Deutsche lehnen US-Raketen ab

Mehr Deutsche sind gegen die geplante US-Raketenstationierung als dafür. Bundeskanzler Olaf Scholz stösst in seiner eigenen Partei auf Widerstand gegen die Stationierung.

Typhon Mid-Range Capability (MRC): Sattelauflieger mit Mk 70 Mod 1 VLS Senkrechtstartanlage für 4 Tomahawk oder SM-6-Raketen – Bild: Darrell Ames, Program Executive Office Missiles and Space (PEOMS), US Army

Das US-Imperium hatte am 10. Juli 2024 angekündigt, dass ab dem Jahr 2026 neue Raketensysteme in Deutschland stationieren werden. Diese sind allerdings durch den INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces) untersagt, der landgestützte Raketensysteme mit einer Reichweite zwischen 310 und 3.400 Meilen ausschliesst. Der INF-Vertrag ist der letzte Abrüstungsvertrag, den die USA noch nicht gekündigt haben. 

Eine vom Forsa-Institut aktuell durchgeführte Umfrage ergab, dass 49 Prozent der Deutschen die neue Raketenstationierung für «nicht richtig» halten. Aber es sind immerhin 45 Prozent der Bevölkerung, die diese Idee unterstützen. Am stärksten ist die Ablehnung der Deutschen in den neuen Bundesländern. Dort sprechen sich 74 Prozent gegen diese Absicht aus.

Die US- und die deutsche Regierung zeigten sich einig, dass ab 2026 Typhon-Raketenwerfer mit SM-6 Raketen, Tomahawk-Marschflugkörper und eine in Entwicklung befindliche Hyperschallwaffen (LRHW Dark Eagle) in Deutschland stationiert würden. Allerdings sieht sich Bundeskanzler Olaf Scholz in Teilen seiner eigenen Partei und wie auch in der Ampelkoalition mit Widerstand konfrontiert. 

«Nicht jede Waffe macht Deutschland sofort sicherer», verharmlost Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, diesen offensiven Schritt der Amerikaner. Und er warnt, dass die «Gefahr einer ungewollten militärischen Eskalation beträchtlich ist». Natürlich sind Atlantiker wie die Sozialdemokraten grundsätzlich der Meinung, dass das US-Imperium alle Rüstungspläne «nur zur Verteidigung der Demokratie» auflegt. Denn die Angreifer sind immer die Russen, gegen die man sich verteidigen müsse. Diese seien expansiv und hätten nichts anderes im Sinn, als Angriff und Expansion.

Führende Mitglieder der SDP, die sich über die Stationierung besorgt äussern, verkünden, sie würden im September eine Debatte darüber einberufen wollen. Das ist scheinheilig, denn der eigentliche Grund, warum sie so besorgt tun, besteht darin, dass sie Angst vor den am 1. September 2024 stattfindenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben. Genauso wie vor den Landtagswahlen in Brandenburg, drei Wochen später, am 22. September 2024. 

Sie befürchten nicht nur schlecht abzuschneiden, sondern, vor allem in Sachsen, aus dem Landtag ganz rauszufliegen. Die aktuelle Debatte um die «angekündigte Stationierung von konventionellen Langstreckenwaffensystemen in Deutschland beunruhigt uns alle», heisst es in einer Erklärung, die dem Magazin POLITICO vorliegt. Von ihrer Angst, den deutschen Politzirkus ganz verlassen zu müssen, schreiben sie allerdings nichts.

Und noch etwas wird nicht erwähnt. Die Tomahawk-Marschflugkörper sind nuklearfähig mit einer Reichweite von über 1 000 Meilen. Sie werden normalerweise auf Zerstörern und U-Booten der US-Marine eingesetzt, da eine landgestützte Version durch den INF-Vertrag verboten ist. Die USA kündigten nun an, SM-6-Raketen nach Deutschland zu schicken, was darauf hindeutet, dass sie den Einsatz eines Typhon- Raketenwerfersystems planen. 

Dabei handelt es sich um ein verdecktes System, das in einem 40-Fuss-Container untergebracht ist und Tomahawks wie auch SM-6-Raketen abfeuern kann. Das lässt sich auch von Land aus machen. Die SM-6-Rakete kann Ziele in einer Entfernung von bis zu 290 Meilen treffen und liegt damit unterhalb den bisher im INF-Vertrag verbotenen Systemen. Was allerdings in einem jeweiligen Typhon-Raketenwerfersystem steckt, ob Tomahawks oder SM-6-Raketen, lässt sich nicht identifizieren.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, Russland werde auf die Stationierung so reagieren, dass es sein Moratorium für die Stationierung von Raketen, die zuvor durch den INF-Vertrag verboten waren, beendet. Der stellvertretende russische Aussenminister Sergej Rjabkow sagte, er schliesse nicht aus, dass Moskau als Reaktion darauf nuklear bewaffnete Raketen stationieren werde. Über die Demontage der einst mit grossen Hoffnungen ausgehandelten Rüstungskontrollabkommen hört man von Olaf Scholz nichts mehr, ebenso wenig von der SPD.


Quellen und Verweise:
Politico 31. Juli 2024, Germany’s Scholz under friendly fire over US missile plan
NTV, 31. Juli 2024, Knappe Mehrheit ist gegen neue US-Raketen in Deutschland
dvids, Mid-Range Capability Systems

05. August 2024
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