Das Bündnis Sahra Wagenknecht – war es das etwa schon?
Mit dem vorzeitigen Ende der Ampel-Koalition scheint die Erfolgssträhne des BSW an ihr Ende gekommen zu sein. Die Umfragewerte sind vier und sechs Prozent gesunken.
Der Start war glänzend: Das Anfang Januar 2024 aus der Taufe gehobene „Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)“ erreichte im Juni 2024 auf Anhieb 6,2 Prozent bei den Wahlen zum Europäischen Parlament. Es folgten spektakuläre 15,8 Prozent bei den Landtagswahlen in Thüringen und 11,8 in Sachsen am 1. September 2024. Kurze Zeit später trumpfte das BSW in Brandenburg mit 13,4 Prozent erneut auf. Umfragen auf Bundesebene ergaben im Herbst Zustimmungswerte zwischen acht und zwölf Prozent. Alles schien gut zu laufen für Wagenknechts Projekt.
Doch mit dem vorzeitigen Ende der Ampel-Koalition am 6. November 2024 scheint die Erfolgssträhne des BSW an ihr Ende gekommen zu sein. Die Umfragewerte fallen seitdem deutlich. Anfang Januar 2025 lagen sie nur noch zwischen vier und sechs Prozent. Das ist nicht viel mehr als für die Linkspartei gemessen wird.
Selbst in den drei ostdeutschen Ländern in denen das BSW im September noch so erfolgreich war, sind die Werte jetzt rückläufig. Der Reiz des Neuen ist verbraucht. Und als Koalitionspartner der CDU in Thüringen und der SPD in Brandenburg hat sich das BSW als wenig spektakuläre Kraft gezeigt. Mit der Rolle der Antipartei, die das Bündnis auf Bundesebene zu spielen versucht, sind diese Bündnisse mit zwei „Altparteien“ jedenfalls kaum vereinbar.
Auf der Suche nach den Gründen für diesen Absturz reicht es nicht aus allein darauf zu verweisen, dass die vorgezogene Bundestagswahl für die noch junge Partei zu früh komme, sie sich ungefestigt dem Wettkampf mit den eingespielten Apparaten der Altparteien stellen müsse, denn das galt noch mehr für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 und in den drei ostdeutschen Bundesländern im September 2024.
Seinerzeit war das BSW erst wenige Monate alt. Und bei all diesen Abstimmungen stand die Parteigründerin, Namensgeberin und alles beherrschende Person noch nicht einmal zur Wahl. Doch ausgerechnet jetzt, wo Sahra Wagenknecht als Kanzlerkandidatin ausgerufen wurde, scheint dem BSW die Luft auszugehen.
Die Gründe für den Niedergang müssen daher woanders gesucht werden. Sie finden sich vor allem im misslungenen Parteiaufbau. Das BSW verstand sich von Beginn an als ein elitäres Projekt einer kleinen Gruppe ehemaliger Politiker der Partei Die Linke, die sich geschworen hatte unter sich bleiben zu wollen.
Und so hat das Bündnis ein Jahr nach seiner Gründung weiterhin nur knapp über 1.000 Mitglieder. Im Flächenland Bayern mit mehr als 13 Millionen Einwohner sind es etwa ganze 30! Selbst dort, wo das BSW inzwischen Regierungsverantwortung in Brandenburg und Thüringen trägt, sind es nur wenige Dutzend. Und in Hamburg, einer Stadt mit einer traditionell starken linken Kultur, wurde ein Landesverband erst ein Jahr nach dem Start der Bundespartei gegründet.
Die parteioffizielle Begründung für diese Zurückhaltung lautet, dass man nur so Unterwanderungsversuchen, etwa aus den Reihen der AfD, und zerstörerische Fraktionskämpfe abwehren könne. Deshalb wurde in der Satzung des BSW festgelegt, dass über Aufnahmeanträge „grundsätzlich der Bundesvorstand“ entscheidet.
Der Parteivorstand „kann hierbei dem zuständigen Landesverband sowohl für den Einzelfall als auch generell schriftlich Vollmacht erteilen. Diese Vollmacht kann jederzeit widerrufen werden. Der Parteivorstand bleibt stets entscheidungsbefugt.“
Dies ist eine extrem zentralistische Regelung, die keine andere deutsche Partei kennt! In der SPD und auch in der CDU/CSU entscheiden allein die unteren Parteigliederungen über Aufnahmeanträge.
Mit dieser rigiden Praxis können zudem die von der Parteiführung so gefürchteten Unterwanderungsversuche gar nicht verhindert werden, denn wer kennt schon im Bundesvorstand jeden einzelnen Antragsteller?
Über die politische Biografie und die persönliche Eignung eines Bewerbers kann in der Regel nur vor Ort, an der Basis, entschieden werden. Dort kennt man ihn noch am ehesten und kann ihn daher beurteilen.
Für die Closed-Shop – Politik der Führung des BSW sind andere Gründe verantwortlich, über die man dort aber nicht so gerne spricht. Schließlich hat diese Praxis den unschätzbaren Vorteil, dass man bei der Verteilung von Posten, ob es nun um Mandate für Abgeordnete oder gar Regierungsämter geht, unter sich bleiben kann.
Und so werden nicht wenige politisch erfahrene und bekannte linke Persönlichkeiten aus dem BSW gezielt herausgehalten, da man sie als Konkurrenten um genau jene Posten fürchtet. Zahlreiche Mitstreiter Wagenknechts aus den Zeiten der Grabenkämpfe in der Linkspartei mussten deshalb vor der Tür bleiben.
Viele haben sich inzwischen im „Was-Tun?! Netzwerk linker Gruppen“ außerhalb des BSW selbst organisiert. Dort finden jene Veranstaltungen und Online-Diskussionen statt, die man im Bündnis vermisst.
Mit seiner Selbstbeschränkung auf verschwindend wenige Mitglieder hat das BSW das Momentum verpasst, um den Aufschwung der Friedensbewegung auf seine Mühlen lenken zu können. Man hat jene nicht angesprochen, die sich von einer kriegsbereiten SPD enttäuscht zeigen oder sich von einer grünlibertär gewendeten Partei Die Linke nicht mehr vertreten fühlen. Und hierbei geht es um viele.
Bereits wenige Tage nach Gründung des BSW sollen 8.000 Anträge auf Mitgliedschaft vorgelegen haben. Inzwischen wird die Zahl von 15.000 kolportiert. Die meisten der Antragsteller haben bis heute nicht einmal eine Absage auf ihr Begehren erhalten. Man kann sich leicht vorstellen, wie das bei ihnen ankommt. Sie werden sich angesichts dieser Ignoranz ganz von dem anfangs mit so viel Hoffnung versehenen Projekt abwenden, sind als Unterstützer und womöglich selbst als Wähler verloren.
Jetzt, wo das BSW in einem Bundestagswahlkampf gefordert ist und der Reiz des Neuen verwelkt ist, macht sich das Fehlen einer Mitgliederbasis schmerzlich bemerkbar. Ein Wahlkampf in der Fläche kann eben nicht einfach so mit den Mitteln der vom BSW engagierten Münchner Design- und Werbeagentur Iconemy bestritten werden. Eine Agentur übrigens, die sonst Siemens, Cartier und BMW vermarktet.
Erwartet wird die personelle Präsenz, und hier nicht alleine in den großen Städten, sondern auch und gerade in den vielen Kleinstädten und auf dem flachen Land. Doch mangels geeigneter Mitglieder kandidiert das BSW nur in wenigen, großstädtischen Wahlkreisen mit Direktkandidaten.
Wahlkampf findet nun aber einmal in erster Linie vor Ort statt, etwa in den vielen Diskussionsrunden die Sozialverbände, Sportvereine, Kirchengemeinden, Mieterorganisationen, Schulklassen und andere mit den Vertretern der Parteien durchführen. Hier wird regelmäßig der Platz des BSW frei bleiben müssen.
Das inzwischen nicht mehr auszuschließende Scheitern des Bündnisses bei den Wahlen zum Bundestag würde nicht nur das Ende eines weiteren linken Projekts in der Bundesrepublik bedeuten.
Damit würde zugleich eine kritische Stimme gegen die verfehlte Ukraine-Politik, gegen die Erhöhung des Rüstungsetats zulasten von Ausgaben für Bildung und Soziales und gegen die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen im Bundestag verstummen. Es würde in Deutschland noch finsterer werden.
Quelle: Andreas Wehr: Das Bündnis Sahra Wagenknecht – war es das etwa schon? 17.1.2025
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