Ich töte, was ich liebe – Mobbing in der Paarbeziehung

Wissenschaftliche Zahlen gibt es nicht und der Begriff ist unscharf, aber Mobbing in Paarbeziehungen dürfte mindestens so häufig sein wie am Arbeitsplatz. Gemäss einer repräsentativen Umfrage der Zeitschrift «freundin» haben 33 Prozent der Frauen und 26 Prozent der Männer schon «Psychoterror» in der Beziehung erlebt.

Mobbing entsteht gemäss dem Münchner Paartherapeuten Wolfgang Schmidbauer, wenn die illusionäre Hoffnung schwindet, dass der Partner die eigene Unvollständigkeit kompensieren könne. Anstatt uns um ein differenziertes Bild zu bemühen, das die anfängliche Idealisierung korrigiert, beginnen wir, eine zerstörerische Wut gegen das zu richten, was wir lieben. Der Partner wird sukzessiv entwertet. Der Rosenkrieg wütet umso heftiger, je mehr sich zwei Menschen als Selbstobjekte (= das Bild des Partners, welches das eigene Selbstgefühl stabilisiert) nötig haben. Fatal ist, dass narzisstisch besetzten Vorstellungen nicht mit Vernunft beizukommen ist. Sie treten einen zerstörerischen Teufelskreis los, dem Paare kaum mehr entrinnen können. Schmidbauer führt dazu den Begriff «kannibalischer Narzissmus» ein: Ich töte, was ich liebe.

Schmidbauers Studie «Mobbing in der Liebe» verdeutlicht, dass viele Probleme, die Paare mit Kränkungsanlässen und -Verarbeitungen haben, tief in der persönlichen Lebensgeschichte verwurzelt sind, wo Willensakte und gute Vorsätze bekanntlich wenig fruchten. Tatsächlich überwinden wir eigene Kränkungen nur schwer. Auf der anderen Seite ignorieren wir nur allzu leicht, wenn wir unseren Partner kränken. Gemäss der eingans erwähnten Umfrage geben nur acht Prozent dere Männer und drei Prozent der Frauen zu, ihren Partner schon mal schlecht behandelt zu haben. Viel gewonnen ist bereits, wenn es gelingt, das Bewusstsein für unsere Kränkungen und unser kränkendes Verhalten zu schärfen. «Gute Beziehungen beruhen nicht darauf, besonders viel Konstruktives zu tun; sie entstehen von selbst, wenn es uns gelingt, das Destruktive zu vermeiden», schreibt Schmidbauer. Sein Buch zeigt, gewürzt mit vielen Paargeschichten, wo die tiefenpsychologischen Ursachen für destruktives Verhalten liegen und wie es sich verhindern lässt. Man müsste es eigentlich lesen, bevor es zu Mobbing kommt. Denn sind Paare einmal in diesem Teufelskreis, können sie ihm nur schwer entrinnen.

Wolfgang Schmidbauer (*1941) ist Psychoanalytiker und Paartherapeut in München und Autor  zahlreicher Bücher mit hohen Auflagen.
 
Mobbing in der Liebe: – wie es dazu kommt und was wir dagegen tun können. Gütersloher Verlagshaus, 2007. 240 S. Geb. Fr. 36.10/Euro 19,95

Sieben Thesen zum Mobbing in der Liebe

1. Mobbing ergibt sich aus einem Übermass an Abhängigkeit

2. Die Abhängigkeit führt zu Illusionsbildung («Du weisst doch genau, was ich will – und tust es nicht!»)

3. Häufig versuchen Paare, durch Rückzug Mobbing zu vermeiden.

4. Der Partner mit den besseren beruflichen Rückzugsmöglichkeiten erklärt sich zum Mobbing-Opfer und zementiert dadurch eine Entwicklungsblockade. («Da komm ich todmüde von der Arbeit nach Hause, und du bist nur unzufrieden und nörgelst an mir herum!»)

5. Kinder werden in das Mobbing hineingezogen, entweder als spezielle Rückzugsmöglichkeit oder aber als Bundesgenossen. («Wenn ich unserem Sohn klarmachen will, dass er als Weichling im Leben nicht zurechtkommen wird, füllst du mir in den Rücken und verziehst ihn!»)

6. Mobbinggefährdete ziehen sich an. Sie sehnen sich nach Harmonie, die während der Illusionsphase dem Partner zugesichert wurde. («Ich werde für deine Kinder aus erster Ehe besser sorgen als ihre leibliche Mutter!»)

7. Erhöhte Gefährdung für das Mobbing in der Liebe beruht auf:
7.1 überlastungen der Kränkungsverarbeitung in Kindheit und Jugend (Scheidungsfamilie, ein suchtkranker Elternteil, Migrationsschicksal, traumatische Erfahrungen mit Eltern oder Angehörigen).
7.2 Kompensation dieser frühen Verletzungen durch ausgeprägtes Leistungsverhalten und Perfektionismus, verbunden mit Illusionen über die Macht eigenen Bemühens. («Ich werde in jedem Fall eine bessere Ehe führen als meine Eltern!»)

7.3 Störungen in der Aggressionsverarbeitung. («Ich komme mit allen Menschen bestens aus, aber wenn jemand ein Versprechen nicht hält, ist er für mich gestorben!»)
7.4 Einfühlungsmängeln, die durch eine starre Abwehr kindlicher, regressiver Bedürfnisse entstehen («schliesslich bin ich nicht dein Kindermädchen!»).

7.5 Unfähigkeit, die Schwächen des Partners wahrzunehmen und/oder sie zu akzeptieren. («Du hast mir doch versprochen, immer freundlich und aufmerksam zu sein!»)

Aus Schmidbauer: Mobbing in der Liebe, S. 22
25. August 2007
von: