Finanzkrise: diesmal hat sie Dominopotenzial

Die Finanzmärkte erleben zur Zeit nicht einfach fallende Aktienkurse, sondern eine veritable Kreditkrise. Der Unterschied ist erheblich: Während bei fallenden Aktienkursen Eigenkapital zerstört wird und die Anlagen der Investoren einfach weniger Wert haben, können bei Kreditkrisen grossflächig Zahlungsverpflichtungen nicht eingehalten werden und zerstören den Kern der betroffenen Kreditinstitute – das Vertrauen, und das hat in der global vernetzten Finanzwelt Dominopotenzial.

Die Aktienmärkte fallen immer wieder mal, Kreditkrisen gibt es sehr selten. Eine kleinere gab es 1989 bis 1992 mit den berüchtigten «junk bonds». 1982 steckten viele Entwicklungsländer in einer Schuldenkrise, die durch Erlass und grosszügige Unterstützung der betroffenen Banken mit öffentlichen Geldern gelöst wurde. Die letzte echte Kreditkrise ereignete sich 1973/74, zu lange her, als dass man sich noch an die entscheidenden Details erinnern könnte. Diese bestanden darin, dass die amerikanische Notenbank die Geldmenge um jährlich 10 Prozent erhöhte, um die USA nicht in eine kriegsbedingte Rezession schlittern zu lassen. Gleichzeitig propagierte der britische Premier Edward Heath den «dash for growth», den Wachstumssprung, hob Kredit- und Ausgabenkontrollen auf. Konsequenz: Inflationsraten von 6 Prozent in den USA und 9 Prozent in Grossbritannien sowie noch stärker steigende Rohstoffpreise. Öl z.B. stieg von 2 $/Barrel auf 10 $/Barrel.
Im Gegensatz zu damals, wurden die in den letzten Jahren neu geschöpften riesigen Geldmengen von den Finanzmärkten fast vollständig absorbiert, weshalb die Konsumenten keine wirkliche Inflation erlebten. Aber: Virtuelles Geld bleibt virtuelles Geld, wenn nicht reale Werte damit geschaffen werden.

Kreditkrisen verschwinden nicht so schnell wie Aktienkrisen. England laborierte mehrere Jahre an der Krise von 73/74 und durchging eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung, die im Thatcherismus gipfelte.
Wohin es uns diesmal führt, wo die Krise schon nach wenigen Tagen ihren globalen Charakter zeigt, ist offen.

Eine interessante Informationsquelle ist die website des Hartgeld-Clubs Wien, die vom Finanzpublizisten Walter Eichelburg betreut wird. Neben Hintergrundberichten, aktuellen News und ergiebigen Links enthält sie auch einen «collapsometer», der die aktuelle Stärke des Finanzbebens misst. Zur Zeit liegt sie bei 6,3 (grossere Schäden). die Totalzerstörung liegt bei 10.
Persönlich finde ich die Site etwas zu alarmistisch («Rette sich wer kann»), aber für das Verständnis der aktuellen Entwicklungen, die uns alle betreffen, sehr wertvoll.

10. August 2007
von: