Ein Schlachtfeld Europa bietet dem Imperium einen Mehrfachnutzen

Zum einen kann ein langer, blutiger Krieg in der russischen Nachbarschaft dem Planziel “Regimechange Moskau” äusserst dienlich sein; und zum anderen zieht er einen neuen Eisernen Vorhang zu, schneidet die europäischen Kolonien von Handel und Wandel mit Russland und China ab. (Notizen vom Ende der unipolaren Welt, 2)

Der Krieg zwingt die europäischen Staaten zu neuen Tributen: in Form von Rüstungsabgaben – 100 Milliarden musste Kriegskanzler Olaf aus der Hüfte schon locker machen – oder dem ökonomischen und ökologischen Irrsinn von Frackinggas, das der olivgrüne Wirtschaftsminister Habeck jetzt importieren muss, um der westlichen “Werte” willen.

Die fordern mittlerweile schon an jeder Tankstelle große Opfer, obwohl Russland sein mächtigstes As – die Engeriewaffe – noch nicht einmal gezückt hat und “Nordstream 1” zur Zeit mehr Gas liefert als vor Kriegsbeginn. Das Gesetz, das den Rohstoffexport an “feindliche Staaten” verbietet, hat Putin der Schreckliche  allerdings Anfang letzter Woche  unterzeichnet, die Ausführungsbestimmungen sind noch nicht bekannt.

Wenn Europa keine neutrale Ukraine akzeptiert und weiter Krieg führt, muss es fortan täglich gewahr sein, dass ihm über Nacht 50 Prozent seiner Energie fehlen. Und weder Heizung runterdrehen noch solidarisch kaltduschen wird an der resultierenden Katastrophe etwas ändern, auf die Sanktions-Hysteriker und Embargo-Fetischisten des Westens hemmungslos zusteuern.

Wer aber in den Krieg zieht, sollte wissen, wie er wieder rauskommt, was auch für Wirtschaftskriege gilt. “Wer glaubt, dass man Sanktionen erlassen kann, die Russland maximalen Schmerz bereiten und gleichzeitig die Risiken finanzieller Stabilität im Westen minimieren, glaubt auch an das Einhorn” –  so Zoltan Poszar, einer der renommierten  Finanzmarktanalysten der  Credit Suisse.

Zwar  verlangt die deutsche Regierung mittlerweile händeringend, Öl,-und Gasgeschäfte von den Sanktionen auszunehmen, weil sonst Werksschließungen, Konkurswellen und Aufstände zu befürchten sind. Doch ganz vorne mit dabei sein, Russland zu “ruinieren” (A.Baerbock), gleichzeitig aber dort weiter billig  einkaufen, wird nicht funktionieren. Genausowenig wie “gegen den Krieg” demonstrieren und weiter Waffen zu liefern.

Es entspricht der gleichen zynischen Doppelmoral, mit der sich die Kriegsverbrecher von gestern über die von heute mokieren, in einem Überbietungswettwerb des Abscheus vor dem neuen Superhitler Putin, gegen den man dann aber (wg. “Aussicht auf Schaden”) nicht selbst antreten, sondern nur ukrainische Vasallen und Terror-Söldner verheizen will.

Dass Europa Russland braucht, wenn seine Industriestaaten überleben wollen, Russland aber nicht Europa, weil es genügend Rohstoffe hat, um sanktionsfest und autark zu werden, hatten wir schon mehrfach aufgezeigt, ebenso wie die auf Mackinder und Brezsinski basierende Doktrin der anglo-amerikanischen Geostrategie, friedlichen Handel und Wandel auf der eurasischen “Weltinsel”, und besonders zwischen Russland und Deutschland, um jeden Preis zu verhindern.

Der Zweck der NATO –  nach den Worten ihres ersten Generalsekretärs Lord Ismay “die Russen draussen, die USA drin und die Deutschen unten” zu halten – entsprach dieser Zielsetzung und wie an dem aktuellen Krieg zu sehen, entspricht er ihr noch immer. Er macht ein Zusammenwachsen Europas und Asiens mit dem Angelpunkt Russland/Ukraine in der Mitte auf absehbare Zeit unmöglich.

Es erstaunt, dass in der Ukraine und in  Europa offenbar wenige diesen Kontext begriffen haben und bereit sind zu sehen, welche Rolle ihnen als Figuren im geopolitischen Schach des Imperiums da aufgewzungen wird.

Aber es erstaunt auch nicht, da Medien und Intelligentsia einem derart idiotischen Anti-Russismus verfallen sind, dass dort jede nur halbwegs rationale Analyse ausgeschlossen ist. Und das nicht erst seit dem russischen Einmarsch.

Schon seit 2016 wird dem westlichen Medienpublikum das haltlose Verschwörungsmärchen “Russiagate” ernsthaft als Realität präsentiert, in der Putin die Wahlen manipuliert und Trump ins Weisse Haus gebracht hat – und jetzt eben auch die Ukraine mit einem “Angriffskrieg” überzieht, weil er die Ukrainer und ihre Freiheit hasst und seinem “Reich des Bösen” einverleiben will.

Doch so wenig der Trump-Sieg mit Russland zu tun hatte, so wenig hat Russlands Militäroperation in der Ukraine mit der Realität eines “Angriffskriegs” zu tun. Der wäre nach zwei Wochen schon beendet, mit Hundertausenden Toten und einem Dutzend zerstörter Städte – und “Mission Accomplished”-Foto des siegreichen George W. Putin.

Aber Russland führt keinen Shock&Awe-Krieg mit Bombenhagel wie das Imperium, es kämpft nicht im “Collateral Murder”-Stil gegen Land und Leute, sondern folgt, jedenfalls bisher, exakt dem angekündigten Ziel der Operation: “De-Militarisierung” und “De-Nazifizierung”. Ersteres war mit der Vernichtung der wichtigsten militärischen Einrichtungen durch Raketen schon nach wenigen Tagen weitgehend  erreicht, sodass die Ukraine seitdem nicht mehr über einsatzfähige Luft- , und Seestreitkräfte verfügt.

Was die  “De-Nazifizierung” betrifft, ist der Kern der Hakenkreuz-Bataillone im Osten mittlerweile von russischen Kräften nahezu umstellt und von der Versorgung abgeschnitten. Wenn der Kessel in einigen Tagen geschlossen ist, werden normale Mitglieder der ukrainischen Armee ihn mit erhobenen Händen verlassen können, die Asov-Brigadisten, wenn sie sich in Städten verschanzen, aber wohl nur im Leichensack.

Für diese schmutzige Arbeit sollen mittlerweile legendäre Spezialkräfte, 5000 tschetschenische “Spetsnatz”,  an der Front eingetroffen sein und die NATO  wird die Asov-Nazis, die sie in (gestern von Cruisse Missiles zerstörten) Trainingszentren im Westen der Ukraine ausgebildet hat, vor ihnen nicht retten.

Mit Kampfflugzeugen eine “No Fly”-Zone über der Ukraine durchzusetzen, wie es anhnungslose Laptop-Bomber und Desktop-Strategen in Washington fordern, wird für das “Höllensystem” (n-tv) der russischen S-400/500-Luftabwehr ein triumphales Tontauben-Schießen. Kein Kommandeur wird seine teuren Vögel für eine solche Kamikaze-Operation opfern – zumal wenn seinem europäischen Hauptquartier danach ein sehr unfreundlicher Besuch von Kinzhal droht.

Mit der absehbaren Niederlage der “Entrussifizierungs”-Truppen im ukrainischen Osten wäre der wichtigste  Teil der russischen Kriegsoperation  – ein Stopp der Angriffe auf die Donbass-Region – erreicht. Und spätestens dann auch der nächste und wohl letzte Zeitpunkt für die Regierung in Kiew gekommen,  im Amt zu bleiben, zu kapitulieren und ernsthafte Zusagen über die  militärische Neutralität der Ukraine zu machen.

Ansonsten hat das Land wohl keine besseren Ausssichten als wie einst Jugoslawien in einem langen Krieg zerstört und in drei oder mehr Einzelteile zerlegt zu enden. Noch wäre möglich das zu verhindern, noch wäre eine blockfreie Föderation Ukraine mit autonomen Kantonen machbar, denn Russland will weder Land gewinnen, noch Rohstoffe ausbeuten, noch eine Fortsetzung des Kriegs. Und die europäischen Staaten sollten das im ur-eigenen Interesse auch nicht wollen – nicht nur um des Friedens willen, sondern ihrer Zukunft im 21. Jahrhundert.

Wenn sie vom Rohstoffriesen Russland und dem Wirtschaftsriesen China abgeschnitten werden und bleiben, blüht ihnen statt einer prosperierenden Zukunft nur die Aussicht verarmter Kolonien am Rande eines untergehenden Imperiums. Immerhin: halbwegs klimaneutral weil de-industrialisiert und dank Windrädern und Flüssiggas ab 2032 (?!)  völlig unabhängig von Russland, mit unverzichtbarem Hydrocarbon nur noch aus den transatlantisch korrekten Kopf-Ab-Monrachien Arabiens…


Mathias Bröckers/Paul Schreyer: Wir sind IMMER die Guten – Ansichten eines Putinverstehers oder wie der kalte Krieg neu entfacht wird, Westend Verlag (2019)

17. März 2022
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