Die Sonnenenergie unter dem «Kostendeckel»

Die so genannte «Stromlücke» ist eine blosse Behauptung der Stromkonzerne mit dem Zweck, neuen Atomkraftwerken die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Dies konnten Sie an dieser Stelle schon mehrfach lesen. Das war bei früheren Stromlücken schon so, das ist bei der aktuellen nicht anders.
Nun muss ich meine Meinung revidieren: Die Stromlücke wird nicht nur behauptet, sie wird geradezu geschaffen, und das geht so:
Seit dem 1. Mai 2008 können im Rahmen des revidierten Energiegesetzes Gesuche für eine kostendeckende Einspeisevergütung eingereicht werden. Berechtigt sind Produzenten von erneuerbarem Strom aus Wasserkraft, Photovoltaik, Windenergie, Geothermie und Biomasse. Insgesamt stehen dafür rund 344 Mio. Franken zur Verfügung. Der Betrag ist flexibel, weil er ab dem 1. Januar 2009 durch einen Zuschlag von 0,6 Rappen pro verbrauchter Kilowattstunde geäufnet wird. Von diesem Geld kommen der Photovoltaik gerade mal 16 Milliönchen zugut. Dabei hat die Photovoltaik das grösste Potenzial (die Schweiz hat hunderttausende von Dächern), den grössten Nachholbedarf (die geringen Stückzahlen erlauben immer noch keine Produktion in Grossserien) und die grösste Zahl von potenziellen privaten Investoren (alle Hausbesitzer).

Dieser «Kostendeckel», wie der Maximalbetrag in korrektem Amtsdeutsch heisst, wurde bereits am ersten Tag der Frist um rund das Dreissigfache überzeichnet. 3500 Gesuche gingen allein für die Photovoltaik ein, mit einer geschätzten Leistung von rund 150 MWp. Davon können 4 bis 5 MWp bewilligt werden, die grösseren Anlagen zuerst. Die anderen werden buchstäblich unter dem Deckel gehalten.
Würde die Photovoltaik nicht durch diesen «Kostendeckel» behindert und würden jedes Jahr 150 MWp zugebaut, dann könnten im Jahr 2025 allein durch diese Massnahme zweieinhalb AKWs durch Solaranlagen ersetzt werden, dezentral und grösstenteils finanziert durch Tausende von Hausbesitzern. Stattdessen zielt die Planung darauf ab, bis dann neue Atomkraftwerke ans Netz zu nehmen. Während die Photovoltaik-Anlagen dann für Jahrzehnte zu geringsten Betriebskosten Strom produzieren, fallen die grossen Kosten bei den AKWs erst noch an. Uran, das langsam zur Neige geht, wird massiv teurer werden, von den Entsorgungskosten ganz zu schweigen. Was würden wir wohl über unsere Grossväter denken, wenn sie uns derartige Rechnungen vererbt hätten?
So wird die Stromlücke geplant und geschaffen, damit später niemand sagen kann, die Stromlücke sei nur ein Hirngespinst gewesen.


Warum ist die kostendeckende Einspeisevergütung für die Photovoltaik so knapp bemessen? Gemäss Energiegesetz kann der Kostendeckel für die Photovoltaik erst angehoben werden, wenn diese Technologie günstiger ist und die Mehrkosten unter 50 Rappen pro Kilowattstunde sinken. Der Hungerleider wird also auf Diät gesetzt und die Ration erst erhöht, wenn er an Gewicht zugenommen hat. Das ist die Logik der «Stromlücke». Jeder Investor weiss, dass eine Technologie erst mit entsprechenden Investitionen und grösseren Serien billiger wird. Das gilt es wohl zu verhindern.


Wie aber sehen die Gestehungskosten von Solarstrom real aus? Ein befreundeter Ingenieur mit eigener Photovoltaik-Anlage hat Erfahrungswerte. Seine Stromkosten liegen bei 43 Rappen pro Kilowattstunde, die Investitionsbremse müsste also gelockert werden. Rechnet er Kapitalkosten von 3 Prozent dazu, kommt er auf 87 Rappen, deutlich über der Grenze. Bei dem einem Prozent, das er auf einem Sparkonto erhalten würde, wenn er das Geld nicht in seine Solaranlage investierte, lägen seine Stromkosten bei 55 Rappen. Fazit: Der Löwenanteil der Solarstromkosten sind Kapitalkosten. Der Gratis-Strom von der Sonne ist so teuer, weil unser Geldsystem auf seinen verschlungenen Wegen die Steuer eintreibt, der niemand entgehen kann. Mit zinsfreiem Geld – im Kapitalismus leider nicht möglich – könnten wir die ganze Schweiz innert kurzer Zeit mit erneuerbarer Energie versorgen und glücklich leben. Aber vielleicht sollen wir ja gar nicht glücklich sein, sondern unzufrieden und immer nach noch mehr streben.


Wie könnte man unter diesen widrigen Umständen der Photovoltaik zum Durchbruch verhelfen? Der einfachste Weg wäre die Strompreiserhöhung. Dann würden einerseits die Mehrkosten des Solarstroms sinken und als Nebeneffekt die Beträge für die kostendeckende Einspeisevergütung steigen (0,6 Rp./KWh). Damit ist die indirekt subventionierte Stromwirtschaft, deren Atomkraftrisiken die Allgemeinheit deckt, allerdings nicht einverstanden. Sehr elegant wäre ein massives Engagement der Pensionskassen in Solaranlagen. Die haben sowieso Probleme, den Wert ihrer Aktien zu halten. Solaranlagen dagegen bleiben wertvoll, auch wenn es dem Dollar und später einmal dem Franken schlecht geht …Aber eben, die so genannte «Stromlücke» ist gewollt und ein glückliches Leben ist im Kapitalismus höchstens für zehn Prozent der Menschen vorgesehen. Deckel drauf und weiterklicken.