Ein anthroposophischer Think-Tank entsteht

Seit fünf Jahren wird in den Räumen der Zürcher Christengemeinschaft über Geld- und Weltprobleme diskutiert. Gesucht werden niederschwellige Ansätze, mit denen jeder – ob Eigentümerin, Mieter, Studentin, Anleger, Sparer, Investorin oder Sozialempfänger – zu einer gesünderen Wirtschaft beitragen kann.
Grundlage ist der Kurs, den Rudolf Steiner im Sommer 1922 für Studenten der Nationalökonomie gehalten hat (GA 340). Eine Genesung des Finanzwesens mittels einer Steigerung der Gesamtproduktion, aus idealistischen Impulsen, durch Gesetzesvorlagen oder aus religiös-moralischen Motiven zieht Steiner darin nicht in Betracht. Nur Erkenntnis über wirklichkeitsgemäße Begriffe könne die Menschen freilassend auf eine neu zu bildende Gesellschaft ausrichten. Diese Begriffe vermehrt zu denken und die Vorarbeit Steiners wieder in größeren Kreisen ins Gespräch zu bringen, ist Anliegen der Initiative. Außerdem soll experimentiert werden: Für die Gebiete Bodenrecht, Hauseigentum und Sozialleistungen sind Selbstversuche unterwegs. Was im Kleinen begann, weitet sich nun über den Tellerrand.


Im November öffnet ein runder Tisch am Goetheanum, an dem verschiedenste Initianten – von der Gemeinschaftsbank bis zu diversen Stiftungsgesandten – die Themen erden wollen. Einer der Initianten ist der Waldorflehrer Jonathan Keller, der sein engagement wie folgt begründet:
«Die einzelnen Wirtschaftsfaktoren im Finanzkreislauf sind völlig chaotisiert: Der Boden wird als private Ware statt als Gemeingut behandelt. Bei Darlehen trägt der Bedürftige das Risiko statt der Vermögende. Das Kapital dient zur Geldgenerierung statt zur Geistförderung. Die Verträge verankern die Trennung der Menschen untereinander, statt sie zu verbinden. Eltern, die mit der Erziehung der Kinder an sich schon eine Sozialaufgabe tragen, müssen auch wirtschaftlich noch mehr leisten, statt dass sie ausreichend entlastet werden. Da gibt es viel zu tun. Wir möchten gliedern, ordnen, Wege aufzeigen, die Zuversicht vermitteln gegenüber einer positiven Abhängigkeit zwischen allen Menschen.»

Kontakt: Jonathan Keller, [email protected]
Quelle: Das Goetheanum, Nr. 39/40-2015, www.dasgoetheanum.ch
13. Oktober 2015
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