Geschichten vom Fliehen und Bleiben

Berichte von Menschen, die aus ihrer Heimat flohen –
oder sich trotz aller schrecklichen Umstände entschlossen haben, zu bleiben.
Darios aus Äthiopien

«Die Regierung hat die Bevölkerung Äthiopiens neu eingeteilt nach Stämmen. Leute werden umgesiedelt; wer früher Nachbar war, lebt heute weit auseinander. Seit dieser neuen Aufteilung gibt es viele Konflikte zwischen den Stämmen. Es ist wie in einem Bürgerkrieg. Leute werden von Brücken gestossen oder in ihren Häusern verbrannt. Es gibt keine Gerichtsverfahren. Die meisten Beamten sind korrupt.


Ich habe mich politisch engagiert in der Opposition. Wir organisierten viele Demonstrationen und wollten aufzeigen, dass alle Äthiopier gleichwertig sind. Wir wollten daran erinnern, dass wir alle früher geeint waren.
Ich hatte viele Berufe: Chauffeur, Touristenführer, Friseur, Koch. Aber alle meine Geschäfte wurden sabotiert von der Regierung. Bei den Wahlen wurde betrogen. Viele Leute kamen ins Gefängnis. Ich war für 15 Tage dort. Ich wurde ausgepeitscht und die Haut meiner Hand wurde verbrannt. Einen Tag lang war ich bewusstlos. Ich entschied, zu gehen, weil ich sonst wieder ins Gefängnis komme. Ich bin auf der Black List.


Die Regierung ist stark, weil sie vom Westen unterstützt wird: mit Armeematerial oder Geld. Die USA unterstützen die äthiopische Regierung, weil diese auch gegen Terroristen in Somalia kämpft. Europa denkt, die Regierung mache gute Sachen wie Schulen oder Spitäler bauen. Das tut sie – aber nur im eigenen Stammesgebiet.
Die meisten jungen Leute und Intellektuellen sind in der Opposition und fliehen - nach Südafrika, Sudan, Kenia oder Libyen. Aber eigentlich wollen alle nach Europa.»

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16. November 2015
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