Das Nein als Ja zur Lebendigkeit

Die zunehmende Administration produziert sachfremden Aufwand und frisst Motivation. Und trotzdem strampeln wir alle mit im Hamsterrad, liefern pflichtbewusst auch die 17. Analyse zur Qualität unserer Arbeit fristgerecht ab und füllen ein weiteres nervtötendes Evaluationsformular aus.
Die meisten von uns – auch und gerade in der Arbeit mit Menschen – sind geprägt von einem hohen Leistungsstandard: Ich leiste, also bin ich. In der Arbeit mit Menschen heisst Leistung in aller Regel: gut zuhören, sich einfühlen, Bedürfnisse wahrnehmen, Lernen ermöglichen. All dies ist Du-zentriert, nicht Ich-bezogen. Für sich selbst einzustehen, eigene Bedürfnisse anzumelden, Ansprüche zurückzuweisen, gehört oft nicht zum Repertoire. Und ist verbunden mit der Befürchtung, ein solches Verhalten würde uns abschneiden von der Zugehörigkeit zu unserem Umfeld.

Die Angst vor Ausschluss steckt tief in uns drin: Wir können allein nicht überleben. Und wir koppeln diese Angst mit unserer Leistung. Nur, wenn wir allen Ansprüchen gerecht werden, werden wir akzeptiert, vielleicht sogar geliebt. So versuchen wir, alle Anforderungen umfassend zu erfüllen, gerade auch die administrativen, sogar dann, wenn sie unsinnig sind und uns fertig machen. Nein zu sagen ist anscheinend noch bedrohlicher. Wie schade! Denn dieses «Nein!» setzt Kraft frei, belebt, gibt uns Kontur und Substanz. Es ist ein «Ja!» zu uns selbst und zu einer erfüllenden Arbeit.    


Dr. Sina Bardill ist Psychologin und führt seit 10 Jahren in Scharans, GR eine Praxis für Beratung und Supervision. www.gestaltungs-raum.ch


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Sina Bardill spricht auch an der Tagung «Zur Sache – die Fesseln der Bürokratie sprengen» vom 25. Oktober 2014 in Zürich
09. August 2014
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