Bei der Anti-China-Hysterie geht es um Macht

China, die Quelle von Covid-19 musste nicht nur das Virus bekämpfen. Es wurde auch in einen veritablen Propagandkrieg verwickelt.

In einem Artikel mit dem irreführenden Titel "Der Propagandakrieg zwischen den USA und China ist sistiert, aber nicht für lange", gab Josh Rogin von der Washington Post ein sehr interessantes Bekenntnis ab.
"Die Vereinigten Staaten haben jetzt einen dringenden Bedarf an medizinischen Hilfsgütern, von denen viele aus China kommen", sagte Rogin. "Wenn Chinas Führer bereit sind, keine Lügen mehr über uns zu erzählen, können wir innehalten, auf die peinlichsten Wahrheiten über sie hinzuweisen", sagte Rogin.

Moment, "uns"? "wir"? Rogin hat keine offiziellen US-Vertreter zitiert. Er bezog sich, in der ersten Person Plural, auf die US-Regierung, weil er sich offenbar als ein Teil davon sieht. Er unterstützt deren Kampagne der Verbreitung von amerikanischen "Fakten", um Chinas "Lügen" entgegenzuwirken. Er sieht sich selbst als Staatspropagandist.
Was er natürlich auch ist. Der hingebungsvolle Neokonservative Rogin schreibt immer wieder angriffige Artikel gegen Staaten, die sich der Aufnahme in den Sumpf des US-zentralisierten Imperiums widersetzt haben. Er zögert nicht dabei, die neuen Verschärfungen bei der Anti-China-Kampagne zu thematisieren. Denn die USA und China befinden sich seit langem auf Kollisionskurs hin zu einem gewalttätigen Konflikt. Die Meinungsführer müssen über diese mögliche Entwicklung so schreiben, dass sie allgemein akzeptiert wird.

Davide Mastracci von der Zeitschrift "Passage" hat einen lesenswerten neuen Artikel mit dem Titel "Geben Sie China nicht die Schuld an den Versäumnissen Ihrer Regierung bei COVID-19" veröffentlicht. Darin enthüllt er, was Rogin mit den "peinlichen Wahrheiten" über Chinas Umgang mit der Covid-19-Pandemie meint. Er zeigt auf, dass die Probleme, mit denen die Amerikaner derzeit konfrontiert sind, auf das Versagen ihrer eigenen Regierung und nicht auf die Fehler Chinas zurückzuführen sind.

"Rechte Journalisten erkennen, dass ihre neoliberale Ideologie für den Umgang mit der Pandemie nicht gerüstet ist und deshalb unter Beschuss steht", schreibt Mastracci. "Sie werden ihre Standpunkte nicht aufgeben, also müssen sie die Schuld auf ein anderes Land schieben mit einer fremden Ideologie. Daher wird China dermassen angegriffen und so hat der Antikommunismus die Chance, ein Revival zu erleben.“

Dieses Virus macht auf brutale Weise den ganzen Wahnsinn des neoliberalen Ist-Zustands deutlich, auf dem das US-Imperium aufgebaut ist.

Dies ist der Wahrheit viel näher als alles, was Sie in den Massenmedien lesen werden. Dieses Virus macht auf brutale Weise den ganzen Wahnsinn des neoliberalen Ist-Zustands deutlich, auf dem das US-Imperium aufgebaut ist. Dieser setzt voraus, dass alle linken politischen Kräfte ausgeschaltet werden; denn diese könnten ja die Plutokraten und Kriegsprofiteure behindern. Vieles von dem, was wir in diesen Tagen von führenden Experten der republikanischen und demokratischen Partei hören, ist nichts anderes als ein Gejammer darüber, dass ihre Weltsicht in geradezu peinlicher Weise in sich zusammenbricht.

Aber selbst das trifft den Kern der Sache nicht ganz.
Wenn man einen Linken fragt, was es mit dem plötzlichen Aufschwung der Anti-China-Hysterie im Westen auf sich hat, könnte er als Gründe dafür Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und/oder Antikommunismus nennen. Wenn Sie jemand Rechten fragen, wird er Ihnen vielleicht sagen, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass China über das Virus gelogen hat, oder er wird es auf den Kommunismus schieben, oder auf die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA, oder darauf, dass es sich bei den Chinesen um eine rückständige Menschengruppe handelt, die andere Tiere essen als wir. Wenn Sie jemanden fragen aus der sogenannten "Mitte", wird er vielleicht sagen, dass es wegen humanitärer Bedenken gegen Chinas repressive Regierung ist, und er wird ausserdem Rassismus oder eine Mischung aus den oben genannten Behauptungen anführen.
Zwar sind Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antikommunismus, Freihandelsabkommen, Autoritarismus und der Virus echte Befürchtungen, die für die Propagandakampagne eine Rolle spielen. Aber letztlich geht es eigentlich nicht darum, sondern um Macht.

In einer unipolaren Welt kann es nur einen Leitwolf geben. Nach dem Zerfall der Sowjetunion verfestigte sich die unter den amerikanischen Politikern vorherrschende Überzeugung, dass die einzig verbliebene Supermacht ihren Status um jeden Preis behalten müsse, um die so genannte liberale Weltordnung zu schützen. Als die Neokonservativen während der Regierung George W. Bush die Führung übernahmen, wurde diese Position absolut vorherrschend und sie wurde für den Mainstream zur einzig richtigen Haltung. Nun ist die "Unipolarität um jeden Preis"-Ideologie des Neokonservatismus allgegenwärtig. Dies in einem Ausmass, dass jemand wie Tulsi Gabbard auf eine Art verteufelt wird, als unterstützte sie den Kinderkannibalismus. Dabei will sie nur eine Rückkehr zur US-Außenpolitik wie sie war vor dem 11. September 2001.

Napoleon Bonaparte sagte einmal: "China ist ein schlafender Riese. Lasst ihn schlafen, denn wenn er erwacht, wird er die Welt erbeben lassen." Die Verhinderung vom Aufstieg Chinas (und seiner Verbündeten wie Russland) ist seit Generationen eine Strategie der westlichen Welt, und die Fortsetzung dieser Strategie hat die Welt auf einen Kurs in Richtung einer aggressiven Konfrontation gebracht. Die USA haben China mit Militärstützpunkten eingekreist, von denen viele nuklear bewaffnet sind, um sich auf einen Krieg vorzubereiten. Diesen hält die USA für letztlich unvermeidlich. Denn China hat kein Interesse daran, in das amerikanische Machtbündnis aufgenommen zu werden, und die USA wollen nicht, dass China zur neuen Supermacht aufsteigt.

Für uns gewöhnliche Menschen bedeutet dies, dass wir zwei nuklear bewaffneten Nationen und ihren nuklear bewaffneten Verbündeten ausgeliefert sind. Diese steuern auf einen Konflikt zu, der keinem von uns auch nur im Geringsten nützt. Doch die Propagandisten wollen uns ständig erzählen, warum es gut sein soll, dass wir diese Entwicklung unterstützen.

Wir könnten uns alle einfach miteinander vertragen und zusammenarbeiten, um füreinander und für unser Ökosystem eine bessere Welt zu schaffen.

So muss es nicht sein. China muss nicht der "schlafende Riese" sein, den wir alle fürchten. Wir müssen nicht in einer Welt leben, in der sich mit Atombomben ausgerüstete Regierungen ohne unsere Zustimmung um die Vorherrschaft auf dem Planeten duellieren. Wir müssen nicht in einer Welt leben, in der ein Virus ausgenutzt wird für einen Propagandakrieg, anstatt ihn als ein Problem zu sehen, das gemeinsam gelöst werden muss. Wir könnten uns alle einfach miteinander vertragen und zusammenarbeiten, um füreinander und für unser Ökosystem eine bessere Welt zu schaffen.

Man wird sagen, dies sei unrealistisch und unvernünftig, aber unrealistisch und unvernünftig im Gegensatz zu was? Ein paar Idioten, die sich gegenseitig mit Armageddon-Waffen bedrohen? Ein Haufen Soziopathen, die auf die Förderung von Selbstauslöschung und Umweltverschmutzung im Dienste eines imaginären Geldsystems drängen? Klingt für mich, als seien sie die Unvernünftigen und Unrealistischen, und nicht wir.

Ich kenne noch grössere schlafende Riesen als China. Es sind wir gewöhnlichen Menschen, die es satt haben, von ein paar machthungrigen Psychos ausgebeutet und gefährdet zu werden. Wir alle sind diese Riesen, unabhängig davon, wo wir leben, welche Hautfarbe wir haben oder welcher politischen Partei wir angehören. Wenn WIR erwachen, DANN wird die Erde wahrhaftig erbeben.

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Caitlin Johnstone ist eine US-amerikanische Journalistin, «Anarcho-Psychonautin» und «Guerilla-Poetin», deren Arbeit zu 100 Prozent von ihren Leserinnen und Lesern bezahlt wird. 
Quelle: Anti-China Hysteria Is Ultimately Not About Covid-19, Racism Or Communism, But Power.

14. April 2020
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