Alles selbst gebaut
Der spirituelle Kleinstaat Damanhur in Norditalien
Gemeinschaften wie Findhorn, Christiania oder Auroville entwickeln oft auch einen eigenen Baustil. Aber keiner ist so künstlerisch und so stark von der Kreativität der Mitglieder geprägt, wie der von Damanhur. Die norditalienische Gemeinschaft versteht sich als öko-nachhaltiges Gesellschaftsmodell und hat enorme Ausstrahlung.
Im Valchiusella-Tal, nicht weit von Turin, liegt die Damanhur-Gemeinschaft. Mit ihren rund 1000 Bewohnern, eigener Verfassung und Währung ist sie eher eine Art spiritueller Kleinstaat. Gegründet 1979 von Oberto Airaudi, genannt «Falco», blieb dieser lange unauffällig – bis ein ehemaliges Mitglied ausplauderte, dass die Gruppe heimlich einen gigantischen unterirdischen Tempel gebaut hatte. Über Jahre hatten sie jede Nacht mit Pickel und Schaufel den Berg ausgehöhlt, die Erde und Steine mit Säcken herunter geschleppt und eine unterirdische Kathedrale mit unzähligen Tempeln geschaffen. Im Nachhinein wurde das Bauwerk behördlich genehmigt und wird heute von Tausenden von Besuchern aus aller Welt bewundert. Zwanzig Wohngemeinschaften gehören zu der Föderation. Im Sommer 2003 kaufte sie das grosse ehemalige Olivetti-Fabrikgebäude mit dem Ziel, zur ökonomischen und sozialen Wiederbelebung der Region beizutragen.
Unerhörte Kreativität
Besuchern fällt als erstes die Kreativität der Bewohner auf: Alle Häuser sind mit Mosaiken und farbenprächtigen Gemälden geschmückt. Es gibt zahlreiche Werkstätten für Schmuck, Metall- und Töpferkunst – aber auch Handwerk und Lebensmittelverarbeitung. Sogar Alltagsgegenstände sind liebevoll gestaltet. Doch dahinter verbirgt sich mehr als Dekoration: Design und Kunst sind ein Teil der spirituell-technologischen Forschung, mit der sogar Geräte entwickelt werden, die Meditation und Gedankenkraft verstärken sollen, die so genannten «Selfica». All das deutet auf ein umfassendes Weltbild und eine ungewöhnliche Gemeinschaft. Was ist es, das ihre Bewohner in die Lage versetzt, eine solche Kreativität zu entfalten? Wie sieht der Alltag in Damanhur aus?
Lepre Viola, Botschafterin von Damanhur, gibt Auskunft. Wie alle Bewohner, hat sie sich den Namen eines Tiers und einer Pflanze gegeben. Erstaunlich, dass eine so kräftige Frau den Namen «Kaninchen Veilchen» trägt.
«Wir leben in Wohngemeinschaften, genannt Nucleos. Jeder hat seinen Job. Wir teilen die Erziehung der Kinder, und jeder, nicht nur die Eltern, verbringt Zeit mit ihnen und kümmert sich um ihre Ausbildung. Die Dörfer sowie die Berufsgruppen haben ihr eigenes soziales Leben. Jeder Bewohner ist Mitglied eines der acht «Pfade», ein Mittelding zwischen Berufsgilde, sozialer Einbettung und spirituellem Weg. Zum Vollmondorakel und zu anderen Zeremonien trifft sich die ganze Gemeinschaft.»
Hat Damanhur ein politisches Ziel?
Lepre: «Gemeinschaften können die Welt verändern. Wir wollen eine Gesellschaft aufbauen, die aus kleinen Gruppen besteht, die spirituell und materiell an der Befreiung und Wiedererweckung des göttlichen Prinzips arbeiten. Wir kreieren ein nachhaltiges Lebensmodell, das auf den ethischen Prinzipien der Liebe und gemeinschaftlichen Lebens beruht und die Kräfte der menschlichen Evolution integriert. Eine Gemeinschaft ist ideal, wenn sie durch Solidarität und gegenseitigem Teilen inspiriert ist. Gemeinschaften, die ihre politischen, ökonomischen und sozialen Kräfte vereinigen, werden in der Lage sein, Ziele zu erreichen, die für Einzelmenschen unmöglich wären.»
Was ist für sie das Besondere an Damanhur? Lepre: «Wir forschen in jedem Lebensbereich – von der sozialen Form des Zusammenlebens bis zu alternativen Energieformen, von Kunst bis Physik. Das erste und wichtigste Prinzip in Damanhurs Philosophie ist, dass das einzig Konstante die Veränderung ist. Zum Beispiel das Modell der Entscheidungsfindung: Inzwischen haben wir ein demokratisches System mit gewählten Vertretern und Wahlräten.»
Damanhur legte immer ein besonderes Augenmerk auf die Kunst. «Falco, der Gründer von Damanhur, ist als Künstler eine starke Inspirationsquelle für uns alle. Alles, was wir hier sehen, sind Gemeinschaftskunstwerke. Kollektive Kreativität ist nicht gebunden an die besonderen Fähigkeiten einer einzelnen, besonders begabten Person, sondern gründet auf die Energie all derer, die zur Arbeit beitragen. Ähnlich ging es in den Werkstätten der Renaissance zu.»
Welche Funktion haben die Frauen in Damanhur? Lepre: «Frauen spielen in der Gesellschaft von Damanhur eine wichtige Rolle. Indem Männer und Frauen ihre Unterschiede ehren, erlangen sie Ganzheit. Weibliche Qualitäten – aus der sozialen und spirituellen Perspektive betrachtet – machen es möglich, eine Situation zu verbinden und zu festigen. Mit anderen Worten: Wenn Männer Ziegel sind, sind Frauen Mörtel. Zu den weiblichen Fähigkeiten gehören0 das Zusammenhalten, das Bewahren eines breiteren Wissens und das Knüpfen von tiefen Beziehungen zwischen Einzelnen – mit diesen Qualitäten lässt sich eine grössere Stabilität aufbauen als mit der zuerst sehr stark erscheinenden männlichen Kraft.»
Info: Föderation Damanhur, I-10080 Balidessor Cse (ZTO), Italien, Tel. 0039-124-512 2266, [email protected] – http://www.damanhur.info/de
Im Valchiusella-Tal, nicht weit von Turin, liegt die Damanhur-Gemeinschaft. Mit ihren rund 1000 Bewohnern, eigener Verfassung und Währung ist sie eher eine Art spiritueller Kleinstaat. Gegründet 1979 von Oberto Airaudi, genannt «Falco», blieb dieser lange unauffällig – bis ein ehemaliges Mitglied ausplauderte, dass die Gruppe heimlich einen gigantischen unterirdischen Tempel gebaut hatte. Über Jahre hatten sie jede Nacht mit Pickel und Schaufel den Berg ausgehöhlt, die Erde und Steine mit Säcken herunter geschleppt und eine unterirdische Kathedrale mit unzähligen Tempeln geschaffen. Im Nachhinein wurde das Bauwerk behördlich genehmigt und wird heute von Tausenden von Besuchern aus aller Welt bewundert. Zwanzig Wohngemeinschaften gehören zu der Föderation. Im Sommer 2003 kaufte sie das grosse ehemalige Olivetti-Fabrikgebäude mit dem Ziel, zur ökonomischen und sozialen Wiederbelebung der Region beizutragen.
Unerhörte Kreativität
Besuchern fällt als erstes die Kreativität der Bewohner auf: Alle Häuser sind mit Mosaiken und farbenprächtigen Gemälden geschmückt. Es gibt zahlreiche Werkstätten für Schmuck, Metall- und Töpferkunst – aber auch Handwerk und Lebensmittelverarbeitung. Sogar Alltagsgegenstände sind liebevoll gestaltet. Doch dahinter verbirgt sich mehr als Dekoration: Design und Kunst sind ein Teil der spirituell-technologischen Forschung, mit der sogar Geräte entwickelt werden, die Meditation und Gedankenkraft verstärken sollen, die so genannten «Selfica». All das deutet auf ein umfassendes Weltbild und eine ungewöhnliche Gemeinschaft. Was ist es, das ihre Bewohner in die Lage versetzt, eine solche Kreativität zu entfalten? Wie sieht der Alltag in Damanhur aus?
Lepre Viola, Botschafterin von Damanhur, gibt Auskunft. Wie alle Bewohner, hat sie sich den Namen eines Tiers und einer Pflanze gegeben. Erstaunlich, dass eine so kräftige Frau den Namen «Kaninchen Veilchen» trägt.
«Wir leben in Wohngemeinschaften, genannt Nucleos. Jeder hat seinen Job. Wir teilen die Erziehung der Kinder, und jeder, nicht nur die Eltern, verbringt Zeit mit ihnen und kümmert sich um ihre Ausbildung. Die Dörfer sowie die Berufsgruppen haben ihr eigenes soziales Leben. Jeder Bewohner ist Mitglied eines der acht «Pfade», ein Mittelding zwischen Berufsgilde, sozialer Einbettung und spirituellem Weg. Zum Vollmondorakel und zu anderen Zeremonien trifft sich die ganze Gemeinschaft.»
Hat Damanhur ein politisches Ziel?
Lepre: «Gemeinschaften können die Welt verändern. Wir wollen eine Gesellschaft aufbauen, die aus kleinen Gruppen besteht, die spirituell und materiell an der Befreiung und Wiedererweckung des göttlichen Prinzips arbeiten. Wir kreieren ein nachhaltiges Lebensmodell, das auf den ethischen Prinzipien der Liebe und gemeinschaftlichen Lebens beruht und die Kräfte der menschlichen Evolution integriert. Eine Gemeinschaft ist ideal, wenn sie durch Solidarität und gegenseitigem Teilen inspiriert ist. Gemeinschaften, die ihre politischen, ökonomischen und sozialen Kräfte vereinigen, werden in der Lage sein, Ziele zu erreichen, die für Einzelmenschen unmöglich wären.»
Was ist für sie das Besondere an Damanhur? Lepre: «Wir forschen in jedem Lebensbereich – von der sozialen Form des Zusammenlebens bis zu alternativen Energieformen, von Kunst bis Physik. Das erste und wichtigste Prinzip in Damanhurs Philosophie ist, dass das einzig Konstante die Veränderung ist. Zum Beispiel das Modell der Entscheidungsfindung: Inzwischen haben wir ein demokratisches System mit gewählten Vertretern und Wahlräten.»
Damanhur legte immer ein besonderes Augenmerk auf die Kunst. «Falco, der Gründer von Damanhur, ist als Künstler eine starke Inspirationsquelle für uns alle. Alles, was wir hier sehen, sind Gemeinschaftskunstwerke. Kollektive Kreativität ist nicht gebunden an die besonderen Fähigkeiten einer einzelnen, besonders begabten Person, sondern gründet auf die Energie all derer, die zur Arbeit beitragen. Ähnlich ging es in den Werkstätten der Renaissance zu.»
Welche Funktion haben die Frauen in Damanhur? Lepre: «Frauen spielen in der Gesellschaft von Damanhur eine wichtige Rolle. Indem Männer und Frauen ihre Unterschiede ehren, erlangen sie Ganzheit. Weibliche Qualitäten – aus der sozialen und spirituellen Perspektive betrachtet – machen es möglich, eine Situation zu verbinden und zu festigen. Mit anderen Worten: Wenn Männer Ziegel sind, sind Frauen Mörtel. Zu den weiblichen Fähigkeiten gehören0 das Zusammenhalten, das Bewahren eines breiteren Wissens und das Knüpfen von tiefen Beziehungen zwischen Einzelnen – mit diesen Qualitäten lässt sich eine grössere Stabilität aufbauen als mit der zuerst sehr stark erscheinenden männlichen Kraft.»
Info: Föderation Damanhur, I-10080 Balidessor Cse (ZTO), Italien, Tel. 0039-124-512 2266, [email protected] – http://www.damanhur.info/de
01. März 2007
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