Zahlen oder frieren: Die Fernwärme-Kosten in Deutschland explodieren
Die monatlichen Abschläge steigen bei einigen Mietern auf mehr als 600 Euro für 70 Quadratmeter grosse Wohnungen — nur warum?

Die Preise für Fernwärme explodieren bundesweit, dabei macht Gas nicht einmal die Hälfte am Energiemix aus. Ein erheblicher Teil stammt aus erneuerbaren Energiequellen. Die Technologie versprach einen rasanten Ausbau des Fernwärmenetzes und einen Milliardenmarkt. Die jetzigen, ökonomisch nicht vertretbaren Kostenexplosionen indes gefährden den Ausbau des Fernwärmenetzes. Cui bono? von Vlad Georgescu

Einige Kunden des Energieversorgers Eon in Mohnheim haben jetzt erfahren, dass der künftige Abschlag für die Heizung (und Warmwasser) bei 414 Euro im Monat liegen. «Sonst haben wir so um die 120 Euro im Monat gezahlt“, sagte Monika Kuhnhenn gegenüber der Rheinischen Post. Mann Helmut pflichtete bei: «Das sind rund 5000 Euro im Jahr für Heizkosten. Und das für eine etwa 70 Quadratmeter große Wohnung.»

Kein Einzelfall — vor allem aber nicht das Ende der Fahnenstange. Statt 162 Euro soll der Abschlag eines anderen Mieters ab Januar 2023 nun 638 Euro betragen. «Wir hatten schon mit einem Hammer gerechnet und uns auf deutlich gestiegene Kosten eingestellt. Aber das sprengt jeden Rahmen. Die neue Abschlagszahlung ist nah an der eigentlichen Miete und hat absolut existenzbedrohenden Charakter.»

Auch die Nebenkostenabrechnungen der LEG, die etwa 3370 Wohnungen in Monheim anbietet und darunter 3074 Fernwärmekunden zählt, sind explodiert. Die Aufschläge machen 300 bis 400 Prozent aus. So lag die sogenannte Raumwärme für 2020 bei 179,59 Euro. Heute sind es bereits 652,79 Euro. 

Auch in Berlin erfuhren Kunden — dieses Mal des Energieversorgers Vattenfall —  dass sich die Preise für Fernwärme verfielfachen. Wer im vergangenen Jahr rund 170 Euro berappte, kann Ende 2022 mit rund 600 Euro pro Monat rechnen.

Warum diese Preissteigerung überhaupt stattfinden, ist ein Rätsel. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat eine Statistik zur Fernwärme in Deutschland veröffentlicht die besagt, dass von den 126 Milliarden Kilowattstunden Wärme  22 Milliarden Kilowattstunden aus erneuerbaren Energien stammen. Das sind rund 18 Prozent. Lediglich 48 Prozent werden über Erdgas generiert. Die starke Anstieg der Gaspreise rechtfertigt demnach die Verfielfachung der Kosten für Fernwärme nicht.

Im Gegegenteil. Das Prognos Institut in Hamburg etwa betrachtete in einem Gutachten Fernwärme als einen Ausweg aus der Energiekrise. «Vor allem in Anbetracht der perspektivisch steigenden Kosten für fossile Heizenergieträger und der oft hohen spezifischen Kosten für tiefgehende energetische Gebäudesanierungen ist die Erzeugung und Verteilung erneuerbarer Wärme ein sozialverträgliches Mittel zur Dekarbonisierung des Wärmesektors. Damit gewinnt die Förderung von erneuerbaren Energien in der Fernwärme gegenüber der Förderung von Effizienzmaßnahmen deutlich an klimapolitischer Wirksamkeit und Relevanz.»

Aus diesem Grunde sollte das Fernwärmenetz bis 2030 massiv ausgebaut werden. «Für den angestrebten Ausbau der Fernwärmenetze, der Wärmespeicher und neuen Erzeugungsanlagen sind bis zum Jahr 2030 in Summe Investitionen von etwa 33 Milliarden Euro notwendig, pro Jahr also im Mittel 3,3 Milliarden Euro», so Prognos,  Gewinner und: «Mit 16 Milliarden Euro entfällt etwa die Hälfte der Investitionen auf den Ausbau bzw. die Erweiterung von Wärmenetzen. Gut 11,1 Milliarden Euro entfallen auf Investitionen in Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Wärme und der Nutzbarmachung von Abwärme, etwa 4,3 Milliarden Euro auf den Anschluss neuer Wärmequellen an bestehende Netze.» 

Daraus wird vermutlich vorerst nichts. Denn bei Gleichstand der Preise für Gas und Fernwärme erscheinen Häuslebauer beide Vorsorgungsarten wenig attratktiv. Jene, die heute bereits mit Fernwärmeheizen, haben allerdings das Nachsehen. Gewinner der aktuellen Lage sind aber die, die sie verursachen:  Die grossen Energieversorger wie Eon oder Vattenfall: Sie kassieren bei Gas und Fernwärme in ähnlichen Dimensionen ab — Ende 2022 muss der Kunde zahlen. Oder frieren.

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