Der Anruf

«Are you Anton Brueeeschweeeiler?», fragte die Stimme immer wieder. Die Samstags-Kolumne.

Da sie innerhalb der USA keine fähigen Leute fänden, müssten sie jetzt weltweit auf die Suche gehen. Foto: Pixabay

Letzten Dienstag erhielt ich einen Anruf mit einer ellenlangen Vorwahl. Zuerst dachte ich an irgendeinen verkappten Werbeanruf und wollte das Telefonat gar nicht entgegennehmen. Doch dann siegte meine Neugier und ich nahm den Anruf an. Eine leicht verzerrte Stimme brabbelte irgend­etwas auf Englisch. Zuerst vermutete ich, dass sich jemand verwählt hatte. Doch der Mann am anderen Ende fragte immer wieder: «Are you Anton Brueeeschweeeiler?», was ich schlussendlich bejahte.

Der Anrufer stellte sich als Jason Rae, Generalsekretär der Demokratischen Partei der Vereinigten Staaten von Amerika vor. Er kam direkt zur Sache: Sie seien verzweifelt auf der Suche nach einem fähigen Ersatzkandidaten für Joe Biden bei den Präsidentschaftswahlen. Laut dem Generalsekretär hatte mich mein Bruder Stephan, der seit 35 Jahren in den Staaten lebt, empfohlen.

Da sie innerhalb der USA keine fähigen Leute fänden, müssten sie jetzt weltweit auf die Suche gehen. Dazu muss man wissen, dass ich tatsächlich die amerikanische Staatsbürgerschaft besitze, da mein Bruder Stephan und ich in den USA geboren wurden, wo mein Vater seine Ausbildung zum Röntgenarzt abschloss.

Zuerst wollte ich gleich spontan zusagen. Zu verlockend erschienen mir all die Vorteile: Dieser Job wird sicher gut bezahlt sein, dachte ich, also sicher besser als mein Job als Gitarrenlehrer an der Musikschule Gürbetal. Zudem habe ich ein Flair für grosse Ami-Schlitten und ehrlich gesagt langsam die Nase voll von meinem Dacia Sandero, der zu den Kleinwagen gehört und häufig Anlassprobleme hat. Zudem fliege ich sehr gerne.

Als Präsident der USA dürfte ich fast täglich fliegen, ja, ich hätte sogar eine eigene Boeing, ein richtiger Bubentraum. Und ich müsste mich nicht mal für das Fliegen schämen. Und ich könnte wahrscheinlich sogar gratis an Taylor-Swift-Konzerte, vielleicht sogar in die erste Reihe.

Doch dann kam mir in den Sinn, dass ich in meinem Garten gerade Tomaten gepflanzt hatte, Broccoli gesetzt und Kornblumen gesät hatte. Wer sollte dazu schauen? Wasser geben, Unkraut jäten, den Rasen pflegen? Natürlich könnte ich da jemanden anstellen. Aber Sie wissen doch selbst genau, wie das so geht: Eine fremde Person macht das einfach nicht mit derselben Hingabe und es würde mir das Herz brechen, wenn jemand einfach eine kleine, junge, heranwachsende Tomate abbrechen würde.

Aus diesen Gründen gab ich Jason Rae einen Korb. Aber ich hoffe natürlich trotzdem, dass sie noch jemanden Fähigen finden werden, im besten Fall jemanden in meinem Kaliber

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