Der fatale Irrtum: Ich hab's doch im Fernsehen gesehen

Bei der Analyse von Videos [z.B. aus Syrien] geht es um die Problematik der Verbindung von Bildern mit Sprache. Die Bilder erwecken den Eindruck, man habe das Gesagte gesehen. Und das Gesagte erweckt den Eindruck, dass es durch die Bilder belegt worden sei. Oder gar, dass man den Giftgasangriff bzw. seine Folgen «gesehen» habe. Das heisst, Bild und Text, beides aus dem Zusammenhang gerissen bzw. künstlich, gehen in unserem Gehirn eine fatale Verbindung ein. Die menschliche Wahrnehmung ist gegenüber bewegten Bildern wehrlos. Sie kann sie im Grunde nicht von der Realität unterscheiden. Deswegen ist es auch so schwer, dagegen anzukämpfen, dass man immer und immer wieder manipuliert wird.

Zwischen Sehen, Glauben und Wissen gibt es von Natur aus gar keinen Unterschied, ganz einfach, weil es nie nötig war, einen Unterschied zu machen. Bis auf die letzten 100 Jahre waren bewegte Bilder und die Realität in der Geschichte der Menschheit noch nie zwei verschiedene Dinge, ganz einfach, weil nur die Realität bewegte Bilder «produzieren» konnte. Und das macht Videos und Fernsehen zu den idealen Propagandamitteln, die ständig mit der Realität verwechselt werden. Seriös wirkende Kommentatoren und Moderatoren tun das Ihre.

Im Grunde schreibt man gegen einen unglaublich starken Mechanismus im Bereich der menschlichen Realitätsverarbeitung (Kognition) an, der alles, was er sieht, für «wahr» hält. Die Produktion von bewegten Bildern und ihre Kombination mit Sprache (und ggf. auch mit Musik etc.) ist ein enormer Eingriff in die Informationsverarbeitung und Steuerungsfähigkeit des Menschen. Mit solchen Gaukelbildern (zu denen ja auch «echte» Aufnahmen gehören, da sie ja nun mal nicht real auf dem TV-Schirm vorhanden sind) wird dem einzelnen Menschen das kognitive Steuer direkt aus der Hand genommen.

Die Unfähigkeit, bewegte Bilder von der Realität zu unterscheiden, ist der zentrale wunde Punkt im Auffassungsvermögen des Menschen. Wenn wir über einzelne Aufnahmen bewusst nachdenken, können wir uns zwar manchmal distanzieren – aber natürlich nicht bei der ganzen Bilderflut, die Tag für Tag auf uns einstürmt. Das heisst, homo sapiens (der «weise Mensch») ist gegenüber jeglicher Lüge wehrlos, solange sie nur bebildert wird – und damit letztlich auch wehrlos gegenüber jeder Tyrannei.
 
Bei diesem Text handelt es sich um einen Ausschnitt aus vor kurzem erschienenen  Buch «verheimlicht, vertuscht, vergessen – was 2013 nicht in der Zeitung stand» (Knaur, 2014. 368 S. Fr. 12.90/€ 8.–). Das Buch geht detailliert auf den Giftgasangriff vom 21. August 2013 in Damaskus ein, erklärt, warum die FDP aus dem Bundestag geworfen wurde und mit welchen Tricks der «Alternative für Deutschland» der Eintritt verwehrt wurde und vieles mehr. Pflichtlektüre für alle Zeitungsleser und TV-Konsumenten.

24. Januar 2014
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