Herrschaft mit List und Gewalt
Christa Wolf zeigt, wie sich das Patriarchat mit Gewalt auf öffentlicher und privater Ebene verbreitete. Willi Bredel beschreibt differenziert Leben und Kämpfe organisierter Hamburger Arbeiter um die Jahrhundertwende.
Die Figur der Kassandra erzählt den trojanischen Krieg aus ihrer Perspektive, erzählt über sich, ihr Umfeld als Prinzessin und Priesterin, ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihre Rückbesinnung auf den gleichberechtigten, vorhellenistischen Kybelekult. Christa Wolf (geboren 1929) erzählt in der Erzählung „Kassandra“ „gspürig“ und genau, lässt die Personen und deren Innenleben klar und glaubhaft hervortreten.
Griechen gegen Gleichberechtigung
Die Priesterin und Seherin Kassandra aus Troja führt als Gefangene des Königs Agamemnon einen inneren Monolog, sie schaut zurück, erlebt Situationen, Begegnungen, Traumata des trojanischen Kriegs noch einmal. Die Griechen haben einen Oberpriester als Kontrolleur geschickt, machen Druck auf die Priesterinnen und Priester in Troja, Männer sollen den Frauen übergeordnet sein im religiösen Kult. Sexuelle und kultische Gleichberechtigung wollen die Hellenen austreiben, aber die Trojer sind wohl mit der gut ausbalancierten matrizentrischen Gesellschaft oder was davon noch übrig ist.
Patriarchalischer Missionskrieg
Christa Wolfs Erzählung von 1983 schält heraus, dass die Griechen nicht nur wirtschaftliche und strategische Motive für den Trojanischen Krieg, sondern auch religiös-patriarchalische hatten. Ganzheitlich-spirituelle Sexualität wird zu diplomatischer. Der brutale Achill zeigt den trojanischen Frauen und Kriegern (Penthesilea und die letzten Amazonen werden grausam eingemacht), wer der Herr auf dem Schlachtfeld, im Haus, im Tempel und im Staat ist. „Wir sollten werden wie der Feind, um ihn zu schlagen. Es lag uns nicht“, kommentiert Kassandra trocken.
Kein bürgerlicher Familienroman
Nach diesen Ausführungen tönt der Titel des Romans „Die Väter“ von Willi Bredel (1901 bis 1964) etwas seltsam. Es geht um die Vätergeneration einer Familie im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in Hamburg, keine Grossbürger, keine Adligen, sondern Proletarier, die sich organisieren, unterstützen und etwas Bildung, Selbstbewusstsein und Klassenbewusstsein aneignen können. Ihre Partei, die Sozialdemokratische, hätte die Wahlen längst gewonnen, würden nicht die Vertreter von Adel und Grossbürgertum dies mit List und Gewalt, mit administrativen und politischen Tricks verhindern.
Geschichte von unten
Bredel schreibt, basierend auf der eigenen Familiengeschichte, in der ursprünglich bürgerlichen literarischen Form eine detaillierte, mit vielen Figuren und Handlungsebenen ausgestattete politische und private Familiengeschichte, quasi literarische Geschichte von unten. „Die Väter“ (1941) war der erste Band der Romantrilogie „Verwandte und Bekannte“. 1949 folgte „Die Söhne, 1953 „Die Enkel“.
Sozialismus und Patriarchat
Die Arbeiterbewegung ist und war keine konsequent antipatriarchalische Bewegung, sondern eine, die das Patriarchat in Wirtschaft, Gesellschaft und Geschlechterbeziehungen sozialer, gerechter gestalten will und der repressiven Moral der Kirchen so gut wie möglich den Boden entzieht.
Friedrich Engels, Clara Zetkin, August Bebel und viele Anarchisten/-innen kritisierten das Patriarchat in seiner kapitalistischen Ausprägung und wollten es nachhaltig überwinden, blieben aber eine Minderheit in der sozialistischen Bewegung.
Antifaschistischer Kampf und DDR
Gemeinsam ist Willi Bredel und Christa Wolf, dass sie in der Deutschen Demokratischen Republik lebten und politisch arbeiteten. Wolf beging keine Republikflucht, distanzierte sich nicht vom Sozialismus, veröffentlichte auch im kapitalistischen Ausland und kritisierte wenn nötig öffentlich Politik und Funktionäre der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands SED.
Bredel kam weit herum in Europa, schrieb für Arbeiterzeitungen und veröffentlichte sehr viele Erzählungen und Romane aus Arbeiterbewegung und antifaschistischem Kampf.
Undogmatische Linke
1929/30 sass Willi Bredel zwei Jahre in Haft wegen Hoch- und Landesverrats nach Veröffentlichungen über geheime Kriegsproduktion und Polizeimassaker an Kommunisten und 1933/34 nach der Machtergreifung der Nazis während 13 Monaten im KZ Fuhlsbüttel bei Hamburg. Im sowjetischen Exil gaben die undogmatischen Linken Willi Bredel, Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger die literarische Monatszeitschrift „Das Wort“ heraus. Bredel kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg, im Zweiten Weltkrieg war er Agitator an der deutsch-russischen Front und bei Radio Moskau, nach dem Krieg Schriftsteller und Politiker in der DDR.
Christa Wolf: Kassandra, Erzählung, Taschenbuchausgaben bei Suhrkamp und Luchterhand
Willi Bredel: Romantrilogie Die Väter, Die Söhne, Die Enkel, Aufbau-Verlag und Taschenbuch Reclam Leipzig, second hand in Läden und im Internet
http://bredelgesellschaft.de/schoeps/home.htm
Die Figur der Kassandra erzählt den trojanischen Krieg aus ihrer Perspektive, erzählt über sich, ihr Umfeld als Prinzessin und Priesterin, ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihre Rückbesinnung auf den gleichberechtigten, vorhellenistischen Kybelekult. Christa Wolf (geboren 1929) erzählt in der Erzählung „Kassandra“ „gspürig“ und genau, lässt die Personen und deren Innenleben klar und glaubhaft hervortreten.
Griechen gegen Gleichberechtigung
Die Priesterin und Seherin Kassandra aus Troja führt als Gefangene des Königs Agamemnon einen inneren Monolog, sie schaut zurück, erlebt Situationen, Begegnungen, Traumata des trojanischen Kriegs noch einmal. Die Griechen haben einen Oberpriester als Kontrolleur geschickt, machen Druck auf die Priesterinnen und Priester in Troja, Männer sollen den Frauen übergeordnet sein im religiösen Kult. Sexuelle und kultische Gleichberechtigung wollen die Hellenen austreiben, aber die Trojer sind wohl mit der gut ausbalancierten matrizentrischen Gesellschaft oder was davon noch übrig ist.
Patriarchalischer Missionskrieg
Christa Wolfs Erzählung von 1983 schält heraus, dass die Griechen nicht nur wirtschaftliche und strategische Motive für den Trojanischen Krieg, sondern auch religiös-patriarchalische hatten. Ganzheitlich-spirituelle Sexualität wird zu diplomatischer. Der brutale Achill zeigt den trojanischen Frauen und Kriegern (Penthesilea und die letzten Amazonen werden grausam eingemacht), wer der Herr auf dem Schlachtfeld, im Haus, im Tempel und im Staat ist. „Wir sollten werden wie der Feind, um ihn zu schlagen. Es lag uns nicht“, kommentiert Kassandra trocken.
Kein bürgerlicher Familienroman
Nach diesen Ausführungen tönt der Titel des Romans „Die Väter“ von Willi Bredel (1901 bis 1964) etwas seltsam. Es geht um die Vätergeneration einer Familie im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in Hamburg, keine Grossbürger, keine Adligen, sondern Proletarier, die sich organisieren, unterstützen und etwas Bildung, Selbstbewusstsein und Klassenbewusstsein aneignen können. Ihre Partei, die Sozialdemokratische, hätte die Wahlen längst gewonnen, würden nicht die Vertreter von Adel und Grossbürgertum dies mit List und Gewalt, mit administrativen und politischen Tricks verhindern.
Geschichte von unten
Bredel schreibt, basierend auf der eigenen Familiengeschichte, in der ursprünglich bürgerlichen literarischen Form eine detaillierte, mit vielen Figuren und Handlungsebenen ausgestattete politische und private Familiengeschichte, quasi literarische Geschichte von unten. „Die Väter“ (1941) war der erste Band der Romantrilogie „Verwandte und Bekannte“. 1949 folgte „Die Söhne, 1953 „Die Enkel“.
Sozialismus und Patriarchat
Die Arbeiterbewegung ist und war keine konsequent antipatriarchalische Bewegung, sondern eine, die das Patriarchat in Wirtschaft, Gesellschaft und Geschlechterbeziehungen sozialer, gerechter gestalten will und der repressiven Moral der Kirchen so gut wie möglich den Boden entzieht.
Friedrich Engels, Clara Zetkin, August Bebel und viele Anarchisten/-innen kritisierten das Patriarchat in seiner kapitalistischen Ausprägung und wollten es nachhaltig überwinden, blieben aber eine Minderheit in der sozialistischen Bewegung.
Antifaschistischer Kampf und DDR
Gemeinsam ist Willi Bredel und Christa Wolf, dass sie in der Deutschen Demokratischen Republik lebten und politisch arbeiteten. Wolf beging keine Republikflucht, distanzierte sich nicht vom Sozialismus, veröffentlichte auch im kapitalistischen Ausland und kritisierte wenn nötig öffentlich Politik und Funktionäre der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands SED.
Bredel kam weit herum in Europa, schrieb für Arbeiterzeitungen und veröffentlichte sehr viele Erzählungen und Romane aus Arbeiterbewegung und antifaschistischem Kampf.
Undogmatische Linke
1929/30 sass Willi Bredel zwei Jahre in Haft wegen Hoch- und Landesverrats nach Veröffentlichungen über geheime Kriegsproduktion und Polizeimassaker an Kommunisten und 1933/34 nach der Machtergreifung der Nazis während 13 Monaten im KZ Fuhlsbüttel bei Hamburg. Im sowjetischen Exil gaben die undogmatischen Linken Willi Bredel, Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger die literarische Monatszeitschrift „Das Wort“ heraus. Bredel kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg, im Zweiten Weltkrieg war er Agitator an der deutsch-russischen Front und bei Radio Moskau, nach dem Krieg Schriftsteller und Politiker in der DDR.
Christa Wolf: Kassandra, Erzählung, Taschenbuchausgaben bei Suhrkamp und Luchterhand
Willi Bredel: Romantrilogie Die Väter, Die Söhne, Die Enkel, Aufbau-Verlag und Taschenbuch Reclam Leipzig, second hand in Läden und im Internet
http://bredelgesellschaft.de/schoeps/home.htm
29. November 2008
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