Eine volle Fahrt
Zwei Dinge hatte sich die damals 22-jährige Rose Marie fest vorgenommen: a. Nach Australien auswandern und b. sich nie mehr verlieben. Beides klappte nicht. Trotzdem wurden die sechs Monate auf einem polnischen Containerschiff «das Ding» in ihrem Leben, wie sie es selbst nennt.
Eigentlich wollte Rose Marie einfach weg, weg aus der engen Schweiz, weg von den Ansprüchen ihres Umfelds auf eine rasche Heirat. Einfach mal die jungen Flügel ausbreiten und sich treiben lassen. Dass sie ernsthaft vorhatte, in Australien zu bleiben, sagte sie niemandem. Von zusätzlichem Erfolgsdruck wollte sie sich die Reise nicht vermiesen lassen.
Die erste Woche auf dem Frachter war furchtbar. Die Langeweile. Aber nicht nur die: Ein aufdringlicher Steward machte ihr das Leben schwer. Rose Marie war mit den Nerven am Ende. Doch gerade, als sie nur noch nach hause wollte, stieg ein amerikanischer Professor mit seiner australischen Gattin zu. «Weitgereiste, belesene Leute», erinnert sich Rose Marie. Mit ihnen fühlte sie sich sicher. Und dann war da noch dieser Matrose, der singen und Gitarre spielen konnte. Während er Rose Marie die ersten Griffe beibrachte, begannen ihre Vorsätze in der heissen Mittelmeersonne dahinzuschmelzen. Dass es nicht für immer sein konnte wusste sie und versuchte, nicht an den Abschied zu denken.
Dass die Ankunft in Australien ihr gleich in mehrfacher Hinsicht den Boden unter den Füssen wegziehen würde, damit hatte Rose Marie nicht gerechnet. «Nach sechs Monaten auf See schwankte der Boden bei jedem Schritt. Ich musste mich andauernd hinsetzen – und dazu der Liebeskummer». In Australien kannte Rose Marie niemanden. Andere Backpacker hatten ihr gesagt, es sei einfach, in Australien schwarz zu arbeiten. Aber Rose Maries Englisch reichte nicht. In einem libanesischen Take away entliess man sie nach einem Tag. Nach zwei Monaten ging Rose Marie das Geld aus. Ihre neuen Freunde liessen sie am Ende umsonst bei ihnen übernachten. «Die einzige richtige Arbeit hatte ich in der letzten Nacht, als ich in einer Zigarren-Fabrik putzte», lacht Rose Marie. Auf dem Rückweg über Singapur zog sie Bilanz. Hatte sich die Reise gelohnt? Heute, vierundzwanzig Jahre später zögert Rosmarie mit der Antwort keine Sekunde. «Die Erlebnisse von damals nähren mich immer noch», sagt sie. Noch 2008 ist ihr die Reise so nah, dass sie ein Tagebuch zu schreiben beginnt, das nun unter dem Titel «Seemannsgarn» als Buch erschienen ist. Es scheint, als wäre ein Teil von Rose Marie noch immer unterwegs, ganz so wie wir alle immer ein bisschen zweiundzwanzig bleiben.
Rose Marie Gasser Rist: Seemannsgarn – ein Reiseabenteuer für Erwachsene. BoD, 2010. 160 S., Fr. 17.- / 11,90 Euro. Kann auch direkt bestellt werden bei Rose Marie Gasser, Kaffeegasse 7, 8595 Altnau, Tel. 071 690 09 82, seemannsgarn.jimdo.com
Rose Marie Gasser ist auch der gute Geist hinter dem Netzwerk «terra nova», das sich im Raum Bodensee für eine nachhaltige Lebensweise und eine Kultur des Miteinanders einsetzt. Auf Facebook: Terra Nova (Bodensee)
Weitere Geschichten und Aufsätze zum Thema im Schwerpunktheft «Lebensreisen».
Eigentlich wollte Rose Marie einfach weg, weg aus der engen Schweiz, weg von den Ansprüchen ihres Umfelds auf eine rasche Heirat. Einfach mal die jungen Flügel ausbreiten und sich treiben lassen. Dass sie ernsthaft vorhatte, in Australien zu bleiben, sagte sie niemandem. Von zusätzlichem Erfolgsdruck wollte sie sich die Reise nicht vermiesen lassen.
Die erste Woche auf dem Frachter war furchtbar. Die Langeweile. Aber nicht nur die: Ein aufdringlicher Steward machte ihr das Leben schwer. Rose Marie war mit den Nerven am Ende. Doch gerade, als sie nur noch nach hause wollte, stieg ein amerikanischer Professor mit seiner australischen Gattin zu. «Weitgereiste, belesene Leute», erinnert sich Rose Marie. Mit ihnen fühlte sie sich sicher. Und dann war da noch dieser Matrose, der singen und Gitarre spielen konnte. Während er Rose Marie die ersten Griffe beibrachte, begannen ihre Vorsätze in der heissen Mittelmeersonne dahinzuschmelzen. Dass es nicht für immer sein konnte wusste sie und versuchte, nicht an den Abschied zu denken.
Dass die Ankunft in Australien ihr gleich in mehrfacher Hinsicht den Boden unter den Füssen wegziehen würde, damit hatte Rose Marie nicht gerechnet. «Nach sechs Monaten auf See schwankte der Boden bei jedem Schritt. Ich musste mich andauernd hinsetzen – und dazu der Liebeskummer». In Australien kannte Rose Marie niemanden. Andere Backpacker hatten ihr gesagt, es sei einfach, in Australien schwarz zu arbeiten. Aber Rose Maries Englisch reichte nicht. In einem libanesischen Take away entliess man sie nach einem Tag. Nach zwei Monaten ging Rose Marie das Geld aus. Ihre neuen Freunde liessen sie am Ende umsonst bei ihnen übernachten. «Die einzige richtige Arbeit hatte ich in der letzten Nacht, als ich in einer Zigarren-Fabrik putzte», lacht Rose Marie. Auf dem Rückweg über Singapur zog sie Bilanz. Hatte sich die Reise gelohnt? Heute, vierundzwanzig Jahre später zögert Rosmarie mit der Antwort keine Sekunde. «Die Erlebnisse von damals nähren mich immer noch», sagt sie. Noch 2008 ist ihr die Reise so nah, dass sie ein Tagebuch zu schreiben beginnt, das nun unter dem Titel «Seemannsgarn» als Buch erschienen ist. Es scheint, als wäre ein Teil von Rose Marie noch immer unterwegs, ganz so wie wir alle immer ein bisschen zweiundzwanzig bleiben.
Rose Marie Gasser Rist: Seemannsgarn – ein Reiseabenteuer für Erwachsene. BoD, 2010. 160 S., Fr. 17.- / 11,90 Euro. Kann auch direkt bestellt werden bei Rose Marie Gasser, Kaffeegasse 7, 8595 Altnau, Tel. 071 690 09 82, seemannsgarn.jimdo.com
Rose Marie Gasser ist auch der gute Geist hinter dem Netzwerk «terra nova», das sich im Raum Bodensee für eine nachhaltige Lebensweise und eine Kultur des Miteinanders einsetzt. Auf Facebook: Terra Nova (Bodensee)
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26. Juni 2012
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