Die Bank des Vatikan – sakral und profan

„Der Roman hat das moderne Geld- und Finanzsystem im Visier, in dem wertloses Papier zu wertvollem Geld gemacht wird. Dieses System ist äusserst gefährlich und gefährdet, weil es eine Reichtumssteigerung vorgaukelt, die schliesslich der Realität nicht mehr standhalten kann. Das moderne Geld- und Finanzsystem bläht sich auf. In ihm werden das Geld und die Geldwerte immer mehr um ihrer selbst willen begehrt. Sie erhalten eine quasi sakrale Funktion durch die Aussicht auf immer höhere Wertsteigerung, d.h. einen Selbstwert, einen absoluten Wert, während seine profane Funktion – seine Funktion als Kaufkraft – immer weiter zurückfällt. Dies führt uns Brändle in seinem Kriminalroman vor Augen. In einem Kriminalroman wird immer ein Täter gesucht. Wer ist der Täter? Ich verrate es Ihnen. Ich kann es Ihnen verraten, weil es die Spannung nicht mindert. Es ist das moderne Geld- und Finanzsystem, exemplifiziert an der Vatikanbank, dem IOR, dem Istituto per le Opere di Religione. Warum die Vatikanbank? Nicht weil sie die bedeutendste Bank der Welt wäre. Sie ist es zweifellos nicht – auch wenn man ihre Bedeutung nicht unterschätzen darf -, sondern weil sich hier das Sakrale des Geldes und das Sakrale der Religion in besonderer Weise begegnen und vermischen. An die Stelle der Schaffung von echtem Reichtum tritt der Streit um die Verteilung des virtuellen Reichtums – ein Streit, der umso heftiger wird, je mehr das Geld verherrlicht wird.“


Mit diesen Worten stellte Prof. Hans Christoph Binswanger  anlässlich der Buchpremiere im vergangenen Oktober den lesenswerten Roman «Vatikan City» von Thomas Brändle vor. Der Schriftsteller Thomas Brändle sass für die FDP im Zuger Kantonsrat und war einer der ersten Politiker, der die Zusammenhänge zwischen Zins, Geldsystem und Krise thematisierte.

Thomas Brändle: Vatikan City – das geheimnisvolle Manuskript. Kriminalroman. Wolfbach, 2011. 272 S. Geb. Fr. 38.-/Euro 29.–.