Die Strategie der friedlichen Umwälzung: Stimmen aus der Community, Folge 3

«Die Strategie der friedlichen Umwälzung» bewegt unsere Leser/innen. Heute: Stimmen von Mirjam Rigamonti, Conradin Obrecht und Hansruedi Weber.

Männerhand vor einem schwarzen Hintergrund, die ein silbernes Mikrofon hält
(Bild: pexels.com)

Mirjam Rigamonti schreibt:

Ich empfinde den Inhalt Ihres Buches umfassend, differenziert und trotzdem praxisbezogen. Zudem ist es sehr verständlich formuliert. Es ist nicht nur eine Analyse des Ist-Zustandes, sondern es weist auch nachvollziehbare Wege für die Zukunft auf, die durch jeden begehbar sind. Ich denke es ist auch gut, dass die Wurzeln unseres kranken Systems analysiert werden, geht es doch im Wesentlichen um die Heilung des ganzen Systems und nicht um die Eruierung von Bösewichten oder Sündenböcken.

Gesundung kann dann geschehen, wenn wir die Ursachen und Mechanismen durchschauen, sowohl den Blick aufs Ganze richten, als auch die konkreten Handlungsmöglichkeiten als Individuum beleuchten.

Mein Verbesserungsvorschlag zu den Ausführungen ginge in die Richtung, wegzukommen von den sinnbildlichen Kriegstaktiken und -strategien, um von einer «GEGEN-Reaktion» zu einer «FÜR-Haltung»  zu kommen. Ich bin als Frau eher für eine Tendenz weg vom Angriff und von Tricks, hin zum leisen Wachsen von neuen Projekten, die einst das veraltete System unnötig werden lassen.

Schon vor einiger Zeit ist mir bewusst geworden, dass unser Umgang mit Geld einige Parallelen zu einem Suchtverhalten hat. Als Psychologin würde ich einige Aspekte der Umwälzung unserer Gesellschaft gerne beleuchten:

1. Geld als Suchtverhalten: Ansätze und Behandlungsmöglichkeiten aufs Geld übertragen?   

2. Wie können Individuen vom Wissen zum Handeln gelangen? Oder wie kann ein Gefühl des Mangels durch Verzicht zu einem Gefühl der Bereicherung und des Gewinnes werden?

3. Hinter der aktuellen Entwicklung zur uferlosen Quantitätssteigerung, zur Zer-Teilung und Zer-Spaltung und hinter den apokalyptischen Gefühlen steht eine Umwälzung unseres Bewusstseinszustandes, so wie der Philosoph und Kulturanthropologe Jean Gebser es in seinen Ausführungen prognostiziert hat. Wie können wir dieses Wissen verbreiten und hilfreiche Wege ins neue Bewusstsein erarbeiten? Oder etwas weniger philosophisch ausgedrückt: Wie können wir positiven und ermutigenden Durchblick anstelle des beengenden Endzeitpessimismus' ankurbeln und destruktive Gefühle der Wut, des Hasses, der Depression und Gleichgültigkeit in konstruktive Gefühle der Empathie, Hoffnung, Selbst-Verantwortung und Liebe umwandeln helfen?

4. Auch finde ich es wichtig, dass wir Alternativbilder zu den gängigen Mythen, wie beispielsweise Kriegsheldentum, Konsumtempel, Statussteigerung durch Besitz usw. kreieren und an die Öffentlichkeit bringen.

Website: zeit-wende.ch


Conradin Obrecht schreibt:

Mit sehr viel Interesse und Achtung vor der Arbeit und dem Recherchieren der Hintergründe habe ich das neue Buch gelesen. Ich finde es fundiert, aufrüttelnd und anregend und habe es gleich mehrmals bestellt, um es Freunden und Bekannten zum Lesen zu geben.

Etwas möchte ich gerne noch dazu anmerken: Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit der Dreigliederung des sozialen Organismus von Steiner und ermuntere die Leserschaft, sich mit diesem Ansatz auseinanderzusetzen.

Ganz kurz zusammengefasst:

Der soziale Organismus ist ein lebendiger Organismus ähnlich demjenigen des Menschen. Er kann unterteilt werden in folgende Bereiche:

  • Wirtschaft (in dem das Prinzip der Schwesterlich- und Brüderlichkeit zu Hause ist)
  • Politik/des Staates oder des Rechtslebens (wo Gleichheit und Demokratie angesiedelt wären)
  • Geistesleben (Wissenschaft, Kunst, Religion... wo das Freiheitsprinzip das Massgebende sein sollte)

Diese Gliederung ist meines Erachtens ein zentraler Ansatz für das Erfassen und die Neugestaltung des sozialen Miteinanders. Was die unselige Verknüpfung von Wirtschaft und Politik macht, bekommen wir ja schmerzlich mit; das wird um Buch auch sehr gut dargestellt. Wie das Entwickeln von neuen Ideen durch die Einflussnahme des Staates und somit der Wirtschaft (z.B. Bezahlung von Professuren an den Unis durch Grosskonzerne) gehemmt wird, liegt etwas verborgener, spielt aber eine wesentliche Rolle beim Verhindern von erneuernden, der grösseren Gemeinschaft dienenden Impulsen.


Hansruedi Weber schreibt:

Gerne möchte ich zwei Links weitergeben, um auf die beiden Häretiker Jonathan Nitzan und Shimshon Bichler bzw. auf deren Projekt «Capital as Power» (CasP) aufmerksam zu machen:

Das Buch «Capital as Power. A Study of Order and Creorder» erschien bereits 2009, wurde aber vom Mainstream ignoriert, und die Autoren wurden kaltgestellt. Es ist als PDF gratis hier zugänglich: http://bnarchives.yorku.ca/259/

Macht (über andere) im Gewande des Kapitals ist der Kern des kapitalistischen Systems. Capital is not a material/productive entity, but a symbolic representation of power, the key social institution that creorders – or creates the order of – capitalist society.

Capitalists and corporations are driven not  to maximize profit, but to "beat the average" and increase their differential power. In this approach, the redistribution of income and assets is not a societal side effect of the economy, but the central conflict that propels modern capitalism. And the main weapon in this struggle is not investment and growth, but what the American political economist Thorstein Veblen called "strategic sabotage" – the restrictions, limitations, hazards and pains that capitalists impose on the rest of society in order to sustain and augment their differential power.

Diese Macht zu denunzieren und zu delegitimieren dürfte für eine friedliche Umwälzung unumgänglich sein.


Wir danken unseren Leserinnen und Lesern für ihre Beiträge und freuen uns auf weitere. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder redaktionell zu überarbeiten und hoffen auf Ihr Verständnis.


Mehr dazu

Die Strategie der friedlichen Umwälzung, von Christoph Pfluger, erschienen in der Edition Zeitpunkt

15. November 2019
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