Die Strategie der friedlichen Umwälzung: Stimmen aus der Community, Folge 1

«Die Strategie der friedlichen Umwälzung» bewegt unsere Leser/innen. Heute: Stimmen von Sepp Goldinger, Albert Fresz, Rosaria Faas, Peter Dries und Sibylle Heimgartner.

Ein Mikrofon vor unscharfem Hintergrund mit Publikum
Stimmen aus der Zeitpunkt-Community zur Strategie der friedlichen Umwälzung. (Bild: Kane Reinholdtsen on Unsplash)

Sepp Goldinger schreibt:

Ich war erstaunt, wieviele offensichtlich Gleichgesinnte sich in Zürich eingefunden hatten. Habt ihr so viele erwartet? Ich habe das Buch gelesen, und ich muss sagen, ich habe noch selten ein so spannendes Geschichtsbuch gelesen.

 

Albert Fresz schreibt:

Mich beschäftigt diese Thematik seit geraumer Zeit und hat sie mich zeitweise fast resignieren lassen, weil ich vergeblich versucht habe, meine Mitstreiter*Innen in alternativen Bewegungen und Netzwerken dazu zu bringen, sich mit dem Wandel bzw. der Umwälzung nicht nur praktisch in Form von Forderungen, Protesten und Aktionen zu befassen, sondern auch theoretisch mit den Hintergründen bzw. Ursachen des herrschenden Irrsinns, anstatt nur Symtome zu bekämpfen oder ausschließlich nur Urban Gardening zu betreiben oder Bienen zu retten.

Auch die Klimagerechtigkeitsbewegungen zum Beispiel im rheinischen Kohlerevier und Hambacher Wald mit ihrer Hauptparole «System Change not Climate Change» werden mit der Frage konfrontiert, wie denn der Systemchange von statten gehen soll. Der kommt ja dann nicht von selbst, wenn wir es tatsächlich geschafft haben sollten, dass RWE aufgibt mit dem Kohleabbau und der Abholzung des Hambi. Es fehlen sowohl eine Vision als auch ein Plan bzw. eine Strategie dazu. Dies wurde auch unter anderem auf der im Frühjahr in Kassel stattgefundenen Konferenz mit Delegationen aus dem In-und europäischen Ausland thematisiert. Es wurde für notwendig befunden, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die an dieser Frage weiterarbeitet.

Das sind alles Menschen, denen es völlig klar ist, dass es so nicht weitergehen kann. Die nicht nur wagen, über den ganzen Irrsinn und dessen Konsequenzen nachzudenken, zu sprechen, sondern schon ins Handeln gekommen sind. Allerdings nicht, was den monetären Irrglauben und dessen notwendige Zerstörung angeht.

Ich frage mich, ob die Beschäftigung mit dem Geldsystem bei den Menschen, mit denen ich gemeinsam am Wandel arbeite, «mit allen Mitteln des Selbstbetrugs und der Propaganda» verhindert wird, wie Sie schreiben. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass sie die Religion des Mammons so sehr verinnerlicht haben und von der Illusion eines falschen Geldes getrieben werden und dem absurden Wunsch, mehr zu besitzen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Weniger ist mehr, teilen und Tauschen statt besitzen, Solidarität usw. ist angesagt. Und fürs Geld wird bei den einen nur soviel aufgewendet wie nötig, das heisst dass es für den bescheidenen alternativen Lebensstil reicht. Bei den anderen, der finanziell gut gestellten Akademikerschicht, scheint das auch kein Thema zu sein. Ausreichend Geld ist ja vorhanden. Da braucht man darüber nicht zu reden. Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass da «der im Materialismus gefangene freie menschliche  Geist sich nur noch mit seinem Kontostand beschäftigt», wie Sie ausführen.

Ich habe noch keinen Weg gefunden, wo und wie ich da ansetzen könnte, damit meine Mitmenschen zu der Erkenntnis gelangen, dass unser Geldsystem nicht nur sich selbst, sondern auch uns zerstört und sie dazu zu bewegen, die «Illusion des falschen Geldes zu zerschlagen».

 

Rosaria Faas schreibt:

Vielen Dank für dieses Buch! Es ist gleichzeitig lehrreich (was die entstandene Macht des Geldes betrifft) und hilfreich in den Ansätzen, was so dringend zu tun ist: Denn so oft stehen wir doch einfach «ohnmächtig» der ganzen Entwicklung gegenüber - wissen nicht, wo ansetzen und wie weiter. Das Buch (und ZEITPUNKT) im Gesamten macht Mut. Herr Pfluger und die Mitautoren sind kluge Denker der Gegenwart.

 

Peter Dries schreibt:

Ich habe die Zusammenfassung am Ende des Buches ins Französische übersetzt und gestern Abend anlässlich der an jedem 1. Freitag im Monat stattfindenden «scène ouverte» in unserem Café «bouche à oreille» auf der Bühne vorgetragen, mit einem «gilet jaune» angetan, mit einem kurzen Gtarrenstückchen dahinter. Das Publikum (ca. 50 bis 100 Leute) hat positiv reagiert.

Ich finde das Buch sehr gut und werde es noch einmal lesen, habe manches noch nicht verstanden. Neu war für mich der Zusammenhang von Sesshaftigkeit und Überschüssen mit Entstehung von Ungleichheit.

Ich glaube, dass ein neues Bewusstsein, was Besitz und Eigentum betrifft, schwieriger zu erreichen ist als zum Beispiel schmelzendes Geld im Sinne von Sivio Gesell. Ich persönlich, der ich seit 14 Jahren Zazen mache, sehe zunehmend die «impermanence», die Unbeständigkeit unseres Daseins überhaupt. Ich könnte von daher Besitz eher loslassen - aber der «Normalbürger» …?

Ganz im Sinne des Buches, was das Haushalten mit unseren persönlichen Kräften betrifft, denke ich, es kommt vor allem aufs Loslassen an: loslassen falscher, schädlicher, ungesunder Gewohnheiten. Kämpft man gegen etwas, gibt man ihm ja Energie und verausgabt seine Kräfte dabei.

 

Sibylle Heimgartner schreibt:

Mit grossem Interesse habe ich begonnen, Ihr Buch zu lesen. Sie greifen viele interessante Aspekte auf. Ihre kulturhistorische Analyse ist meines Erachtens jedoch etwas zu undifferenziert geraten: Mit der Sesshaftigkeit und dem Ackerbau kam es nicht «einfach so» zu Krieg, Herrschaft, Besitztum und Hierarchie. Die mussten erst «erfunden werden».

Über viele Jahrtausende (bis zur Bronzezeit und teilweise auch bis später je nach Örtlichkeit, vgl. das minoische Kreta) haben die Menschen relativ friedlich, egalitär und in kultureller Blüte gelebt, wie die Forschungen von der Archäologin Maria Gimbutas zeigen und worauf sich unter anderem auch der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann in dem Buch «Das Rätsel der Donauzivilisation» bezieht. Und: es gibt auch heute noch Gesellschaften die politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und spirituell so anders funktionieren als die «unsere», zum Beispiel die Mosuo (Südchina) oder Juchitan (Mexiko).

Es geht folglich um zwei völlig unterschiedliche Gesellschaftssysteme. Tiefgreifende Veränderungen können meines Erachtens erst vonstatten gehen, wenn die Wurzeln (des Übels) erkannt sind.

Wir danken unseren Leserinnen und Lesern für ihre Beiträge und freuen uns auf weitere. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder redaktionell zu überarbeiten und hoffen auf Ihr Verständnis.

Mehr dazu

Die Strategie der friedlichen Umwälzung, von Christoph Pfluger, erschienen in der Edition Zeitpunkt

 

04. November 2019
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