«Die Gründe für die zionistische Bewegung sind noch gültig. Ihre Mittel nicht.»
Mea Culpa: Ich behaupte nicht, die Lösung zu kennen, in Palästina in Frieden zu leben. Ich weiss aber, dass dies nur möglich ist, wenn gute Menschen auf beiden Seiten zusammenarbeiten.
Ich machte «aliyah» – die Einwanderung nach Israel – vor 45 Jahren im Alter von 22 Jahren. Ich kam aus New York und war ein junger zionistischer Aktivist. Mit 14 war ich der zionistischen Jugendbewegung Young Judäa beigetreten. Ich stieg in der Bewegung schnell in Führungspositionen auf. In meinem letzten Jahr an der High School war ich Präsident der Long Island Region von Young Judäa, einer der grössten und erfolgreichsten im ganzen Land. Das Jahr zwischen der High School und der Universität verbrachte ich in Israel im Rahmen des «Jahreskurs»-Programms der Bewegung.
Ich war ein halbes Jahr lang im Kibbuz Ein Harod Ihud und verbrachte dann ein halbes Jahr in Jerusalem. Schon vor diesem Jahr, nachdem ich Israel zweimal während der High School besucht hatte, wusste ich, dass ich nach meinem Abschluss in Politik und Geschichte des Nahen Ostens in Israel leben wollte. In der «Bewegung» wurde uns beigebracht, dass Alijah - der Umzug nach Israel - mehr ist als ein einfacher Adresswechsel. Alija zu machen bedeutet, das Wesen unseres Lebens zu verändern und einen echten Beitrag für Israel zu leisten.
Schon bevor ich nach Israel zog, verstand ich die wichtigste existenzielle Frage, vor der Israel steht: Wenn Israel die Gebiete, die es im Juni 1967 erobert hat, weiterhin kontrolliert, wird es irgendwann eine palästinensische Mehrheit zwischen dem Fluss und dem Meer geben. In der Bewegung lernten wir, dass der Eckpfeiler des Zionismus die Gewährleistung einer jüdischen Mehrheit im Staat Israel ist. Bis vor einigen Jahren glaubte ich an die Möglichkeit, dass Israel in einen echten Friedensprozess mit den Palästinensern eintreten würde und dass ein unabhängiger palästinensischer Staat im Westjordanland und im Gazastreifen mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt gegründet werden könnte. Wenn dies geschähe, könnte Israel der demokratische Nationalstaat des jüdischen Volkes mit einer klaren jüdischen Mehrheit bleiben.
Ich war der festen Überzeugung, dass eine echte Demokratie und Gleichberechtigung aller Bürger Israels möglich ist, sofern die Zwei-Staaten-Lösung umgesetzt werden kann. In meinen Augen war die Schaffung eines palästinensischen Staates die ultimative Erfüllung des zionistischen Traums.
Israel ist für Juden heute einer der unsichersten Orte der Welt.
Nach der Ermordung von Premierminister Rabin, der zweiten Intifada, die die Friedensaktivitäten auf beiden Seiten zum Erliegen brachte, dem Scheitern des Friedensprozesses, dem mangelnden Interesse oder politischen Willen der internationalen Gemeinschaft verlor ich den Glauben, dass Frieden sowohl in der israelischen als auch in der palästinensischen Gesellschaft möglich ist. Seitdem ist der zionistische Traum zu einem Albtraum geworden. Eine jüdische Mehrheit zu behalten und gleichzeitig die Kontrolle über Millionen von Palästinensern aufrechtzuerhalten, ist unmöglich, wenn demokratische Werte wichtig und wesentlich sind.
Israel ist nicht der sichere Hafen für Juden, von dem die zionistischen Führer sprachen. Israel ist für Juden vielmehr einer der unsichersten Orte der Welt. Ich glaube, dass es nach dem Holocaust einen moralischen Imperativ für die Gründung des Staates Israel als nationale Heimat für das jüdische Volk gab. Aber wir müssen auch erkennen, dass der Slogan «ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land» eine totale Lüge war.
Zweitausend Jahre lang wanderten die Juden staatenlos durch die Welt. Aber es gab immer Menschen, die in diesem Land lebten. Die meiste Zeit über lebte eine kleine jüdische Gemeinschaft im Land Israel. Aber sie waren eine kleine Minderheit, die mit den einheimischen Arabern lebte, die hier seit Jahrhunderten ansässig waren. Mit dem Aufkommen des Nationalismus Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der politische Zionismus geboren. Aber er war nicht allein auf der Welt. Der palästinensische Nationalismus entstand zur gleichen Zeit. Es gibt zahlreiche historische Fakten und Dokumente, die dies belegen – wenn wir bereit und willens wären, historische Fakten objektiv zu prüfen. Der palästinensische Nationalismus ist eine Realität, und der Zusammenprall zwischen ihm und dem Zionismus in Verbindung mit extremen religiösen Überzeugungen führt zu einem politischen Fanatismus, der sowohl in Israel als auch in Palästina existiert.
Das zionistische Unternehmen war erfolgreich – vielleicht sogar erfolgreicher, als man es sich je erträumt hätte. Es ist in der Tat eine der erfolgreichsten politischen Bewegungen der modernen Geschichte. Heute, fünfundsiebzig Jahre nach der Gründung des Staates Israel, erkennen wir aber, dass das zionistische Unternehmen in die Irre gegangen ist. Es ist fehlgeleitet und manchmal sogar böse geworden. Seine Institutionen führen eine Politik der ethnischen Säuberung durch, und sein Name wird benutzt, um den Bau illegaler Siedlungen auf dem Land der Palästinenser zu rechtfertigen.
Die Reaktionen der zionistischen Bewegung auf die Palästinenser umfassen nach internationalem Recht oft Gewalt, Staatsterrorismus, kollektive Bestrafung und sogar Kriegsverbrechen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Palästinenser gewaltsame Angriffe oder gewaltlose diplomatische Schritte unternehmen, wie z. B. den Internationalen Strafgerichtshof gegen Israel anzurufen: Die israelische Antwort ist fast immer dieselbe.
Als israelischer Staatsbürger werde ich weiterhin mit all meinen Rechten dafür kämpfen, dass Israel eine echte Demokratie wird, die in Frieden mit ihren palästinensischen Nachbarn lebt.
Ich habe mit meiner eigenen zionistischen Vergangenheit gerungen. Seit geraumer Zeit bezeichne ich mich nicht mehr als Zionist. Ich kann mich nicht mehr mit dem identifizieren, was im Namen des Zionismus getan wird. Israel hat bewiesen, dass es nicht gleichzeitig jüdisch und demokratisch sein kann. Manche sagen, es ist jüdisch für Araber und demokratisch für Juden! Ich muss mit dem Widerspruch leben, dass ich seit 45 Jahren in Israel lebe – als jemand, der unter dem zionistischen Gesetz der Rückkehr hierher kam. Ich habe hier eine Familie grossgezogen und war fast mein ganzes Leben lang Teil der zionistischen Bewegung. Israel ist meine Heimat, und es gibt keinen anderen Ort auf der Welt, an dem ich leben möchte.
Ich bin Israeli. Und als israelischer Staatsbürger werde ich weiterhin mit all meinen Rechten dafür kämpfen, dass Israel eine echte Demokratie wird, die in Frieden mit ihren palästinensischen Nachbarn lebt. Ich werde weiter dafür kämpfen, dass Israel zu einem Staat wird, in dem alle seine Bürger volle Gleichberechtigung geniessen – wie es in der israelischen Unabhängigkeitserklärung heisst.
Ich erkenne nach wie vor die Wichtigkeit an, ein Gebiet zu haben, in dem Juden als Juden leben können, ihre Kultur entwickeln und schützen und physische und nationale Sicherheit haben. Es ist wichtig, dass Juden, die auf der ganzen Welt in Gefahr sind, weil sie Juden sind, eine Heimat haben, zu der sie immer kommen können. Die Gründe für die Gründung der zionistischen Bewegung sind nach wie vor gültig.
Ich erkenne die historische und religiöse Bedeutung des Landes Israel und der Stadt Jerusalem für das jüdische Volk an. Ohne jeden Zweifel erkenne ich aber auch die historische und religiöse Bedeutung von Al Quds (Jerusalem) und Palästina für das palästinensische Volk an. Dies ist ein Land zweier Völker und hat eine Bedeutung für drei monotheistische Religionen. Keines der beiden Völker wird dieses Land verlassen. Beide Völker haben tiefe Verbindungen zu allen Teilen des Landes.
Ich behaupte nicht, die Lösung zu kennen, in diesem Land in Frieden zu leben. Ich weiss aber, dass dies nur möglich ist, wenn gute Menschen auf beiden Seiten zusammenarbeiten.
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Der Autor ist ein politischer und sozialer Unternehmer, der sein Leben dem Staat Israel und dem Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn gewidmet hat. Derzeit leitet er die Stiftung «The Holy Land Bond».
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