Erhebende Mechanik
Von allen Räumen dieser Welt ist der Fahrstuhl einer der seltsamsten.
Das Theater ist der Anfang von allem – Das gilt sogar für den Lift. Mechanik war Zauberei und Zauberei war Mechanik. Euripides verstrickte seine Figuren immer weiter in Verwirrungen, bis nur noch ein Gott, ein «deus ex machina» helfen konnte. Dieser wurde dann mit speziellen Liften, Kranen oder Seilwinden auf die Szene gehievt. Was ein rechter Gott ist, der navigiert problemlos zwischen oben und unten. Und wer als Prophet etwas auf sich hält, ebenfalls. Keine Weltreligion ohne Himmelfahrt.
Für die weniger göttlichen unter uns blieb die Bewegung in der Vertikalen aber lange Zeit schwieriges Terrain. Personenlifte wurden abseits des Theaters höchstens in Bergwerken verwendet, stets begleitet von der Angst vor dem Sturz in die Tiefe. Oder von Gauklern, die mit grossem «Tada» plötzlich irgendwo erschienen.
Zur theatralischen Geste griff auch der amerikanische Liftpionier Elisha Otis, als er seine absturzsichere Konstruktion vorführte. Otis stand in einer offenen Kabine über dem Publikum, während ein Assistent über ihm mit einer Axt das Tragseil kappte. Die Konstruktion funktionierte, Otis war ein gemachter Mann und der Lift trat definitiv aus dem Schacht- und Schattendasein. Jetzt waren Hochhäuser möglich, Skyscrapers kamen in Mode. Eine Hochhausstadt ohne Lift? Unvorstellbar. Und der Lift stellte oben und unten auf den Kopf. Bislang war die «Belle Etage», das schönste Stockwerk stets das erste gewesen – und die Dienstboten hausten in kalten Kammern unter dem Dach. Nun zogen die feinen Herrschaften nach oben ins «Penthouse» und Hotels verlegten beim Einbau von Liften die schönsten Suiten nach oben und fanden es angemessen, Liftboys anzuheuern, als Portiers für die obersten Etagen. Was nobel klingt, war nicht besonders erfolgreich: unter den Dienern waren die Boys die alleruntersten. Türen schliessen und Knöpfe drücken kann nunmal wirklich jeder.
Von allen Räumen dieser Welt ist der Fahrstuhl einer der seltsamsten. Der engste gemeinsame Nenner: jeder benutzt ihn und keiner kann sich aussuchen, mit wem er für kurze Zeit auf kleinstem Raum eingeschlossen wird. Vermutlich halten sich die meisten Passagiere deswegen an eine ungeschriebene Norm: Sie tun so, als wären alle anderen nicht da und versuchen zugleich, sich selbst in Luft aufzulösen. Kaum Gespräche, kaum Blickkontakt, Lift fahren als zwischenmenschliches Luftanhalten.
Dabei geht es auch anders: mit Liften lässt sich allerhand Schabernack betreiben. Schon Karl Valentin gaukelte seinen Besuchern eine kilometerlange Fahrt ins Erdinnere vor. Sein «Lift» war eine wackelnde Platte und um den Käfig rotierten über Rollen geführte braun bemalte Tapeten, die ein immer tieferes Vorstossen unter Tage suggerierten. Einige Jahrzehnte später lotste Solomon Asch Ahnungslose Passagiere in einen Lift voller Schauspieler, um die Macht der Gruppe zu demonstrieren. Auf ein unsichtbares Zeichen hin, drehten sich die Leute um, setzten ihre Hüte auf oder ab – und ihre ahnungslosen Opfer folgten. Reinen Blödsinn stellt hingegen Rémy Gaillard mit Liften an. Der Paillasse des französischen Fernsehens installiert in Liften regelmässig kleinste Discos, Wohnzimmer, Restaurants oder auch einfach eine Dusche und ergötzt sich ab der Irritation der Leute, die eigentlich bloss ein paar Etagen nach oben wollten.
Auch Filmleute haben immer wieder ihren Spass mit Liften. Mit Abstürzen und Duellen, mit den Perspektiven im Liftschacht und natürlich mit Liften, die stecken bleiben. Schon der fahrende Lift ist ein Unort, kein richtiger Platz, sondern die Verbindung zwischen zwei Plätzen. Wenn der Lift dann aber auch noch anhält wird er definitiv zur Seifenblase ausserhalb von Zeit und Raum, zur Besenkammer unserer Fantasie. Und wenn dann auch noch gerade Angelina Jolie anwesend wäre, George Clooney oder wenigstens Beni Turnheer …
Wer Hochhäuser sieht, sieht Lifte. In wirklich hohen Gebäuden gibt es Schnelllifte, die nur alle 10 oder 50 Stockwerke halten und Zubringerlifte für die Feinverteilung. Statistisch gesehen, transportieren die Lifte der Welt alle 72 Stunden einmal die gesamte Menschheit. Lift-Connaisseuren sei in der Schweiz natürlich der Bürgenstock ans Herz gelegt, aber auch die Reise nach Bern lohnt sich. Im Kaufhaus an der Marktgasse dreht der Paternoster seine Kreise: stetig ziehen türlose Kabinen vorbei, in die der Fahrgast hineinspringen muss. Besonders mutige finden heraus, ob sich die Kabinen oben drehen.
Ganz hat der Lift seinen Zauber nicht verloren. Mal bin ich hier, mal bin ich dort. Ein Zaubertrick, eine Gaukelei. Als wären wir alle Götter des griechischen Theaters.
Mehr zum Thema «oben und unten» in Zeitpunkt 142
Für die weniger göttlichen unter uns blieb die Bewegung in der Vertikalen aber lange Zeit schwieriges Terrain. Personenlifte wurden abseits des Theaters höchstens in Bergwerken verwendet, stets begleitet von der Angst vor dem Sturz in die Tiefe. Oder von Gauklern, die mit grossem «Tada» plötzlich irgendwo erschienen.
Zur theatralischen Geste griff auch der amerikanische Liftpionier Elisha Otis, als er seine absturzsichere Konstruktion vorführte. Otis stand in einer offenen Kabine über dem Publikum, während ein Assistent über ihm mit einer Axt das Tragseil kappte. Die Konstruktion funktionierte, Otis war ein gemachter Mann und der Lift trat definitiv aus dem Schacht- und Schattendasein. Jetzt waren Hochhäuser möglich, Skyscrapers kamen in Mode. Eine Hochhausstadt ohne Lift? Unvorstellbar. Und der Lift stellte oben und unten auf den Kopf. Bislang war die «Belle Etage», das schönste Stockwerk stets das erste gewesen – und die Dienstboten hausten in kalten Kammern unter dem Dach. Nun zogen die feinen Herrschaften nach oben ins «Penthouse» und Hotels verlegten beim Einbau von Liften die schönsten Suiten nach oben und fanden es angemessen, Liftboys anzuheuern, als Portiers für die obersten Etagen. Was nobel klingt, war nicht besonders erfolgreich: unter den Dienern waren die Boys die alleruntersten. Türen schliessen und Knöpfe drücken kann nunmal wirklich jeder.
Von allen Räumen dieser Welt ist der Fahrstuhl einer der seltsamsten. Der engste gemeinsame Nenner: jeder benutzt ihn und keiner kann sich aussuchen, mit wem er für kurze Zeit auf kleinstem Raum eingeschlossen wird. Vermutlich halten sich die meisten Passagiere deswegen an eine ungeschriebene Norm: Sie tun so, als wären alle anderen nicht da und versuchen zugleich, sich selbst in Luft aufzulösen. Kaum Gespräche, kaum Blickkontakt, Lift fahren als zwischenmenschliches Luftanhalten.
Dabei geht es auch anders: mit Liften lässt sich allerhand Schabernack betreiben. Schon Karl Valentin gaukelte seinen Besuchern eine kilometerlange Fahrt ins Erdinnere vor. Sein «Lift» war eine wackelnde Platte und um den Käfig rotierten über Rollen geführte braun bemalte Tapeten, die ein immer tieferes Vorstossen unter Tage suggerierten. Einige Jahrzehnte später lotste Solomon Asch Ahnungslose Passagiere in einen Lift voller Schauspieler, um die Macht der Gruppe zu demonstrieren. Auf ein unsichtbares Zeichen hin, drehten sich die Leute um, setzten ihre Hüte auf oder ab – und ihre ahnungslosen Opfer folgten. Reinen Blödsinn stellt hingegen Rémy Gaillard mit Liften an. Der Paillasse des französischen Fernsehens installiert in Liften regelmässig kleinste Discos, Wohnzimmer, Restaurants oder auch einfach eine Dusche und ergötzt sich ab der Irritation der Leute, die eigentlich bloss ein paar Etagen nach oben wollten.
Auch Filmleute haben immer wieder ihren Spass mit Liften. Mit Abstürzen und Duellen, mit den Perspektiven im Liftschacht und natürlich mit Liften, die stecken bleiben. Schon der fahrende Lift ist ein Unort, kein richtiger Platz, sondern die Verbindung zwischen zwei Plätzen. Wenn der Lift dann aber auch noch anhält wird er definitiv zur Seifenblase ausserhalb von Zeit und Raum, zur Besenkammer unserer Fantasie. Und wenn dann auch noch gerade Angelina Jolie anwesend wäre, George Clooney oder wenigstens Beni Turnheer …
Wer Hochhäuser sieht, sieht Lifte. In wirklich hohen Gebäuden gibt es Schnelllifte, die nur alle 10 oder 50 Stockwerke halten und Zubringerlifte für die Feinverteilung. Statistisch gesehen, transportieren die Lifte der Welt alle 72 Stunden einmal die gesamte Menschheit. Lift-Connaisseuren sei in der Schweiz natürlich der Bürgenstock ans Herz gelegt, aber auch die Reise nach Bern lohnt sich. Im Kaufhaus an der Marktgasse dreht der Paternoster seine Kreise: stetig ziehen türlose Kabinen vorbei, in die der Fahrgast hineinspringen muss. Besonders mutige finden heraus, ob sich die Kabinen oben drehen.
Ganz hat der Lift seinen Zauber nicht verloren. Mal bin ich hier, mal bin ich dort. Ein Zaubertrick, eine Gaukelei. Als wären wir alle Götter des griechischen Theaters.
Mehr zum Thema «oben und unten» in Zeitpunkt 142
15. März 2016
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