Das wird zum Rücktrittsgrund

Wegen diesem Papier wird der Bundesrat noch zurücktreten müssen. Am 25. April beantwortete er fünf Interpellationen zur Geldschöpfung, zum fraktionalen Reservesystem, den Folgen für die Realwirtschaft und dem Verbleib der schweizerischen Goldreserven. Das heisst, er beantwortete sie nicht, sondern servierte sie ab mit einer Mischung aus Phrasen, Missverständnissen und Ignoranz.
Dabei waren die Hoffnungen der Geldreformer gross, als Mitte März die Nationalräte Geri Müller (Grüne/AG und Lukas Reimann (SVP/SG), ihre zwei bzw. drei Interpellationen einreichten. Erstmals seit 60 Jahren musste sich der Bundesrat wieder mit der Geldschöpfung befassen, dem grossen Geheimnis der Wirtschaft und der tieferen Ursache der Finanzkrise.


Für alle, die mit der Materie noch nicht vertraut sind: Während Art. 99 der Bundesverfassung das Geldwesen zur Sache des Bundes macht, schöpfen die privaten Banken 85 bis 90 Prozent des Geldes unbar – jedes Mal, wenn sie einen Kredit vergeben. Entgegen der landläufigen Meinung verleihen die Banken nicht das Geld der Sparer – die behalten es nämlich – sondern schöpfen neues Geld. Dieses Geld ist zwar nicht gesetzliches Zahlungsmittel, wird aber so behandelt. Und wenn eine Bank wegen dieser Praxis in Not kommt, haftet der Steuerzahler, wie das Beispiel der UBS in aller Deutlichkeit gezeigt hat.

Die private Geldschöpfung durch die Banken wird von der Nationalbank explizit bestätigt. Als Mindestreserven halten die Banken 2,5 Prozent an gesetzlichen Zahlungsmitteln, Eigenmittel sowie weitere risikoabhängige Rücklagen im Umfang von insgesamt rund zehn Prozent. Die restlichen 90 Prozent sind Kreditgeld aus dem Nichts, das erst dann einen inneren Wert erhält, wenn dafür Wert geschaffen wird. Die Probleme dieser weltweit praktizierten Form der Geldschöpfung sind vielfältig und laufen letztendlich auf ein Schneeballsystem hinaus, da nur die Kredite geschöpft werden, nicht aber Zins und Zinseszins. Zu deren Bezahlung müssen immer neue Kredite gesprochen werden, die ihrerseits die Spirale weiter beschleunigen.

Dieses Problem war der Politik früher bewusst. In den 30er Jahren wurde in den USA eine Reform unter dem Titel «100-percent-money» intensiv und mit überwiegender Zustimmung der Wissenschaft diskutiert, bis der sie vorantreibende Parlamentarier Senator Cutting bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kann.
Warum die Politik so lange einen Bogen um die Geldschöpfung geschlagen hat, ist eine Frage für sich. Solange Wachstum die krisenanfällige Fehlkonstruktion unseres Geld verschleierte, bestand wenig Anlass, diese komplexe Materie aufzugreifen. Viele Politiker, und selbst Banker, verstehen nicht, wie Geld entsteht und glauben noch immer, die Nationalbank versorge die Wirtschaft mit Geld. Zudem ist die Geldschöpfung kein Problem, das man in 30 Sekunden erklären und lösen kann.
Mit der Finanzkrise und der wachsenden Gefahr staatlicher Sanierungen maroder Finanzinstitute, ist nun auch die Erkenntnis gewachsen, dass an der Misere nicht nur Gier und Unvermögen schuld sind, sondern vor allem ein Systemfehler.

Aber der Bundesrat hat mit seiner ausweichenden Antwort eine grosse Chance verpasst, Klarheit zu schaffen und damit die dringend nötige Demokratisierung unseres Geldwesens einzuleiten. In der Formulierung seiner Antworten ging er im Grund recht clever vor. Er legte gezielt Nebelpetarden, die vor allem eines verschleiern sollen: Dass die verfassungsrechtliche und die gesetzliche Regelung unseres Geldwesens lückenhaft ist und dass die Banken schamlos davon profitieren. Der Geldschöpfungsgewinn, die so genannte Seignorage, floss nämlich traditionell dem Souverän zu. Früher war dies der Fürst, heute müssten wir es sein, das Volk, aber bestimmt nicht die Banken.

Geri Müller wollte wissen, auf welche rechtliche Grundlage sich die einheitliche Praxis (auch der Behörden)» stütze, «Sichtguthaben bei den Banken wie gesetzliche Zahlungsmittel zu behandeln», wo doch gemäss Art. 2 des Gesetzes über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG) nur Münzen, Banknoten und Sichtguthaben bei der Nationalbank (für Normalbürger nicht erhältlich) gesetzliche Zahlungsmittel seien. Darauf antwortete der Bundesrat:
Es liegt keine Gleichbehandlung von gesetzlichen und faktischen Zahlungsmitteln vor. Die gesetzlichen Zahlungsmittel sind in Art. 2 WZG abschliessend aufgezählt. Aufgrund der unterschiedlichen Bonität der kontoführenden Institute mangelt es den Guthaben bei Banken an der für das Zentralbankbuchgeld charakteristischen Standardisierung und Fungibilität.
Das sind leere Worthülsen. Hinter dem Begriff «Standardisierung» versteckt sich der einfache Umstand, dass Zentralbankbuchgeld gesetzliches Zahlungsmittel ist, währenddem Bankenbuchgeld eine Forderung darauf darstellt. Und Fungibilität (Tausch-, bzw. Handelbarkeit) heisst nichts weiter, dass man mit Zentralbankgeld immer zahlen kann, mit Bankenbuchgeld jedoch nur, wenn die Bank liquide ist.
Der Bundesrat weiter:
Im Gegensatz zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln besteht beim Bankenbuchgeld eine Annahmepflicht nur, wenn die Zahlung mit Buchgeld vertraglich vereinbart wurde oder durch die Umstände (Verkehrssitte) oder durch besondere gesetzliche Vorschrift geboten ist.
Das ist eine dreiste Falschbehauptung. Ich versuchte unlängst an einem offiziellen, mit «Steuerinkasso» bezeichneten Schalter meine Steuerschuld mit gesetzlichem Zahlungsmittel zu begleichen. Drei, jeweils ranghöhere Beamte traten nacheinander auf den Plan, um mir im Brustton der Überzeugung mitzuteilen, das sei nicht möglich. Erst als ich insistierte und bei Ablehnung eine schriftliche Erklärung verlangte, waren sie bereit, mein gesetzliches Zahlungsmittel zu akzeptieren. Der Beamte ging hinterher an einen Bank- oder Postschalter, um es in nicht gesetzliches Zahlungsmittel umzuwandeln. Das ist die Realität der Ungleichbehandlung von gesetzlichem und privatem Zahlungsmittel!

«Wie vereinbart sich die private, unbare Geldschöpfung durch die Banken mit dem in Artikel 99 BV formulierten Geldregal, nach dem das Geld- und Währungswesen Sache des Bundes ist?» Auf diese unmissverständliche Frage von Geri Müller antwortete der Bundesrat:
Zu den Befugnissen des Bargeldmonopols des Bundes (Art. 99 Abs. 1 BV) gehören die Bestimmung der Währungseinheit und die Bezeichnung der gesetzlichen Zahlungsmittel. (Das hat Geri Müller gar nicht gefragt.) Art. 2 WZG legt fest, dass die Münzen, die Banknoten und die Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank gesetzliche Zahlungsmittel sind.
(Das wussten wir schon, Geri Müller hat es in seiner ersten Frage bereits gesagt.)
Nicht erfasst vom verfassungsrechtlichen Geldbegriff ist das Bankenbuchgeld, welches im Gegensatz zu Guthaben bei der Schweizerischen Nationalbank einem Solvenzrisiko unterworfen ist.
(Da wird frecherweise ein «verfassungsrechtlicher Geldbegriff» postuliert, der so nicht existiert. Es gibt nur Definitionen der gesetzlichen Zahlungsmittel, und es gibt die Definitionen der von der Nationalbank gemessenen Geldmengen. In der massgeblichen Geldmenge M1 ist das Bankenbuchgeld jedenfalls enthalten. Zudem bezeichnet der Bundesrat das Bankenbuchgeld selber als «Geld».)
Die Entwicklung des Bargeldsurrogats ist im Sinne der verfassungsrechtlichen Konzeption dem Markt überlassen.
(Schon wieder ein unsägliche Worthülse: «verfassungsrechtliche Konzeption». Eine solche ist nicht vorhanden. Immerhin gibt der Bundesrat in diesem Abschnitt zu, dass der Markt offenbar die Produktion des Surrogats kontrolliert, das unsere Steuerbehörden dem gesetzlichen Zahlungsmittel vorziehen.)
Der Bund hat allerdings im Rahmen seiner Rechtssetzungskompetenz die Möglichkeit, gegen Entwicklungen, die die Kontrolle des Geldschöpfungsprozesses durch die Schweizerische Nationalbank gefährden oder das Vertrauen in das staatliche Bargeld sonstwie untergraben könnten, vorzugehen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten von Banken, Buchgeld zu schaffen, durch die gesetzlichen Vorschriften über die Mindestreserven sowie über die im Bankengesetz vorgesehenen Vorschriften betreffend Eigenmittel und Liquidität eingeschränkt.
Hier betreibt der Bundesrat eine krasse Beschönigung und verheimlicht wesentliche Fakten. Die Möglichkeit der Nationalbank, die private Geldschöpfung zu kontrollieren, ist minim und beschränkt sich im wesentlichen auf den Zinssatz, zu dem sie den Banken Zentralbankgeld ausleiht. Rechenbeispiel: Will eine Bank eine Million ausleihen, zu der ihr die notwendigen Mindestreserven von 2,5 Prozent fehlen (25’000 Franken), kann sie sich diese bei der Nationalbank leihen und bezahlt dafür 1 Prozent Zins (250 Franken). Das ist eine Kontrolle mit der Hebelwirkung von 0,25 Promille.

Wenn wir unser Bargeld auf die Bank tragen, verwandelt es sich dort in Buchgeld und vereinigt sich mit dem Geld, das die Banken als Kredit geschöpft haben und dessen Wert von der Rückzahlungsfähigkeit der Kreditnehmer abhängt. Solange die Wirtschaft wächst und solange die Sparer ihr Buchgeld nicht in erhöhtem Mass abziehen und in gesetzliches Zahlungsmittel umwandeln, ist das kein Problem. Dass die Wirtschaft nicht ewig wachsen kann, wissen wir schon lange und seit Ausbruch der Finanzkrise erfahren wir täglich, dass die Rückzahlungsfähigkeit der Kreditnehmer weltweit akut in Frage gestellt ist. Die Frage der Sicherheit unserer Bankguthaben ist also dringlich. Lukas Reimann wollte deshalb vom Bundesrat wissen, wodurch das Bankenbuchgeld abgesehen von der gesetzlichen Mindestreserve von 2,5 Prozent abgesichert sei. Die Antwort:
Das Bankenbuchgeld ist sowohl vom Vermögen der Banken als auch durch die Einlagensicherung abgesichert. Durch die Hinterlegung hochwertiger Sicherheiten sind die Banken zudem in der Lage, sich jederzeit bei der SNB mit Zentralbankgeld zu versorgen. Sie sollten damit allfälligen Auszahlungswünschen ihrer Kunden jederzeit nachkommen können, solange sie solvent sind.
Bemerkenswert ist der letzte Satz.

Wovon hängt denn die Solvenz der Banken ab? Der wichtigste Faktor ist psychologisch: Solange die Menschen glauben, ihr nicht vorhandenes Geld sei bei der Bank sicher, können alle ruhig schlafen, auch die Banker. Deshalb werden alle Informationen, die die Glaubwürdigkeit unseres Bankensystems in Frage stellen, tunlichst vermieden, beschönigt oder mit irrelevanten Informationen zugedeckt. Der zweitwichtigste Faktor ist das Wachstum. Solange die Wirtschaft wächst, können die Kreditsummen wachsen, die es für die Zahlung von Zins und Zinseszins zwingend braucht. Wenn die Realwirtschaft nicht mehr wächst – und in dieser Phase stecken wir seit einiger Zeit – müssen wenigstens die Kredite für Finanzanlagen wachsen. Der Zirkelschluss ist einfach zu verstehen: Wenn viele Kredite für den Kauf von Wertpapieren aufgenommen werden, steigt ihr Preis und die Anleger können den Kredit zurückzahlen, einen Gewinn realisieren und auf höherem Niveau weiter spekulieren. Sie fühlen sich reicher, aber eigentlich hat sich nur das Preisschild geändert.
Wenn sie dagegen das Spiel nicht fortführen, stoppt das Wachstum. Die schlechteren Kredite kommen wegen der fehlenden Geldzufuhr in Bedrängnis und mit ihnen die Banken, die sie vergeben haben. Wenn die Anleger ihr Blasengeld nun in Realwert umtauschen, kommt es zur Inflation bei den Gütern und wir alle werden real ärmer. Sehr gut zu beobachten ist dies im Immobilienmarkt, einem Sektor zwischen Real- und Finanzwirtschaft. Weil viele Immobilien nicht zum Selbstgebrauch gekauft werden, sondern als Kapitalanlage, steigen die Preise. Ein Vermögen, das vor kurzem noch für den Kauf eines Hauses gereicht hätte, ist jetzt zu klein.

Die Verwendung der Kredite, d.h. des neu geschöpften Geldes spielt für die Nachhaltigkeit des Systems eine grosse Rolle. Fliessen sie in die Realwirtschaft, entstehen neue Werte und das Verhältnis zwischen Gütern und Geldmenge bleibt stabil. Fliessen Sie jedoch in Anlageprodukte, erhöht sich nur die Geldmenge und der Preis der Papiere steigt. Es entsteht ein Inflationsstau, der die Realwirtschaft überflutet, sobald sich mit Finanzanlagen keine Gewinne mehr realisieren lassen. Zudem: Je mehr Geld in die Finanzwirtschaft fliesst und dort hohe Gewinne ermöglicht, desto mehr gerät die Realwirtschaft unter Druck. Wer will schon sein Geld in einem Bereich riskieren, wo hart gearbeitet werden muss, wenn er mit «sicheren» Anlagen ohne Anstrengung mehr verdienen kann?
Die Frage nach der Verwendung der Kredite, die Lukas Reimann dem Bundesrat stellte, ist deshalb höchst relevant. Die Antwort, in voller Länge:
«Gemäss Kreditstatistik gingen Ende 2011 5% der gesamten Kredite an finanzielle Unternehmen; 95% der gesamten Kredite wurden somit an Haushalte, nicht-finanzielle Unternehmen und öffentliche Unternehmen vergeben.»
Eine solche Antwort, die komplett an der Frage vorbeizielt, ist eigentlich ein Affront und wirft ein eigenartiges Licht auf die Beziehung zwischen Regierung und Parlament, dem sie  eigentlich Rechenschaft schuldet. Hält der Bundesrat die Parlamentarier tatsächlich für so dumm, dass er sie mit solchen Antworten abspeisen kann? Mit Geri Müller und Lukas Reimann geht seine Rechnung allerdings nicht auf. Sie erklärten sich beide als «nicht befriedigt». Es muss also nachgebessert werden.

Aufschlussreich ist die Antwort des Bundesrats auf die Frage von Reimann nach der Überprüfung der schweizerischen Goldreserven, die zu einem grossen Teil im Fort Knox in den USA eingelagert sind, zusammen mit den Goldreserven anderer Staaten. Seit Jahren besteht der nie glaubhaft ausgeräumte Verdacht, diese Reserven seien längst verkauft worden. In Anlehnung an ähnliche Vorstösse in den USA und Deutschland wollte Reimann deshalb in einer separaten Interpellation wissen, wo das Schweizer Gold eingelagert ist und wann die Bestände zum letzten Mal physisch kontrolliert wurden. Antwort:
«Das im Ausland lagernde Gold wird gemäss nationalen und internationalen Standards erstellten Drittbestätigungen nachgewiesen. Aus Sicherheitsgründen werden die Lagerorte der Goldbestände nicht bekannt gegeben.»
Nicht gerade eine Antwort, die den Verdacht beseitigt, im Gegenteil.

Und so geht das weiter, 19 Fragen und 19 nichtssagende, ausweichende und teilweise unverständliche Antworten lang. Ein Wirtschaftsprofessor, dem die Antworten zum Kommentar vorgelegt wurden, schrieb entnervt: «Diese offiziellen ‹Antworten› sind ebenso strohdumm wie ideologisch zugebrettert. Lauter 0815-Phrasen….»
Es fällt tatsächlich schwer, angesichts der in jeder Hinsicht unqualifizierten Antworten des Bundesrats den politischen Anstand vor dem hohen Gremium zu wahren. Es geht ja nicht um eine unbedeutende Trottoirabsenkung oder die Verlängerung des Importstopps für Preiselbeeren, sondern um unser Geld, seinen Missbrauch und um unser Volksvermögen.

Machen Sie sich selber ein Bild der Sache. Die Interpellationen finden sie mitsamt den bundesrätlichen Antworten weiter unten.

Was darf man aus den Antworten des Bundesrates schliessen?
1. Er steht eindeutig auf der Seite der privaten Banken, die ihre profitable Geldschöpfung auf Risiko der Allgemeinheit weiter führen wollen.
2. Entweder er versteht die Materie nicht oder will unter allen Umständen eine öffentliche Diskussion verhindern.
3. Er versteckt sich hinter der Autonomie der Nationalbank und verweigert die politische Verantwortung.

Die bundesrätlichen Antworten sind ein eigenartiges Zeitdokument, inhaltlich nichtssagend und doch bedeutungsvoll: Sie zeigen, dass der Bundesrat der Finanzkrise und ihren tieferliegenden Ursachen nicht nur tatenlos gegenüber steht, sondern es sogar ablehnt, genauer hinzuschauen. Wenn die Krise voll zuschlägt – das wird sie! – und wir unsere geldpolitische Souveränität verlieren, ist dieses Papier ein hundertprozentiger Rücktrittsgrund. Es sei denn, die Mitglieder dieses Gremiums können nachweisen, dass ihnen irgendein Beamter mit diesem Text ein faules Ei gelegt hat. Antworten auf Interpellationen tragen glücklicherweise keine Unterschriften. Es wird wieder niemand gewesen sein, der von allem nichts gewusst hat.





Bundesgesetzes über die Währung und die Zahlungsmittel

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12.3305 – Interpellation
Geldschöpfung in der Schweiz I
Geri Müller
http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123305

Eingereichter Text
Aus Anlass der Euro- und Verschuldungskrise bitte ich den Bundesrat um eine Stellungnahme zum Prozess der Geldschöpfung in der Schweiz. Nach übereinstimmender nationalökonomischer Lehre wird der überwiegende Teil der Geldmenge M1 nicht durch die Nationalbank geschöpft, sondern mittels Bilanzverlängerung durch die Geschäftsbanken. Der Vorgang der Buchgeldschöpfung wird auch von der Nationalbank bestätigt: "Die Banken schaffen neues Geld, indem sie Kredite vergeben" ("Die Nationalbank und das liebe Geld", S. 19).
Aus dieser Feststellung ergeben sich folgende Fragen, die der Bundesrat beantworten möge.
1. Gemäss Artikel 2 des Bundesgesetzes über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG) gelten ausschliesslich Münzen, Banknoten und Sichtguthaben bei der Nationalbank als gesetzliche Zahlungsmittel. Auf welche rechtliche Grundlage stützt sich die einheitliche Praxis (auch der Behörden), Sichtguthaben bei den Banken wie gesetzliche Zahlungsmittel zu behandeln, obwohl sie nur eine Forderung auf solche darstellen, die von den Banken je nach Bonität erfüllt werden kann oder auch nicht?
2. Wie vereinbart sich die private, unbare Geldschöpfung durch die Banken mit dem in Artikel 99 BV formulierten Geldregal, nach dem das Geld- und Währungswesen Sache des Bundes ist?
3. Wie der Bundesrat in der Botschaft zum WZG vom 26. Mai 1999 festhält, sind "Guthaben bei einer Gross-, Kantonal- oder Regionalbank oder gar einer Kreditkartenorganisation ... etwas genuin anderes als Guthaben bei der SNB, die als einzige Institution im Lande ... autonom Geld schöpfen kann." Der Staat dürfe deshalb "Banken-Buchgeld" nicht als "gesetzliches Zahlungsmittel erklären" (99.051, S. 72). Wie beurteilt der Bundesrat angesichts der faktischen Gleichbehandlung von Banken-Buchgeld mit gesetzlichem Zahlungsmittel die Notwendigkeit, diese Unterscheidung auf Gesetzesstufe zu präzisieren? Immerhin glaubt die Mehrheit der Bevölkerung noch immer, auf Franken lautende Zahlungsmittel würden ausschliesslich von der Nationalbank in Umlauf gebracht und seien durch sie gesichert.
4. Wie legitimiert der Bundesrat das Sonderrecht der privaten Banken, Geld ohne volle Kapitaldeckung mittels Bilanzverlängerung durch Kredite zu schöpfen, während Private nur dann Dritten ein Darlehen geben dürfen, wenn sie das erforderliche Geld von einem Konto abheben können?

Antwort des Bundesrates vom 25.04.2012
1. Es liegt keine Gleichbehandlung von gesetzlichen und faktischen Zahlungsmitteln vor. Die gesetzlichen Zahlungsmittel sind in Art. 2 WZG abschliessend aufgezählt. Aufgrund der unterschiedlichen Bonität der kontoführenden Institute mangelt es den Guthaben bei Banken an der für das Zentralbankbuchgeld charakteristischen Standardisierung und Fungibilität.
Im Gegensatz zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln besteht beim Bankenbuchgeld eine Annahmepflicht nur, wenn die Zahlung mit Buchgeld vertraglich vereinbart wurde oder durch die Umstände (Verkehrssitte) oder durch besondere gesetzliche Vorschrift geboten ist.
2. Zu den Befugnissen des Bargeldmonopols des Bundes (Art. 99 Abs. 1 BV) gehören die Bestimmung der Währungseinheit und die Bezeichnung der gesetzlichen Zahlungsmittel. Art. 2 WZG legt fest, dass die Münzen, die Banknoten und die Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank gesetzliche Zahlungsmittel sind. Nicht erfasst vom verfassungsrechtlichen Geldbegriff ist das Bankenbuchgeld, welches im Gegensatz zu Guthaben bei der Schweizerischen Nationalbank einem Solvenzrisiko unterworfen ist. Die Entwicklung des Bargeldsurrogats ist im Sinne der verfassungsrechtlichen Konzeption dem Markt überlassen. Der Bund hat allerdings im Rahmen seiner Rechtssetzungskompetenz die Möglichkeit, gegen Entwicklungen, die die Kontrolle des Geldschöpfungsprozesses durch die Schweizerische Nationalbank gefährden oder das Vertrauen in das staatliche Bargeld sonstwie untergraben könnten, vorzugehen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten von Banken, Buchgeld zu schaffen, durch die gesetzlichen Vorschriften über die Mindestreserven sowie über die im Bankengesetz vorgesehenen Vorschriften betreffend Eigenmittel und Liquidität eingeschränkt.
3. Es sei auf Ziff. 1 und 2 verwiesen. Art. 2 WZG hält unmissverständlich fest, was gesetzliche Zahlungsmittel sind. Wie die Diskussionen um die Einlagensicherung im Zuge der Finanzkrise gezeigt haben, ist der Öffentlichkeit bewusst, dass auf Franken lautende Bankguthaben nicht durch die Schweizerische Nationalbank gesichert sind.
4. Die Entwicklung des Bargeldsurrogats ist im Sinne der verfassungsrechtlichen Konzeption einer Privatwirtschaft dem Markt überlassen. Durch die Entgegennahme von Kundengeldern und die Kreditvergabe erfüllen Banken ihre zentrale und für die Volkswirtschaft wichtige Funktion als Vermittler zwischen Sparern und Kreditnehmern. Aufgrund der Rechtssetzungskompetenz des Bundes kann die Möglichkeit der Geldschöpfung durch die Banken eingeschränkt und reguliert werden (vgl. Ziff. 2). Der Gesetzgeber hat diverse detaillierte Vorschriften erlassen (beispielsweise zu den Eigenmitteln, zur Liquidität sowie zu den Mindestreserven).

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12.3306 – Interpellation
Geldschöpfung in der Schweiz II
Geri Müller
http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123306

Eingereichter Text
Aus Anlass der Euro- und Verschuldungskrise bitte ich den Bundesrat um eine Stellungnahme zum Prozess der Geldschöpfung in der Schweiz. Nach übereinstimmender nationalökonomischer Lehre wird der überwiegende Teil der Geldmenge M1 nicht durch die Nationalbank geschöpft, sondern mittels Bilanzverlängerung durch die Geschäftsbanken. Der Vorgang der Buchgeldschöpfung wird auch von der Nationalbank bestätigt: "Die Banken schaffen neues Geld, indem sie Kredite vergeben" ("Die Nationalbank und das liebe Geld", S. 19).
Aus dieser Feststellung ergeben sich folgende Fragen, die der Bundesrat beantworten möge.
1. Der grösste Teil des Geldes wird nahezu autonom von im Eigeninteresse handelnden privaten Banken geschöpft, die nebst den gesetzlichen Eigenkapitalquoten und Liquiditätsvorschriften nur eine Mindestreserve von 2,5 Prozent in gesetzlichen Zahlungsmitteln einhalten müssen. Wie kann die Schweizerische Nationalbank unter diesen Bedingungen ihre verfassungsmässige Aufgabe einer "Geld- und Währungspolitik, die dem Gesamtinteresse des Landes dient" wahrnehmen?
2. Wodurch wird gerechtfertigt, dass der Staat auf Kosten der Allgemeinheit gewaltige Verpflichtungen in Form von Einlagensicherungsfonds und Staatsgarantien zur Risikobefreiung der Banken eingeht? Warum begnügt sich umgekehrt der Bund (und die Kantone) mit einem kleinen Anteil des Geldschöpfungsgewinns (Zentralbankkredit an Banken) und überlässt den Löwenanteil (Giralgeldschöpfung an Kreditnehmer) den privaten Banken?

Antwort des Bundesrates vom 25.04.2012
Eine mit den Grundsätzen der Geldpolitik vereinbare Geldschöpfung ist als Errungenschaft einer entwickelten Volkswirtschaft zu akzeptieren. Die Geldschöpfung erfolgt dabei sowohl im Zentralbankensystem als auch im Geschäftsbankensystem. Für die Führung der Geldpolitik und damit auch für eine Beurteilung der Entwicklung der Geldmenge ist die Nationalbank zuständig. Im Einzelnen ist wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Gemäss Art. 5 des Nationalbankgesetzes (NBG) besteht die Aufgabe der Nationalbank in der Gewährleistung der Preisstabilität. Dabei trägt sie der konjunkturellen Entwicklung Rechnung. Die SNB steuert zu diesem Zweck die monetären Bedingungen durch ihre Operationen am Frankengeldmarkt. Die Tatsache, dass sich Sichtguthaben bei Geschäftsbanken als Zahlungsmittel etabliert haben, ändert nichts daran, dass die Nationalbank das gesamtwirtschaftliche Zinsniveau durch ihre Geldpolitik massgeblich beeinflussen kann. Dies ist eine Voraussetzung für die Sicherung der Preisstabilität. Zudem wird die Geldschöpfung der Banken durch deren Bedarf an Notenbankgeld durch die Nationalbank begrenzt.
2. Ein funktionierendes und stabiles Bankensystem ist für eine gedeihliche Entwicklung der Gesamtwirtschaft unabdingbar. Die Banken haben dabei eine stabile und effiziente Versorgung mit Finanzdienstleistungen, beispielsweise mit Krediten, sicherzustellen. Die Kreditvergabe durch Private ist ordnungspolitisch erwünscht. Ein Kreditvergabemonopol durch den Staat wäre dagegen nicht zielführend, denn es ist nicht anzunehmen, dass der Staat die so entstehenden Interessenskonflikte besser lösen könnte als die - vorab gewinnorientierten - Geschäftsbanken. Auch die Erfahrungen aus Planwirtschaften zeigen, dass eine staatliche Bereitstellung dieser Leistungen nicht zu besseren Ergebnissen führt. Die Privaten haben deshalb möglichst auch die entsprechenden Ausfallrisiken zu tragen. Diesbezüglich schafft die Too-big-to-fail Gesetzgebung klare Verbesserungen. Eine übermässige Risikoübernahme und unzureichende Kontrolle der Banken werden generell besser im Rahmen der Finanzmarktregulierung und -aufsicht oder des Aktienrechts angegangen als durch eine staatliche Organisation der Kreditversorgung. Im Übrigen wird die Einlagensicherung durch die Banken von diesen selbst finanziert.

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12.3200 – Interpellation
Illusionswirtschaft und Realwirtschaft
Lukas Reimann
http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123200

Eingereichter Text
Der überwiegende Teil der Geldmenge M1 wird nicht von der Schweizer Nationalbank (SNB), sondern von Geschäftsbanken mittels Kreditvergabe durch Bilanzverlängerung unbar in Umlauf gebracht. "Die Banken schaffen neues Geld, indem sie Kredite gewähren" (Glossar der SNB). Die Mindestreserve an gesetzlichen Zahlungsmitteln beträgt 2,5 Prozent. Dies wirft Fragen zur Entstehung, Verwendung und Sicherheit dieses Bankenbuchgeldes auf.
1. Trotz des exklusiv dem Bund zugeschriebenen Geldmonopols in Artikel 99 BV und in der Botschaft zum WZG überlässt dieser die Geldschöpfung weitgehend den Banken und nötigt damit sich selber, sich bei ihnen zu verschulden und dafür auch noch Zinsen zu zahlen. Was rechtfertigt die Verschuldung und den Zinsendienst des Staates bei den Geschäftsbanken, welche er im Krisenfall rettet (Too big to fail)?
2. Die Notenbankgeldmenge (M0) hat sich zwischen 2008 und 2011 innerhalb von drei Jahren mehr als vervierfacht, (von 49,5 auf 231,9 Milliarden Franken) - ohne sichtbaren Nutzen für die Realwirtschaft, in der die Mehrheit der Bevölkerung ihr täglich Brot verdient.
a. Wofür wurden diese Mittel verwendet?
b. Wie kann der Bundesrat sicherstellen, dass die Geldpolitik der Nationalbank allen Bürgern und Bürgerinnen dient?
c. Wie gross ist der Anteil des Bankenbuchgeldes an der gesamten Geldmenge M1?
d. Wodurch ist - abgesehen von der gesetzlichen Mindestreserve - das Bankenbuchgeld abgesichert?
3. Die Geldversorgung der Finanz- und Realwirtschaft durch die Geschäftsbanken ist erwiesenermassen prozyklisch. In Krisenzeiten wird die Kreditvergabe an die Realwirtschaft eingeschränkt, während die Finanzwirtschaft mit enormen Summen und Garantien der öffentlichen Hand unterstützt wird. Dies ermöglicht hohe Buchgewinne auf Finanzanlagen. Der Realwirtschaft, die diesem Profitdruck nicht standhalten kann, werden dringend benötigte Mittel entzogen. Welche geldpolitischen Massnahmen zur Unterstützung der Realwirtschaft kann der Bundesrat veranlassen?
4. Nach vorherrschender nationalökonomischer Theorie besteht der Nutzen dieses Kreditgeldes darin, Geld- und Gütermenge in ein Gleichgewicht zu bringen. Entscheidend für diesen Effekt ist allerdings die Verwendung der Kredite. Wie gross ist der Anteil der Kredite, die in die Realwirtschaft und damit in die Wertschöpfung fliessen und wie gross ist der Anteil, welcher der Finanzwirtschaft und Anlagewerten zugutekommt?

Antwort des Bundesrates vom 25.04.2012
Die Nationalbank führt eine Geldpolitik im Interesse der Gesamtwirtschaft und ist damit auch für die Geldversorgung zuständig. Die Entwicklung der Geldmenge lässt sich im Rahmen der Geldpolitik beeinflussen, wobei der Geldschöpfungsprozess nicht grundsätzlich einzuschränken ist. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass eine strikte Trennung oder gar Gegenüberstellung der Interessen von Real- und Finanzwirtschaft wenig zielführend ist, weil beide stark voneinander abhängig sind.
1. Geschäftsbanken können Geld in Form von Sichtguthaben schöpfen, indem sie Kredite gewähren, die sie entweder durch Kundeneinlagen oder durch die Ausgabe von eigenen Schuldverschreibungen finanzieren. Die Finanzpolitik des Bundes - also die Finanzierung der Staatsausgaben durch Steuereinnahmen oder durch staatliche Verschuldung - ist davon unabhängig; die Zinszahlungen auf die Staatschuld erfolgen an deren Gläubiger, vorab Pensionskassen und private Haushalte, die den überwiegenden Teil der Bundesanleihen halten.
2. Die Ausweitung der Notenbankgeldmenge erfolgte aufgrund von geldpolitischen Überlegungen und damit im Interesse der Gesamtwirtschaft. Sie ergab sich überwiegend aus den Interventionen der SNB am Devisenmarkt zur Schwächung des Schweizer Frankens. Breitere Geldmengenaggregate haben sich in der betreffenden Zeit übrigens deutlich weniger ausgeweitet.
a. Der Gegenwert dieser Interventionen wurde in Wertpapieren, die in ausländischer Währung denominiert sind, angelegt. Die Zinserträge dieser Wertpapiere tragen zum Gewinn der SNB bei, was jedoch auch mit einem höheren Wechselkursrisiko auf diesen Anlagen verbunden ist.
b. Die Nationalbank muss gemäss Bundesverfassung (Art. 99 Abs. 2) als unabhängige Zentralbank eine Geld- und Währungspolitik führen, die dem Gesamtinteresse des Landes dient. Insbesondere muss sie als vorrangiges Ziel die Preisstabilität gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung tragen. Mit der Erfüllung dieses Mandates wird sichergestellt, dass die Geldpolitik der Nationalbank allen Bürgern und Bürgerinnen dient.
c. Die Sichteinlagen und Transaktionskonti machen gegenwärtig 54% der breiter definierten Geldmenge M1 aus.
d. Das Bankenbuchgeld ist sowohl vom Vermögen der Banken als auch durch die Einlagensicherung abgesichert. Durch die Hinterlegung hochwertiger Sicherheiten sind die Banken zudem in der Lage, sich jederzeit bei der SNB mit Zentralbankgeld zu versorgen. Sie sollten damit allfälligen Auszahlungswünschen ihrer Kunden jederzeit nachkommen können, solange sie solvent sind.
3. Gemäss Gesetzesauftrag ist die Nationalbank verpflichtet, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen. Die Erfüllung dieses Mandates unterstützt die Realwirtschaft. Geldpolitische Massnahmen fallen aber nicht in die Zuständigkeit des Bundesrates. Laut Verfassung führt die SNB eine unabhängige Geldpolitik. Bei der Wahrnehmung der geld- und währungspolitischen Aufgaben dürfen die Nationalbank und die Mitglieder ihrer Organe gemäss Art. 6 NBG weder vom Bundesrat noch von der Bundesversammlung oder von anderen Stellen Weisungen einholen oder entgegennehmen.
4. Gemäss Kreditstatistik gingen Ende 2011 5% der gesamten Kredite an finanzielle Unternehmen; 95% der gesamten Kredite wurden somit an Haushalte, nicht-finanzielle Unternehmen und öffentliche Unternehmen vergeben.

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12.3199 – Interpellation
Fraktionales Reservesystem. Guthaben und Schulden
Lukas Reimann
http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123199

Eingereichter Text
Alles heutige Geld ist Kreditgeld. Die Zentralbank stellt den Geschäftsbanken per Kredit Reserven (zum kleineren Teil in Bargeld) zur Verfügung, und die Geschäftsbanken stellen den öffentlichen und privaten Haushalten per Kredit ein Vielfaches davon als Giral-/Buchgeld zur Verfügung: Aus Schulden werden Guthaben. Aus aktuellem Anlass der Euro- und Verschuldungskrise bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen über dieses geltende Kreditgeldsystem (fraktionales Reservesystem mit multipler Kreditgeldschöpfung) zu beantworten:
1. Schulden und Guthaben müssen im Kreditsystem (z.B. im Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum und den Zinszahlungen) ständig wachsen, begrenzt nur durch die Einschätzung der Kreditfähigkeit. Wie beurteilt der Bundesrat das Problem, dass mit der Geldmengenausweitung nicht nur die Guthaben, sondern immer auch die Schulden wachsen müssen?
2. Würden alle Schulden zurückbezahlt, gäbe es (bis auf Noten und Münzen) kein M1-Geld mehr. Wie beurteilt der Bundesrat im Hinblick auf die Schuldenbremse den Effekt unseres heutigen Systems, dass es ohne Schulden keine Guthaben geben kann?

Antwort des Bundesrates vom 25.04.2012
Die Kreditvergabe durch das Bankensystem ist ein wesentlicher Baustein unseres Wirtschaftssystems. Die Existenz von Guthaben und Schulden (Krediten) ist der Ausdruck einer arbeitsteiligen Wirtschaft und ist nicht unmittelbar durch das Geldsystem bedingt. Die Spezialisierung in einer entwickelten Volkswirtschaft erfordert es, dass Individuen miteinander in Austausch treten und damit Forderungen und Verbindlichkeiten aufbauen. Das Geldsystem erlaubt es, durch das Zwischenschalten eines Zahlungsmittels diese Guthaben und Schulden von dem direkten Austausch von Gütern zu trennen. Es ist offensichtlich, dass die Geldwirtschaft der Tauschwirtschaft an Effizienz weit überlegen ist. Könnten sich Unternehmen zudem nicht verschulden, das heisst keine Kredite aufnehmen, wären viele Investitionen nicht möglich.
1. Laut Bundesverfassung (Art. 99) führt die Schweizerische Nationalbank eine unabhängige Geldpolitik im Interesse der Gesamtwirtschaft. Geldpolitische Massnahmen zur Unterstützung der Realwirtschaft fallen deshalb nicht in die Zuständigkeit des Bundesrates.
Im Interesse einer reibungslosen Entwicklung der Volkswirtschaft mit konstanten Preisen soll eine Ausweitung der Geldmenge im Rahmen des Wirtschaftswachstums erfolgen. Wirtschaftswachstum bedeutet dabei, dass die Tauschgeschäfte - also Guthaben und Schulden beziehungsweise Kredite - zunehmen. Die Ausweitung der Guthaben und Schulden ist Ausdruck höherer wirtschaftlicher Aktivität und nicht eine Folge oder gar ein Problem der Geldmengenausweitung.
Ein Wachstum von Guthaben ohne entsprechende Verschuldung ist nur durch Ersparnis - also Aufbau von Vermögen - möglich. Dies erfordert eine dauerhafte Aufbewahrung der erarbeiteten Werte, wozu sowohl reale Güter wie Edelmetalle oder Immobilien geeignet sind, oder eben Geld und Finanzanlagen. Eine Wertaufbewahrung in Finanzanlagen generiert in der Regel Zinserträge. Diese Zinserträge müssen erarbeitet werden. Dies geschieht dadurch, dass die angelegten Guthaben als Schuld ausgeliehen werden, damit sie z.B. von Unternehmen produktiv investiert werden können. Das Wachstum der Schulden resultiert also aus einer Anlageentscheidung des Investors und ist kein Merkmal des Geldsystems an sich.
2. Solange Bankkunden Sichteinlagen bei Geschäftsbanken nachfragen, wird es M1-Geld geben. Sollte die Bank nicht in der Lage sein, ihre Kundeneinlagen als Kredite auszuleihen, kann sie die Mittel auch auf ihrem Konto bei der Zentralbank halten (oder sogar als Banknoten im Tresor). Damit verzichtet sie allerdings auf die Kreditvergabe und auf einen Ertrag auf die Kundeneinlagen. Die Kreditvergabe durch das Bankensystem ist eine zentrale Funktion der Banken und ein wesentlicher Baustein des Wirtschaftssystems.
Die Verschuldung des Bundes stellt nur einen Teil der gesamtwirtschaftlichen Verschuldung dar. Die Schuldenbremse zielt damit lediglich darauf ab, die Neuverschuldung durch den Bund zu begrenzen, nicht jedoch die private Verschuldung. Die Schuldenbremse lässt in konjunkturell schwierigen Zeiten eine Erhöhung der Schuld zu und verlangt Überschüsse in der Hochkonjunktur, womit die Verschuldung des Bundes langfristig stabil bleibt.

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12.3313 – Interpellation
Prüfung der vollständigen physischen Existenz der Schweizer Goldreserven
Lukas Reimann
http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20123313

Eingereichter Text
In zahlreichen Ländern sorgt die Überprüfung der physischen Bestände der Goldreserven für Unruhe. Im US-Kongress verlangt eine parlamentarische Eingabe die Überprüfung der physischen Existenz aller Goldreserven. Regierung und Zentralbank versuchen dies zu verhindern und nähren damit Vermutungen, dass gar nicht mehr alle in der Bilanz ausgewiesenen Goldreserven physisch vorhanden sind.
In Deutschland hat der Bundesrechnungshof dem Bundesministerium für Finanzen eine Prüfungsankündigung über die "Nachweisführung, Bilanzierung und Bewertung der Goldbestände" bei der Deutschen Bundesbank übersandt. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.Die Schweiz lagert einen unbekannten Teil ihrer Goldbestände im Ausland, darunter auch in den obengenannten Staaten. Wenn in diesen Staaten schon erhebliche Mängel bei der Überprüfung der Goldreserven festgestellt werden, dann sind Überprüfungen der Goldbestände durch die Schweiz umso wichtiger.
1. Wer ist konkret zuständig für die Überprüfung der physischen Existenz der im In- und Ausland gelagerten Goldbestände der Schweiz und wie lautet der konkrete Auftrag dafür?
2. Falls die Goldbestände von einer internen Revisionsstelle der SNB kontrolliert werden:
a. Wer ist die interne Revisionsstelle der SNB?
b. Wie ist ihre personelle Zusammensetzung?
c. Müssten solche Prüfungen nicht von einer unabhängigen Drittstelle ausserhalb der SNB, z.B. von einer Parlamentarierdelegation - durchgeführt werden?"
3. Müssen regelmässig Kontrollzählungen der Barren vor Ort durchgeführt werden? Wenn ja, beziehen sich diese Kontrollen auch auf den im Ausland gelagerten Bestand? Handelt es sich jeweils nur um Stichprobenkontrollen oder um vollständige Kontrollen über das physische Vorhandensein des Gesamtbestandes der Barren?
4. Wann wurde zum letzten Mal eine Kontrollzählung über das vollständige physische Vorhandensein der Barren durchgeführt und durch wen
a. in der Schweiz?
b. in den USA?
c. in Deutschland?
d. in England?
e. in Frankreich?
f. in weiteren Staaten? Welchen?
5. Wann wurde zum letzten Mal eine umfassende Überprüfung über das vollständige physische Vorhandensein aller Goldbestände der Schweiz im In- und Ausland vorgenommen?
6. Genügt die bestehende Kontrolle? Welche Massnahmen trifft der Bundesrat, um die Kontrolle zu verstärken?
7. Können im Ausland gelagerte Goldbestände nicht als Erpressungsmittel gegen die Schweiz verwendet werden?

Antwort des Bundesrates vom 25.04.2012
Für die Überprüfung der Goldbestände, welche einen Teil der Währungsreserven der Schweizerischen Nationalbank darstellen, ist die Nationalbank zuständig. Innerhalb der SNB ist der Bankrat verantwortlich für die Aufsicht und Kontrolle der Geschäftsführung (Art. 42 NBG). Als spezialgesetzliche Aktiengesellschaft ist die SNB dem Bundesrat in dieser Hinsicht keiner besonderen Rechenschaftspflicht unterstellt.
Die Sicherheit und die Existenz der Goldbestände werden primär durch ein ordnungsmässiges internes Kontrollsystem gewährleistet. Zusätzlich prüft die Interne Revision gemäss ihrem jährlich vom Prüfungsausschuss des Bankrats der SNB verabschiedeten Prüfungsplan das Vorhandensein der Goldbestände. Sie berichtet über die Prüfungsergebnisse dem Prüfungsausschuss und dem Erweiterten Direktorium. Die externe Revisionsstelle der SNB überprüft die Prüfungsarbeiten der Internen Revision. Die Überprüfung der Goldbestände ist eine klassische Prüfhandlung, welche von den beiden Revisionsstellen erbracht werden kann. Entsprechend der Wichtigkeit der Goldbestände erfolgen regelmässige Bestandeskontrollen im Rahmen des Internen Kontrollsystems. Zudem führt die Interne Revision jährlich Bestandesprüfungen durch, letztmals 2011.
Die Interne Revision ist eine eigene Organisationseinheit der SNB, die führungsmässig direkt dem Prüfungsausschuss des Bankrats unterstellt und administrativ dem I. Departement zugeteilt ist. Sie umfasst acht Mitarbeitende. Der Leiter, der Stellvertreter und die Leiterin der Fachrevision sind diplomierte Wirtschaftsprüfer.
Die Prüfungen werden im Inland vor Ort durchgeführt und umfassen sowohl vertiefte Stichproben als auch vollständige Bestandeskontrollen. Das im Ausland lagernde Gold wird gemäss nationalen und internationalen Standards erstellten Drittbestätigungen nachgewiesen. Aus Sicherheitsgründen werden die Lagerorte der Goldbestände nicht bekannt gegeben.
Für die Aufbewahrung im Ausland kommen grundsätzlich nur Länder mit hoher politischer und wirtschaftlicher Stabilität in Frage. Daneben spielt das rechtliche Umfeld - Gesetzgebung und Rechtssprechung über Immunität in Gerichts- und Vollstreckungsverfahren - eine wichtige Rolle. Die diesen Merkmalen genügenden Länder können sich im Zeitablauf ändern. Die Nationalbank beobachtet die Entwicklung laufend und hat die Möglichkeit, auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren.
29. Juni 2012
von:

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Christoph Pfluger

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Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".

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