen der Rührung und Dankbarkeit.
Nicole Strübin Sonderegger
Was tun? Was tun!
Ja, was wäre wenn – sich der kategorische Imperativ durchsetzen, alle Menschen gut, ehrlich, bescheiden, auf das Gemeinwohl bedacht, daneben aber auch noch intelligent, kreativ und kunstsinnig wären? Dann wäre das Paradies schon da. Da sie dies aber des öfteren nicht sind, bleibt uns, anstatt darauf zu warten, dass «die Anderen» sich endlich nach unserem persönlichen Geschmack entwickeln, nichts anders übrig, als die Sache selber in die Hand zu nehmen. Lass uns darum nicht sagen «was wäre», sondern «was ist», wenn wir, du und ich, konkret etwas machen? Wäre das nicht schon Etwas? Und das wäre nicht, sondern ist.
Erwin Schatzmann
Zukunftsmusik vom 21. Oktober 2019
Was für ein Tag, gestern. Die ersten Hochrechnungen haben sogar mich sprachlos gelassen, ein euphorisches Glücksgefühl hat sich breit gemacht. Mittlerweile hat sich das wieder gelegt und das hier ist ein erster Versuch, die Dinge nüchtern zu betrachten, die Ereignisse zu verstehen.
Die Schweizerische Vorstellungskraft (SVK) hat also 18.1 Prozent aller Stimmen erhalten. Eine Gruppierung aus dem Nichts ist auf einmal die zweitstärkste Kraft in Bundesbern (SVP: 26.7 Prozent). Ist das die neue Linke? Es ist jedenfalls etwas anderes, als bisher von Parteien geboten wurde, und die Bevölkerung spricht darauf an. Was auch an der Geschichte der SVK liegen mag.
Begonnen hat alles mit einem simplen Slogan. «All Power to the Imagination» war im frühen 2016 an jeder Strassenlampe, jedem Brückenpfeiler und vielen Hauswänden der Hauptstadt zu lesen. Die Medien begannen zu rätseln, der Spruch breitete sich aus in Zürich, Basel, Lausanne; Memes und kurze Videos machten digitale Runden. In Zürich und Bern formte sich zeitgleich eine grosse Menge an Aktivistinnen, Akademikerinnen und Künstlern, die sich hinter den Slogan stellten. Mit Streiks (in Bern blieben mehrere Kulturhäuser während zweier Wochen geschlossen) und Strassenaktionen (die friedliche Blockade der Bahnhofstrasse Zürich durch hunderte von Musizierenden vor allen Geschäften) wurde die Frage gestellt, was denn eigentlich das gute Leben sei. Das gute Leben, von dem wir gerade in der Schweiz immer sprechen. Nach und nach schlossen sich so viele namhafte Bands, Autorinnen, Theaterschaffende und bildende Künstler an, dass ein Kulturgenuss kaum mehr möglich war, ohne der eindeutigen politischen Message zu entgehen: Was unterscheidet den Menschen vom Schimpansen? Es ist die Fantasie, die Kraft, sich andere mögliche Welten vorzustellen.
Während den letzten zwei Jahren war die SVK wirklich nicht mehr aus dem politischen Geschehen wegzudenken, ohne überhaupt im Parlament vertreten zu sein. So wurde in Bern, Zürich und Basel jeden Freitag auf die Strasse gegangen, gesungen, getanzt. Diese Beharrlichkeit fasziniert mich. Und lässt mich wieder hoffen. Ob das gut geht mit der offiziellen politischen Macht?
Miko Hucko
Teilen statt Eilen
Lebten wir in Sippenverbänden statt Kleinstfamilien, bekämen nicht nur die Wohnungen und Quartiere eine neue Form. Unser ganzes Leben erhielte neue Möglichkeiten! Wir würden die Arbeit teilen, statt doppelspurig zu fahren; das Einkaufen, Kochen, Waschen und Kinderbetreuen unter vielleicht zehn Leuten organisieren. Wieviel mehr Freiraum könnten insbesondere Frauen dadurch gewinnen? Statt eine halbe Stunde durch die Gegend zu kurven, bräuchten wir nur an die nächste Tür zu klopfen. Wieviel Krippenstunden könnten wir uns sparen, und wieviele Alterswohnungen, wenn wir uns die Betreuung teilten? Ja, es ist anstrengend, nahe aufeinander zu wohnen. Aber wenn wir herausfinden, wie wir einander mit Wohlwollen begegnen können, mit Freundlichkeit, Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft – dann wird eine solche Gemeinschaft zur Bereicherung.
Die soziale Entwicklung unserer Gesellschaft gefällt mir nicht. Wir sind im Umgang miteinander extrem erkaltet, da wir uns mehr oder weniger alleine in riesige Wohnungen einschliessen und kaum mehr miteinander zu tun haben müssen. Das Modell Kleinstfamilie, das sich in den vergangenen Jahrzehnten durchgesetzt hat, scheint mir frauen- und kinderfeindlich. Es ist auch nicht gut für die alt werdenden und zunehmend auf Unterstützung angewiesenen Menschen: unsere Grosseltern, Eltern, Onkeln und Tanten. Es scheint mir so weit entfremdet von unserem ursprünglichen Wesen wie nur möglich. Ich bin dafür, Formen des Zusammenlebens zu finden, die uns gut tun und uns darin unterstützen, gesunde, zufriedene Menschen zu sein, ohne dass all unsere Wünsche alleine von unserer Kaufkraft abhängig sind.
Isabella Wild
So sollte Schule sein
Was wäre, wenn die Kinder vom Kindergarten bis zur Berufsausbildung und Eintritt in die Arbeitswelt einen Entwicklungs- und Bildungsweg durchlaufen könnten, auf dem sie während ihren ersten 20-25 Lebensjahren Folgendes erlebt und praktiziert haben?:
Freiheit statt Zwang, Musse statt Überreizung, Zeitautonomie statt Stress, Altersdurchmischung statt Altersklassen, Verantwortung statt Bevormundung, Fehlerkultur statt Stagnation, Menschen als Infoquellen statt Konkurrenten, leben statt vertrödeln, Innerer Lehrplan statt Pauschallehrplan, Sinn statt Leerlauf, Entscheidung statt Ermüdung, Selbsterfahrung statt Fernsteuerung, leidenschaftliche Professionalität statt Zertifikate.
Antwort: Dann würden Vertrauen und Freude für alle Menschen exponentiell wachsen statt Schulden und Elend. Das gäbe ein phantastisches, sinnvolles Bruttosozialprodukt, auf das die Menschen stolz sein können.
So eine Schule ist für mich die Sudbury Valley Schule. www.sudval.ch
Angela Seifert
Ein Einkommen für alle
Längst wäre genug Geld vorhanden, um jedem Individuum ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen zu garantieren.
Anfänglich würde sich das Individuum vielleicht auf die faule Haut legen. Weil es sich aber mit Sicherheit bald extrem langweilte, würde es sich darüber Gedanken machen, was es denn Sinnvolles mit seiner Zeit anfangen könnte. In Ruhe und Freiheit zu überlegen, wie die eigenen Fähigkeiten für das Wohl der anderen Menschen eingesetzt werden könnten, führte uns zu grosser Kreativität. Natürlich könnte man sich durch die Leistung etwas dazuverdienen. Den Menschen würde es so viel besser gehen, weil sie entdecken würden, das wir alle miteinander verbunden sind, dass wir füreinander und nicht gegeneinander handeln sollten, denn wir haben gemeinsam nur diese eine Erde, zu der wir Sorge tragen müssen.
Claudia Müller
Was ist statt was wäre
Unser Gehirn denkt immer: «Was wäre, wenn» oder «Was war». Es kann nicht anders. Um diese Gedanken besser vorbeiziehen zu lassen, rät die Soto-Zen-Schule:
immer wieder zur Beobachtung der Meditationshaltung (Zazen), dem Hier, sowie dem Auf- und Ab der Atmung, dem Jetzt, zurückkehren. So wird aus «Was wäre, wenn» ein «Es ist». Und selbst dieses «Es ist» könnte noch eine Illusion sein – wer weiss? Sicher ist, dass wir fast alle unsere Ich-Illusion viel zu wichtig nehmen.
Peter Dries
Warme statt kalte Betten
Stünden jedem Menschen in der Schweiz genau 25 Quadratmeter Wohnraum zu, würden ungewöhnliche Wohngemeinschaften entstehen: Singles mit Familien, Alte mit anderen Alten, Hiesige mit Migranten. Zweitwohnsitze würden nicht mehr leer stehen, Konfliktscheue würden in Einzimmerwohnungen ziehen, Alte wären nicht mehr allein, Familien hätten genügend Raum. Es müsste lange nichts mehr neu gebaut werden. Bestehende Gebäude würden neu konzipiert und aufgeteilt, mit flexibel zuschaltbaren Zimmern und Gemeinschaftsküchen. Und natürlich würde es Auseinandersetzungen geben – gute und schlechte, in der Küche, auf dem Flur, im Bad, wegen Bedürfnissen und Erwartungen, wegen Werten und Gewohnheiten, am Abend und am Morgen. Wir müssten lernen miteinander zu wohnen.
Susan Glättli
Weitere Antworten auf die Frage «Was wäre wenn?» in Zeitpunkt 141
Was wäre, wenn wir feststellten, dass die USA ihre tatsächlichen wie ihre virtuellen Kriege, ja ihr ganzes Tun und Trachten, ihr Streben und Planen augenscheinlich nur ausrichten, um für US-Konzerne Märkte zu öffnen, um für die US-Banker Investitionsmöglichkeiten zu schaffen, um für die US-Rüstungsindustrie Einsatzmöglichkeiten zu kreieren, um für die US-Pharma Absatzkanäle zu graben, um die Weltbevölkerung zu Sklaven zu machen?Dann sähen wir auch, dass die von den USA und ihren Mittätern im Namen von Frieden, Freiheit, Gemeinwohl und Gleichheit angegriffenen, geknechteten, geschundenen, verunglimpften, überfallenen, vergifteten, gefolterten, ermordeten Gesellschaften und Menschen nur der Gier zum Opfer gefallen sind – und würden uns abwenden.
Michael Brandenberger
Leben ohne Werbung
Können Sie sich eine Leben ohne Werbung vorstellen? Die Lebensmittel kämen in schlichter Verpackung daher, es zählte die Qualität der Ware und vielleicht der Charme des Verkäufers. Plakatstellwände könnten wir für Kunst nutzen oder für persönliche Partneranzeigen. Die Werbezeit zwischen den Fernseh-Sendungen würden wir nutzen für einen Moment der Ruhe und Achtsamkeit. Wir wären mehr informiert und weniger manipuliert.
Was da im Gleichtakt mit der Werbung alles zerbröseln würde! Die Medien zum Beispiel. Ein Zehntel soviel Presse, Radio und Fernsehen wären auch mehr als genug. So viel oder so wenig könnte etwa aus den Abo-Gebühren finanziert werden. Es lebe die zeitungsfreie Zeit: mit den Kindern spielen, ein stiller Waldspaziergang, der sanfte Abend zu zweit.
Oder der Profi-Spitzensport. Von diesen Schlachten bliebe kaum etwas übrig. Tausende Gelenke, Kreuzbänder und Knochen geschont. Die Stadien würden zu Bewegungs-Begegnungs-Orten für alle.
Was würden denn all die Plakat-Kleberinnen, Direktvermarktungs-Telefonisten und Werbespot-Kameraleute machen? Arbeitslos? Aus meiner Sicht könnte die Anzahl Arbeitsstunden, die wir als gesamte Gesellschaft leisten, locker um 10 bis 20 Prozent gekürzt werden, ohne jeglichen Wohlstands- oder Lebensqualitäts-Verlust. Bei besserem Lohn. Denn was wegfällt, ist eine riesige Maschinerie, die Stress und Abfall produziert. Werbung ist ein Luxus, eine Verschwendung, einer der vielen Exzesse unserer zu reichen Gesellschaft.
Felix Küchler
Das Körperkonzert der Sinn-Fonie
Was wäre, wenn wir unseren eigenen Körper lieben würden, wie das Liebste ausserhalb von uns? Ihn so liebten, wie unseren Partner, unsere Kinder, die beste Freundin, unseren Hund oder eine sorgsam gehegte Pflanze? Dann würden wir ihm aufmerksam zuhören, wenn ihn etwas plagt. Wir lernten seine Sprache – auch wenn wir ihm anfangs, noch etwas unbeholfen, nur «je t’aime» ins Ohr flüstern könnten. Wir würden uns zärtlich die eigene Hand halten und uns selber eine Umarmung geben, wenn wir sie nötig hätten. Dem schmerzenden Bein gönnten wir eine Ruhepause, sprächen ihm Mut zu und wiegten es wie ein Baby in unseren Armen. Wir streichelten sanft unsere Wangen und zwinkerten schelmisch unserem grossen Zeh zu. Wir liebten uns selber, wie wir gerne geliebt würden. Wir beobachteten unseren Atem – in vollem Gewahrsein, dass unser erster Akt das Einatmen und der letzte, das Ausatmen und grosse Loslassen ist. Alles dazwischen ist eine riesige Ansammlung von Körpererfahrungen. Wir hörten dem Rauschen, Fliessen und Pulsieren in unserem Inneren zu, wie wenn wir in einem klassischen Konzert sässen. Ehrfurchtsvoll und voller Bewunderung lauschten wir den Duetten, Solis, Vibratos, Paukenschlägen und zarten Harfentönen. Wir kämen aus dem Staunen nicht heraus, wie harmonisch sich alles ineinander fügt. Ein ganzes Universum in uns drin! Und vielleicht…kämen uns in manchen Augenblicken dieser Sinn-Fonie Tränen der Rührung und Dankbarkeit.
Nicole Strübin Sonderegger
Was tun? Was tun!
Ja, was wäre wenn – sich der kategorische Imperativ durchsetzen, alle Menschen gut, ehrlich, bescheiden, auf das Gemeinwohl bedacht, daneben aber auch noch intelligent, kreativ und kunstsinnig wären? Dann wäre das Paradies schon da. Da sie dies aber des öfteren nicht sind, bleibt uns, anstatt darauf zu warten, dass «die Anderen» sich endlich nach unserem persönlichen Geschmack entwickeln, nichts anders übrig, als die Sache selber in die Hand zu nehmen. Lass uns darum nicht sagen «was wäre», sondern «was ist», wenn wir, du und ich, konkret etwas machen? Wäre das nicht schon Etwas? Und das wäre nicht, sondern ist.
Erwin Schatzmann
Zukunftsmusik vom 21. Oktober 2019
Was für ein Tag, gestern. Die ersten Hochrechnungen haben sogar mich sprachlos gelassen, ein euphorisches Glücksgefühl hat sich breit gemacht. Mittlerweile hat sich das wieder gelegt und das hier ist ein erster Versuch, die Dinge nüchtern zu betrachten, die Ereignisse zu verstehen.
Die Schweizerische Vorstellungskraft (SVK) hat also 18.1 Prozent aller Stimmen erhalten. Eine Gruppierung aus dem Nichts ist auf einmal die zweitstärkste Kraft in Bundesbern (SVP: 26.7 Prozent). Ist das die neue Linke? Es ist jedenfalls etwas anderes, als bisher von Parteien geboten wurde, und die Bevölkerung spricht darauf an. Was auch an der Geschichte der SVK liegen mag.
Begonnen hat alles mit einem simplen Slogan. «All Power to the Imagination» war im frühen 2016 an jeder Strassenlampe, jedem Brückenpfeiler und vielen Hauswänden der Hauptstadt zu lesen. Die Medien begannen zu rätseln, der Spruch breitete sich aus in Zürich, Basel, Lausanne; Memes und kurze Videos machten digitale Runden. In Zürich und Bern formte sich zeitgleich eine grosse Menge an Aktivistinnen, Akademikerinnen und Künstlern, die sich hinter den Slogan stellten. Mit Streiks (in Bern blieben mehrere Kulturhäuser während zweier Wochen geschlossen) und Strassenaktionen (die friedliche Blockade der Bahnhofstrasse Zürich durch hunderte von Musizierenden vor allen Geschäften) wurde die Frage gestellt, was denn eigentlich das gute Leben sei. Das gute Leben, von dem wir gerade in der Schweiz immer sprechen. Nach und nach schlossen sich so viele namhafte Bands, Autorinnen, Theaterschaffende und bildende Künstler an, dass ein Kulturgenuss kaum mehr möglich war, ohne der eindeutigen politischen Message zu entgehen: Was unterscheidet den Menschen vom Schimpansen? Es ist die Fantasie, die Kraft, sich andere mögliche Welten vorzustellen.
Während den letzten zwei Jahren war die SVK wirklich nicht mehr aus dem politischen Geschehen wegzudenken, ohne überhaupt im Parlament vertreten zu sein. So wurde in Bern, Zürich und Basel jeden Freitag auf die Strasse gegangen, gesungen, getanzt. Diese Beharrlichkeit fasziniert mich. Und lässt mich wieder hoffen. Ob das gut geht mit der offiziellen politischen Macht?
Miko Hucko
Teilen statt Eilen
Lebten wir in Sippenverbänden statt Kleinstfamilien, bekämen nicht nur die Wohnungen und Quartiere eine neue Form. Unser ganzes Leben erhielte neue Möglichkeiten! Wir würden die Arbeit teilen, statt doppelspurig zu fahren; das Einkaufen, Kochen, Waschen und Kinderbetreuen unter vielleicht zehn Leuten organisieren. Wieviel mehr Freiraum könnten insbesondere Frauen dadurch gewinnen? Statt eine halbe Stunde durch die Gegend zu kurven, bräuchten wir nur an die nächste Tür zu klopfen. Wieviel Krippenstunden könnten wir uns sparen, und wieviele Alterswohnungen, wenn wir uns die Betreuung teilten? Ja, es ist anstrengend, nahe aufeinander zu wohnen. Aber wenn wir herausfinden, wie wir einander mit Wohlwollen begegnen können, mit Freundlichkeit, Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft – dann wird eine solche Gemeinschaft zur Bereicherung.
Die soziale Entwicklung unserer Gesellschaft gefällt mir nicht. Wir sind im Umgang miteinander extrem erkaltet, da wir uns mehr oder weniger alleine in riesige Wohnungen einschliessen und kaum mehr miteinander zu tun haben müssen. Das Modell Kleinstfamilie, das sich in den vergangenen Jahrzehnten durchgesetzt hat, scheint mir frauen- und kinderfeindlich. Es ist auch nicht gut für die alt werdenden und zunehmend auf Unterstützung angewiesenen Menschen: unsere Grosseltern, Eltern, Onkeln und Tanten. Es scheint mir so weit entfremdet von unserem ursprünglichen Wesen wie nur möglich. Ich bin dafür, Formen des Zusammenlebens zu finden, die uns gut tun und uns darin unterstützen, gesunde, zufriedene Menschen zu sein, ohne dass all unsere Wünsche alleine von unserer Kaufkraft abhängig sind.
Isabella Wild
So sollte Schule sein
Was wäre, wenn die Kinder vom Kindergarten bis zur Berufsausbildung und Eintritt in die Arbeitswelt einen Entwicklungs- und Bildungsweg durchlaufen könnten, auf dem sie während ihren ersten 20-25 Lebensjahren Folgendes erlebt und praktiziert haben?:
Freiheit statt Zwang, Musse statt Überreizung, Zeitautonomie statt Stress, Altersdurchmischung statt Altersklassen, Verantwortung statt Bevormundung, Fehlerkultur statt Stagnation, Menschen als Infoquellen statt Konkurrenten, leben statt vertrödeln, Innerer Lehrplan statt Pauschallehrplan, Sinn statt Leerlauf, Entscheidung statt Ermüdung, Selbsterfahrung statt Fernsteuerung, leidenschaftliche Professionalität statt Zertifikate.
Antwort: Dann würden Vertrauen und Freude für alle Menschen exponentiell wachsen statt Schulden und Elend. Das gäbe ein phantastisches, sinnvolles Bruttosozialprodukt, auf das die Menschen stolz sein können.
So eine Schule ist für mich die Sudbury Valley Schule. www.sudval.ch
Angela Seifert
Ein Einkommen für alle
Längst wäre genug Geld vorhanden, um jedem Individuum ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen zu garantieren.
Anfänglich würde sich das Individuum vielleicht auf die faule Haut legen. Weil es sich aber mit Sicherheit bald extrem langweilte, würde es sich darüber Gedanken machen, was es denn Sinnvolles mit seiner Zeit anfangen könnte. In Ruhe und Freiheit zu überlegen, wie die eigenen Fähigkeiten für das Wohl der anderen Menschen eingesetzt werden könnten, führte uns zu grosser Kreativität. Natürlich könnte man sich durch die Leistung etwas dazuverdienen. Den Menschen würde es so viel besser gehen, weil sie entdecken würden, das wir alle miteinander verbunden sind, dass wir füreinander und nicht gegeneinander handeln sollten, denn wir haben gemeinsam nur diese eine Erde, zu der wir Sorge tragen müssen.
Claudia Müller
Was ist statt was wäre
Unser Gehirn denkt immer: «Was wäre, wenn» oder «Was war». Es kann nicht anders. Um diese Gedanken besser vorbeiziehen zu lassen, rät die Soto-Zen-Schule:
immer wieder zur Beobachtung der Meditationshaltung (Zazen), dem Hier, sowie dem Auf- und Ab der Atmung, dem Jetzt, zurückkehren. So wird aus «Was wäre, wenn» ein «Es ist». Und selbst dieses «Es ist» könnte noch eine Illusion sein – wer weiss? Sicher ist, dass wir fast alle unsere Ich-Illusion viel zu wichtig nehmen.
Peter Dries
Warme statt kalte Betten
Stünden jedem Menschen in der Schweiz genau 25 Quadratmeter Wohnraum zu, würden ungewöhnliche Wohngemeinschaften entstehen: Singles mit Familien, Alte mit anderen Alten, Hiesige mit Migranten. Zweitwohnsitze würden nicht mehr leer stehen, Konfliktscheue würden in Einzimmerwohnungen ziehen, Alte wären nicht mehr allein, Familien hätten genügend Raum. Es müsste lange nichts mehr neu gebaut werden. Bestehende Gebäude würden neu konzipiert und aufgeteilt, mit flexibel zuschaltbaren Zimmern und Gemeinschaftsküchen. Und natürlich würde es Auseinandersetzungen geben – gute und schlechte, in der Küche, auf dem Flur, im Bad, wegen Bedürfnissen und Erwartungen, wegen Werten und Gewohnheiten, am Abend und am Morgen. Wir müssten lernen miteinander zu wohnen.
Susan Glättli
Weitere Antworten auf die Frage «Was wäre wenn?» in Zeitpunkt 141
19. Februar 2016
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